Ace Frehley. Kennt den noch jemand?
Natürlich! Einer der ganz großen, wenn nicht *der* größte Show-Gitarrist aus den 70ern. Bei KISS war er zwar meistens besoffen, hat aber dafür einen gitarristischen Archetypen erschaffen und mit seinen Soli die Musik von KISS aus dem Mediokren erhoben. Er war immer der Coole bei KISS. Die späteren Kapitel in der Geschichte von KISS und Ace waren weit weniger cool. Seit der Trennung versucht Ace, seiner Rolle als Rock'n'Roll Has-Been in Würde gerecht zu werden und veröffentlicht immer mal wieder mehr oder weniger gute Alben. Für sein aktuelles Solo-Album "Origins Vol. 1", das nur Coverversionen seiner ganz frühen Vorbilder enthält, hat er sich unter einigen anderen geschmackvollen Exponaten auch "Fire and Water" von Free rausgesucht. Sehr gute Wahl. Free? Kennt die noch jemand? Nicht unbedingt. Eine der ganz großen Bands, die es nie so richtig in die erste Reihe geschafft haben. Hatten mit "All Right Now" einen einzigen Riesenhit, außerdem aber noch viele, viele weitere tolle Songs (die alle komplett anders waren als der Hit) und vor allem aber einen unglaublich talentierten Gitarristen. Der hat es aber leider nicht über sein 26. Lebensjahr hinaus geschafft. Angeblich wollte sich einst "der" Eric Clapton von ihm mal seine Vibrato-Technik zeigen lassen. Schöne Geschichte, aber ob sie stimmt, weiss keiner mehr. Ich habe jedenfalls eine gaaaanz, ganz starke Schwäche für Free. Das konnte Ace natürlich nicht wissen, aber dass er Free covert, kann ich nicht unkommentiert stehen lassen... Zum Einstieg erstmal das Original, damit wir alle wissen, worum wir hier reden: Free, 1970 live im Beat Club mit "Fire and Water". Auf der Höhe ihrer Kunst. Und Schlaghosen.
Ist das nicht absolut großartig?
Mit so wenig Apparatur so einen Sound zu erzeugen? Keine großen Verstärkertürme, keine Effektgeräte, nur ein klitzekleines Schlagzeug, ein autarker Bass und eine Gitarre, direkt in dem Amp eingesteckt. Free ist die mit Abstand minimalistischste, kammermusikalischste, die ungeföhnteste, unverbasteltste und puristischste Band der Welt. Keine andere Gruppe hat besser "weniger ist mehr" gespielt. Gerade "Fire & Water" ist dafür ein tolles Beispiel. Der Aufbau des Songs ist auf das Wesentliche beschränkt. Kein Teil zuviel, keine Note, die man nicht braucht. Und dann das Vibrato des unfassbar aufspielenden Paul Kossoff mit seiner so schön angerempelten goldenen Les Paul. Durchaus glaubhaft, dass der Herr Clapton da ganz genau hinschauen wollte. Dagegen, Ace Frehley's Interpretation von 2016:
Ganz schöner Unterschied, was?
Gequatsche am Anfang und dann ein Klanggetürm, dass einem Angst und Bange wird. Der Gegensatz könnte nicht größer sein. Man merkt, wo Mr Frehley musikalisch sozialisiert wurde. In einer Kapelle, die Bombast, Überproduktion und Schaustellertum neu erfunden hat, die beim Vertuschen von musikalischem Leichtbau hinter schrillen Tütü bis heute nicht übertroffen wurde. Herrje, die waren alle maskiert und trugen Kostüme! Ace Frehley, Meister des Hüddeldi-hüddeldi, der schnell wiederholten, immer gleichen Noten auf der einen Seite. Paul Kossoff, der Meister der größten Wirkung mit den wenigsten Tönen auf der anderen. Das schönste Vibrato der 60er gegen die effektheischerischsten Licks der 70er. Der Mann mit den größten Gesten gegen den Mann mit der größten Seele. Der Showman mit der Feuer spuckenden Klampfe und das stille, tiefe Wasser. Zwei wie... tja, zwei wie ... Feuer und Wasser. Geeint nur im Spielen einer Gibson Les Paul. Paul, Paul & Paul Und dann ist da ja noch der andere Paul. (In dieser Geschichte kommen viele Pauls vor). Paul Stanley, offenbar wieder befreundeter Ex-Kollege bei KISS, den Ace sich hier als Sänger hinstellt. Denn sich sowohl mit Paul Kossoff als auch mit Paul Rodgers (nächster Paul und Sänger bei Free) messen zu wollen, das hat Ace völlig richtig als aussichtslos erkannt. Also Auftritt Paul Stanley, stark selbstüberschätzer Selbstdarsteller, der hier routiniert das vorführt, was er am besten kann: Paul Stanley sein. Immer ein bisschen drüber, immer ein bisschen zuviel musikalische Schminke. Immer bemüht, die Soul-Diva zu geben. Nichts Neues also. Nichts Neues fügt auch Ace Frehley dem Song hinzu. Er versucht, den Song im Wesentlichen nur mit ordentlich Wumms zu spielen. Was aber bei dieser Art von runter reduziertem Rock schlecht funktioniert. Er pumpt viel Luft in ein Riff, dass nicht für so ein großes Format gemacht wurde. Das wirkt am besten, wenn man es so reduziert belässt. Aber zum Glück ist ja der eigentliche Hauptdarsteller des Songs das Gitarrensolo. Und da ist auch der tänzelnde Stanley schnell vergessen. Space Ace zeigt eine tolle Synthese seines eigenen klassischen Stils und jenen Elementen, die Paul Kossoffs Spiel zu eigen waren. Mit seinem hart knackenden Pick-Anschlag zitiert Ace einige Kossoff-Licks fast originalgetreu und platziert sogar dessen kräftige Bendings . Ok, da darf dann auch mal sein Pickup qualmen, bitte schön. Auch wenn diese Coverversion also nichts spektakulär Neues bereit hält, so ist Ace's Huldigung an Free und Paul Kossoff doch sehr erfreulich. Schön, wenn die eine Legende einer anderen Legende huldigt. Mr Frehley zeigt Stil und Klasse mit dieser Wahl. Paul Kossoff spielte eine goldene Les Paul. Ace Frehley's Modell ist silber. So zollt man Respekt. Guter Ace! Further hearing Zum geneigten Vertiefen dieses Ausflugs diene ich eine Playlist mit einer kleinen, aber repräsentativen Auswahl von Free und Ace Frehley an. Ihre stärksten Songs, komprimiert in jeweils 6 Stücken. Und lauscht man "Walk In My Shadow" von Free, merkt man, dass Clapton und Cream offensichtlich auch große Free-Fans waren...
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Eigentlich sollte es nur ein kurzer Abstecher in den Cavern Club werden. Ein, zwei Pints, um den ganzen besuchten Beatles-Sehenswürdigkeiten in Liverpool an diesem Tag auch noch die frühe Stätte ihres Wirkens hinzuzufügen. Das war am späten Nachmittag. Geblieben sind wir bis weit nach Mitternacht. "Schuld" daran sind diese beiden Damen, die MonaLisa Twins: Ja, tatsächlich: Sie sind Zwillinge und heissen Mona und Lisa. Und sie spielten an diesem Samstag einen ihrer regelmäßigen Auftritte im Cavern Club mit einem Programm aus Songs der 1960er, allen voran von den Beatles. Mit wunderschönen Stimmen und (fast) noch schöneren Gitarren. Was wir zu dem Zeitpunkt noch nicht wussten: Die zwei stammen eigentlich aus Österreich und sind auf die Welt gekommen, als die Beatles schon lange, lange Jahre nur noch Erinnerung waren. Grund genug, sich einmal mit Mona und Lisa darüber zu unterhalten. Zwei Schwestern aus Österreich machen sich auf den Weg nach Großbritannien und spielen dort erfolgreich Musik, die gut 30 Jahre älter ist, als sie selbst. Wie ist das zustande gekommen, wie "konnte das passieren"? L: Wenn ich heutzutage das Radio aufdrehe, dreh ich meistens auch gleich wieder ab. In Österreich hatten wir die Wahl zwischen den internationalen Pop Charts und der lieben Volksmusik. Unser Herz schlug für die 60’s Musik: Beatles, Simon & Garfunkel, Bob Dylan, Rock n‘ Roll, weniger für Katy Perry und Andreas Gabalier. Die heimische Musikszene für Pop und Rock Musik ist nicht besonders groß und da wir weder an Klassik, Elektronischer Musik oder Schlagern interessiert waren und wir uns Dank YouTube bereits ein sehr internationales Publikum aufgebaut hatten, nützten wir die erste Gelegenheit, um auszuwandern. M: Durch viele Zufälle verschlug es uns während einer kleinen Irland Tour nach Liverpool und 2 Wochen später war klar, dass wir nicht mehr nach Österreich zurückkommen werden. Diese Entscheidung hat sich als absolut richtig herausgestellt. Wenn Kindern ihren Eltern erzählen, dass sie jetzt in die Welt hinausziehen, um als Musiker erfolgreich zu werden, reagieren die Eltern ja normalerweise nicht unbedingt begeistert. Bei Euch war das offenbar ganz anders? M: Absolut. Unser Vater war und ist selbst Musiker/Tonstudiobesitzer und wir haben von Kindesalter an mit ihm zusammen an musikalischen Projekten gearbeitet. Anfänglich nur aus Jux und Tollerei, aber als er merkte, wir meinen das mit der Musik ernst, haben wir angefangen, gemeinsam an unserer Karriere zu arbeiten. Und da gehört auch der Umzug nach Liverpool dazu. L: Alle vier von uns, unsere Stiefmutter und Papa eingeschlossen, haben diesen Schritt gewagt und seit dem nichts bereut. Unsere Eltern managen und produzieren uns, wir könnten uns kein besseres Team vorstellen. Was an der Musik der 60ies ist für Euch so faszinierend? L: Die Lebensfreude, Authentizität und vor allem der Stellenwert den Musik damals im Leben der Menschen hatte. Von den 70’s an wurde immer mehr Augenmerk auf Produktion, Image, PR-Stunts und eine glamouröse Verpackung gelegt. Das ist alles schön und gut, nur hat darunter in unseren Augen in einigen Bereichen das Songwriting der letzten Jahrzehnte gelitten. Euer regelmäßiges Engagement im Cavern Club ist der Traum für viele Musiker und ein echter Glücksfall im heutigen Musikbusiness. Was meint ihr, woran es liegt, dass es für Euch geklappt hat? M: Es war eine Reihe von Faktoren, die mitgeholfen haben. Aber unter anderem wurden die Besitzer des Caverns auf uns aufmerksam, weil wir einen wöchentlichen Radioauftritt im lokalen BBC Radio hatten. Wir spielen auch genau die Musik, die in den Cavern passt, dort vor allem natürlich Beatles und 60s Covers, und so hat man uns ein wöchentliches Engagement angeboten. Mittlerweile kennen die Leute unsere eigenen Nummern auch schon. Ihr wart im November 2015 auf Tour mit Steve Harley. Wie ist das gelaufen? M: Das war eine sehr besondere Erfahrung. Obwohl wir schon sehr viel Live-Erfahrung gesammelt hatten, war dies unsere erste „richtige“ Tour. Dann gleich mit Steve Harley & Cockney Rebel „on the road“ zu sein und richtig große Häuser wie die Symphony Hall in Birmingham oder das indigo O2 in London zu füllen war natürlich spitze. Wir haben viel über die Logistik des Tourens gelernt und unsere Bühnenpräsenz hat sich merklich verbessert. L: Steve und die Band machen das schon sein seit mehr als 40 Jahren, und wir konnten viel von ihnen lernen. Keine Show der Tour war gleich und es wurde extrem viel improvisiert und „im Moment“ gespielt. Keine überproduzierte Show mit Pyrotechnik, Tänzern und Playback, sondern nur echte Musik. Das war für uns das Besondere an dieser Tour. Wie seid ihr an den Job mit Steve gekommen? L: Wir arbeiteten letztes Jahr mit jemandem zusammen, der in der Vergangenheit ein paar Konzerte mit Steve Harley organisiert hat. Ihm gefiel unsere Musik und wollte sie Steve vorstellen, er schrieb ihm daher eine Mail mit ein paar unserer YouTube links. Wir haben uns eigentlich nur ein Feedback zu unserer Musik erhofft, oder ein paar nette Zeilen. Fast ein halbes Jahr später, wir hatten fast darauf vergessen, landete eine Nachricht von Steve in unserem Posteingang: „I want them in my touring band!“. Wie sieht es mit einer eigenen Tour aus? Ist da was geplant? M: Da sind wir im Moment noch in der „Pläne schmieden und wieder verwerfen“-Phase. Im Moment hat einmal die Fertigstellung unseres neuen Albums die oberste Priorität und danach werden wir uns mehr mit Tour Plänen beschäftigen. Im Augenblick ist noch alles möglich, aber wir planen schon, wieder mehr Konzerte außerhalb von Liverpool zu spielen. Ihr seid ja offensichtlich musikalisch multipel begabt, könnt nicht nur Singen und Songs schreiben, sondern spielt auch Schlagzeug, Gitarre, Ukulele, Bluesharp, Flöte (kind of)... ist da noch irgendetwas hinzugekommen in letzter Zeit? M: Unsere neuste Single „That’s Life“ beinhaltet zum ersten Mal ein Cello, das Lisa im Studio eingespielt hat. Wir haben auch vor kurzem ein Cover der Beatles Nummer „If I Fell“ auf YouTube gestellt, wo man Lisa Cello spielen sehen und hören kann. Das ist im Moment unser neuester Zuwachs und wird vermutlich am neuen Album noch öfter zu hören sein. L: Außerdem sind wir, oder besser gesagt unser Vater, seit Neustem stolze Besitzer eines Kontrabasses. Er ist noch ganz neu und hat es bis jetzt noch auf keine Aufnahme geschafft, aber das wird sich garantiert bald ändern. Er hat einen wunderschön runden und warmen Sound und sieht spitze aus - ganz in dunkelrot, wie unser Höfner E-Bass! Ihr habt eine ganz feine Sammlung an schönen Gitarren. Andere Frauen haben einen Schuhtick. Habt ihr stattdessen einen Gitarrentick? Oder... beides? ;) L: Also Schuhtick haben wir keinen :-P Mit den Gitarren ist das etwas Anderes, haha. Wir experimentieren wahnsinnig gerne mit verschiedenen Sounds und wir alle wissen – man kann nie genug Gitarren haben. Was steht für 2016 auf Eurem Arbeitszettel? M: Das neue Album. Wir haben noch keinen Arbeitstitel, aber es werden ziemlich sicher wieder 11 Songs werden. Wir haben bereits mit den Aufnahmen begonnen. Alles danach ist noch offen – eventuelle Tours, Cover Compilation CD, Festivals, neue Videos, neue Website... Am besten wäre es, die Leser tragen sich in unseren Newsletter ein und schauen regelmäßig auf unserer Website vorbei, dann sind sie immer am neusten Stand. Und wir müssen natürlich noch die "eine" Frage klären: Wer ist Euer Lieblings-Beatle? Und warum gerade der? L: Das einzigartige und magische an den Beatles war die Kombination vier so verschiedener, aber doch im Geiste total ähnlicher Individuen. Als Gitarristin muss mein Lieblings-Beatle wohl George sein. Der für mich „most genuine“ der vier und sowohl als Musiker als auch Person ein einmaliges Genie. M: Ich kann da keine klare Antwort geben. Jedes Mal, wenn ich ein Interview mit einem der vier sehe, ändere ich meine Meinung wieder. John Lennon ist für mich aber am inspirierendsten. www.monalisa-twins.com
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Der Boden an sich ist über und über mit goldenem Glitzerkonfetti übersät. Glitzerkonfetti! Im Pitcher!!
Das Schlagzeug? Daran klebt der Glitter an Resten von Flüssigkeiten verschiedenster Herkunft.
Vor der Bühne? 150 Freunde dunkler Kleidung und wunderbar altmodisch zurechtgezimmertem Hardrock. Die Luft ist dick, die Ohren dröhnen. Die Leute jubeln, alle lächeln.
So. Genau so hinterlässt man eine Bühne:
Die drei, die an diesem Spektakel im ausverkauften Pitcher Schuld tragen, ziehen sich verschwitzt und ebenso lächelnd in das winzige Backstage-Eckchen zurück, bevor sie dann die lange Schlange am Merchandising-Stand freundlich abarbeiten. Freundlich abgearbeitet haben Óskar Logi, Alexander Örn und Stefán Ari zuvor schon ihre gut zwei Stunden dauernde Setlist aus schwerem Blues, sexy Riffs und kranken Prog-Rhythmuswechseln.
Zu Gehör bringen die Männer aus dem Eis unter anderem Babylon, Craving, Shaken Beliefs, Let Me Be, Monolith, Last Day Of Light, Expand Your Mind, Winter Queen, Cocaine Sally, Carousel und das wunderbar paranoide (sic!) Midnight Meditation.
An Paul Kossoffs 40. Todestag einer Band zuzusehen, deren Gitarrist vielleicht einen ganz anderen Stil verfolgt, aber die Mimik des großen Free-Gitarristen erstaunlich ähnlich nachbildet und zudem noch ganz fein singen kann, erklärt, warum The Vintage Caravan das Pitcher ratzfatz ausverkaufen und sogar einen Zusatztermin anberaumen müssen. Musik, die weit älter ist, als die drei Jungs aus Island, vollgespickt mit bösen Akkordverschiebungen von Black Sabbath, verschwitze Melodie-Riffs von Deep Purple und klassische Drumfills von Led Zeppelin und Kiss zelebrieren Vintage Caravan vorzüglich an diesem Abend.
In jedem Song stecken mindestens 800 Assoziationen an andere Songs und Bands. Ein herrliches Bad in erfrischend neu interpretierten alten Songelementen. Im Gesamtbild erinnert das an die völlig zu Unrecht vergessenen Captain Beyond, einem Purple-Ableger der frühen 70er. Überdies wird das Konzert eingeleitet von AC/DC’s „It’s a long way to the top if you wanna Rock’n’Roll“. Nur weiter so, dann ist der Weg gar nicht mehr so lang. Und alle, die Vintage Caravan dann im Pitcher gesehen haben, können später großväterlich prahlen, sie hätten die schon gesehen als die noch in ganz kleinen… Jaja.
Fliegende Haare, Hipster-Bärte, Paisley-Hemden und schreiende Gitarren. Andere mögen Vintage Caravan als Epigonen-Band einsortieren. Wir finden es zu schön, dass die jungen Leute sowas heute noch können.
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Einem Kampf um Musik, um Fassung, um den richtigen Klang. Ausgetragen auf offener Bühne in der ausverkauften Frankfurter Brotfabrik. Zur Begrüßung stellt sich der Brite den rund 400 Besuchern kurz vor:
Hello, I’m Jon. I come in peace. Sort of…
Und man sieht der Performance in Frankfurt diese Achterbahn-Abfahrt an. Immer wieder atmet Jon Gomm schwer zwischen seinen vielschichtigen Songs, diesen musikalisch hochverdichteten Gebilden, die so ein hohes Maß an Können voraussetzen und alles andere als leicht runtergespielt sind. Deren akkurate Interpretation schon allein jede Menge Mühe mit sich bringt, bei denen gleichzeitig und ineinander verwoben Schlagzeug, Bass, Melodie und Klangeffekte aus der Gitarre hervorkommen und Jon Gomm noch dazu singt. Und das alles mit einem komischen Gefühl im Bauch, „ feeling a bit mental“, wie er selbst es nennt und dessen er sich die ganze Zeit zu erwehren scheint.
Man leidet mit, wenn dann in die Ruhe des Verklingens eines gerade gemeisterten Songs (nachdem man sich und Jon eine kurze Auszeit gönnen möchte, um sich wieder zu sammeln) der Jubel, gut gemeinte Zwischenrufe und lautes Pfeifen einbricht. Natürlich ist Jubel toll, und hier auch völlig zu Recht, aber der sichtlich schnaufende Gomm wirkt dadurch abgelenkt, sogar irritiert, zumindest angestrengt. Er bedankt sich freundlich. Eine weitere Front, an der er da zu kämpfen hat.
Gleich nach der Eröffnung mit dem „Stupid Blues“ demonstriert Jon Gomm ausgiebig und mit launigen Worten, wie man es anstellt, auf der Gitarre Schlagzeug und E-Bass zu spielen. Es folgen unter anderen noch „What's Left For You“, Chaka Khans „Ain't Nobody“, "Secrets Nobody Keeps" sowie „Wukan Motorcycle Kid“, das bislang unveröffentlichte „Deep Sea Fishes“ sowie das emotionale Meisterstück dieses Abends „Telepathy“.
Das Maß an technischen Fertigkeiten, die Jon Gomm anwendet, um seine Idee vom richtigen Klang aus seinem Kopf, durch die Gitarre, in die Köpfe des Publikums zu bringen, ist allemal anstrengend, meisterlich, bewundernswert. Die traditionellen Spielweisen der Gitarre lässt er dabei weit hinter sich, seine Hände sind auf, unter, neben, über und hinter seinem Instrument. Er schlägt, kratzt, scheuert, streichelt, zupft und wiegt seine alte vernarbte Lowden Acoustic, die er mit allerlei Klebeband, Polstern und anderen Umbauten ganz auf sich zurechtgeschneidert hat. Ihm scheinen alle Mittel recht, um aus seinem Arbeitsgerät den Klang herauszuzwingen, der ihm vorschwebt. Für herkömmliche Gitarristen wäre hier längst Schluß. So wie die Gitarre mittlerweile aussieht, scheinen die beiden mitunter einige harte Auseinandersetzungen gehabt zu haben.
Und nicht nur das Ringen um den Klang mit seiner Wilma (so nennt er seine alte Lowden-Gitarre) wirkt, als würde er es gerade schaffen, die Oberhand zu behalten - da holt zum Finale, zu „Passionflower“, ausgerechnet, dem Stück, das ihn berühmt gemacht hat, die Verstärkertechnik nochmal zum Schlag aus und lässt Jon Gomm kurzerhand im Stich. Kurze Unterbrechung, neues Stimmen, Fehlersuche, Entschuldigungen. Die Konzentration muss er sich (schon) wieder zurück erkämpfen, zurück erobern, zurück zum Thema kommen, zurück in die Stimmung bringen. Der erstaunte Fan mit seiner Kamera, den Gomm kurzerhand auf die Bühne hebt, wird reichlich zu filmen bekommen haben.
Doch es ist ein Abend mit Happy End. Denn am Ende bleibt Jon Gomm der Sieger. Charmant lächelnd winkt er nach getaner Arbeit in den Saal und gibt - hoffentlich ebenso prophetisch - allerseits Entwarnung:
Don’t panic. It’s alright.
„Düsseldorf, my fucking family!“
Apropos Masken. Dass Slipknot am ersten Karnevalsfeiertag in Düsseldorf ihr Kostümfest veranstalten, ruft genauso schnell eine Reihe an Kalauern und naheliegenden Koinzidenz-Witzchen auf den Plan. Ich schlage vor, wir hauen die schnell raus, dann haben wir sie aus dem Kopf:
Haha, ein Clown, ein Zombie und Arbeits-Overalls - die sehen ja aus wie die kaputten Village People.
Das drei mal Dreigestirn aus Iowa. Oder auch: Der 9er-Metal-Rat der Junksitzung.
Slipknot Hel(l)au! Tätää. Danke.
Zurück zum Thema. Die vorschnell unterstellte Eintönigkeit. Das widerlegen Slipknot in Düsseldorf schon, bevor sie nur einen Ton zum besten gegeben haben. Als Intro, bevor das Licht ausgeht, die Menge losjubelt und sich der rote Vorhang öffnet, spielen sie über die PA „Ashes To Ashes“ von und für David Bowie. Naheliegenderweise hätte man doch eher auf Motörhead getippt, als Ehrung für den anderen großen Verlust dieser Tage im jungen Jahr 2016, Lemmy Kilmister. Tja, das wäre eben zu naheliegend und zu einfach. Stattdessen Bowie.
Und ein weiteres Mal überraschen Slipknot dann mit der Pausenmusik vor den Zugaben: „Hell“ von den zu Unrecht völlig unterschätzen Tiger Lillies aus London. Weiter weg von Slipknot mag einem zunächst keine Band erscheinen. Helene Fischer vielleicht. Aber, nein, wir sprachen ja von Musikern…
Bowie und die Tiger Lillies. Bei fucking Slipknot. Toll. Chapeau!
Was dann in den knapp zwei Stunden folgt, ist wunderbar zu erlebende visuell-akustische Hedonie, ein enthemmtes Fest für die Sinne, wenn auch ein schroffes, ins Extrem getriebenes. Lieder zwischen Liebe und Maden, zwischen Wut und Verwesung, die Themen amerikanischer Adoleszenz auf dem Lande, inszeniert von den neun Männern, die, wir haben’s mehrfach erwähnt, für den Auftritt natürlich wieder in ihr kleines, schwarzes, mumifiziertes geschlüpft sind. Wobei man, ketzerisch und bei aller Liebe, vier Leute locker weglassen könnte, ohne, dass man das wohl sofort merken würde. Die Kernband um Taylor mit den Gitarristen Jim Root und Mick Thomson, sowie dem Paul Gray-Nachfolger Alessandro Venturella am beleuchteten Bass und Jay Weinberg (übrigens Sohn von Max Weinberg, Bruce Springsteens E-Street-Band Drummer. Ob Papi wohl stolz ist?), der Joey Jordisons Platz am Schlagzeug übernommen hat, reichen vermutlich locker aus, um ihren Standpunkt deutlich zu vermitteln.
Die Setlist enthält natürlich Songs des jüngsten Albums, „.5 The Gray Chapter“, anteilig ist aber „Iowa“ weit mehr vertreten. Das Album feiert 2016 sein 15. Jubiläum. Den Fans ist das mehr als recht. Zu erleben, wie das ganze ISS Ei den Text zu „Psychosocial“ inbrünstig mitsingt, ist schlicht beeindruckend, ohne zu einem peinlichen Bon-Jovi-Moment zu verkümmern. Kurz ist man sogar geneigt, zu glauben, dass in diesem Moment die Anerkennung von Corey Taylor echt ist. Sehr schön auch die bei jedem Konzert zelebrierte Hinhock-und-wieder-hochspringen-Aktion im Saal während des Songs „Spit It Out“.
Zu allen Songs laufen auf der Riesen-Leinwand über dem Riesen-Schlagzeug Videos mit kunstvoll in Szene gesetzten Nahaufnahmen von Dingen, die man sich eigentlich nicht mal aus der Ferne anschauen möchte. Verstörend, faszinierend, wie ein Autounfall, auf den man mit Abscheu und Faszination zugleich starrt. Ähnlich ins Extrem geführte, oder darf man schon sagen pervertiert, sind die T-Shirt-Preise. Das angereiste Mitglied der „fucking family“ darf sich hier an Gewirk erfreuen, dass auch mal zwischen 50 und 70 Euro kosten darf. Egal, muss man ja nicht zugreifen.
Was nehmen wir mit? Erinnerungen an einen „besonderen“ Abend, der eine „harte“ Erkenntnis liefert: Hört man sich erstmal durch die Masken und den vordergründigen Lärm hindurch, verbergen sich hinter der maskiert-verkrusteten harten Schale durchaus schöne Lieder mit teils anrührendem Kern. „Left behind“, "Dead Memories" etwa oder das erwähnte „Psychosocial“: Es wird höchste Zeit, dass die Spezialisten für derlei musikalische Detektiv- und Archäologie-Arbeit, die wunderbaren Hellsongs aus Schweden, sich dieser Songs auch einmal annehmen. Oder er hier, Isaac Birchall, hat das schon sehr gut angefangen:
Und ansonsten, zum Reinkommen, erstmal die Originale:
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Der Popwart
Musikblog aus Düsseldorf
Ich schreibe gern. Am liebsten über Musik, Konzerte und Kram. Manchmal für die Zeitung. Manchmal ungefragt.
Worüber ich schon geschrieben habe:
Alle
6-Zylinder
Abdullah Ibrahim
AC/DC
Ace Frehley
Adam Noidlt Missiles
Alfred Biolek
Alich Und Pause
Altstadtherbst
André Rieu
Angelo Branduardi
Annett Louisan
Anton Webern
Arctic Monkeys
Ata Tak
Ausbilder Schmidt
Auto! Auto!
Avril Lavigne
Axl Rose
Backyard Babies
Barbara Schöneberger
Bb-king
Bela-bartok
Ben Becker
Bobby McFerrin
Branford Marsalis
Brian Setzer
Bushido
Butcher Babies
Carolin Kebekus
Cat Stevens
Charlotte Roche
Chick Corea
Chris Norman
Christian Jost
Christoph Maria Herbst
Cirque Invisible
Cream
D-A-D
Daliah Lavi
David Copperfield
Deep Purple
Dick Brave
Die Prinzen
Dieter Hildebrandt
Dieter Nuhr
Dweezil Zappa
Edvard Elgar
Ennio Marchetto
Ensemble Notabu
Esbjörn Svensson Trio
Eure Mütter
Faiz Ali Faiz
Familie Popolski
Fanny Hensel
Felix Mendelssohn Bartholdy
Free
Fury In The Slaughterhouse
Gayle Tufts
Georg Schramm
Gerd Dudenhöffer
Gerd Weismann
Gerhard Oppitz
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Giuseppe Verdi
Götz Alsmann
Green Day
Gustav Mahler
Gustavo Dudamel
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Hector Berlioz
Helge Schneider
Helmut Lotti
Hermann Van Veen
Howard Skempton
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Yo-Yo Ma
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