„Wenn andere aus meinem Buch vorlesen, kotzʻ ich fast“ Ein interessanter Punkt, den Charlotte Roche da bei ihrer Lesung im Savoy Theater vorbringt. Solange die 33-Jährige selbst das eigene Werk rezitiert - so wie sie an diesem Abend ihre jüngst erschienenen „Schoßgebete“ - ist alles in Ordnung. Aus fremdem Munde dagegen erscheinen ihr aber die Worte so „ekelig“ ausgesprochen, das könne sie nicht aushalten. Die Menschen, die zum Anlass des Rocheʻschen Vortrags das Savoy Theater zu gut drei Vierteln füllen, scheinen ebenfalls nicht nur robuste Mägen zu haben, sie zeigen sich sogar bestens unterhalten. Die expliziten Schilderungen sehr aktiver Ausgestaltungen des ehelichen Zusammenseins zwischen der Hauptfigur Elisabeth Kiel und ihrem Ehemanne werden im Saal von giggeligem Gekicher, mitunter auch lautem Lachen begleitet. Fast nach jedem Satz grinst auch Charlotte Roche breit, kommentiert und illustriert das Gesagte mit Handbewegungen und Geräuschen. Dabei haben ihre Geschichten nun wirklich keinen Bedarf an weiterer Klärung von Details. Wir lernen nebenbei noch von ihrer Begeisterung für die Leistengegend des Komikers Matze Knop oder den Sextipps, die sie von Sängerin Peaches einst bekam. Hier und dort stöhnt es im Publikum auch mal auf, wenn das Erzählte offensichtlich wieder mit Macht eine Vorstellungs- und Ekelgrenze über den Haufen fährt. Diese Liebe zum ganz genauen Hinsehen, besonders dorthin, wo es weh tut, schlecht riecht oder keinen was angeht, lässt sich rückblickend bereits früh feststellen. Vor Jahren saß Charlotte Roche bereits im Savoy und las aus einer Doktorarbeit, die sich in Wort und Bild detailreich mit Verletzungen an des Mannes bestem Stück beschäftigte, hervorgerufen durch libidinös motivierte Handlungen an Staubsaugern. Es kann also niemand behaupten, er hätte nicht gewusst, was hier auf ihn zukomme. Die „Philip Lahm der Bums-Belletristik“, so ihre eigene Ankündigung aus dem Off zu Beginn, liest aus ihrem Buch somit auch zwei Sexszenen und erfüllt damit voll die an sie gestellten Erwartungen. Dass das Buch aber zu weit größeren Teilen von etwas ganz anderem erzählt, nämlich schrecklichen Schicksalsschlägen, dem Tod und einer zerbrochenen Familie, bleibt außen vor. In der anschließenden Fragerunde beantwortet sie die Frage nach den traurigen Teile der Geschichte, die könne jeder lieber alleine lesen, sie veranstalte lieber lustige Lesungen. Charlotte Roche dabei zu beobachten, wie sie auf elegante Art jede noch so gute oder schlechte Frage mit Witz und Charme dem Fragenden wieder um die Ohren haut, ist dabei mindestens so unterhaltsam zu beobachten wie ihr Vorlesen. – erschienen im September 2011 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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![]() Die meisten Unfälle passieren ja bekanntlich im Haushalt. Zu welch absonderlichen Missgeschicken es aber führen kann, wenn sich unsägliches Pech und auf sinnliche Stimulierung zielende Kreativität die unglückseligen Hände reichen, bekommen die Besucher des ausverkauften Savoy Theaters von Charlotte Roche und Christoph Maria Herbst in einer denkwürdigen Lesung referiert. Roche, unlängst geschasstes Viva-Juwel, und Herbst, „Ladykracher“-Kollege von Anke Engelke, zitieren wörtlich aus einer Dissertation, mit der ein Urologe 1978 seine Doktorwürde erlangte: „Penisverletzung durch Masturbation mit Staubsaugern“. Neben den beiden um bestmögliche Ernsthaftigkeit bemühten Dozenten ist auch der an den meisten Unfällen dieser Art beteiligte Sauger auf der Bühne präsent. Laut Statistik, so lernen wir, näherten sich die meisten der vorgestellten Fälle dem Modell „Kobold“ aus dem Hause Vorwerk in spannungslösender Absicht. Bei der folgenschweren Begegnung von Mann und Maschine kommt es dabei zu einem unfairen Wettkampf zwischen einem mit 18.000 Umdrehungen pro Minute rotierenden Propeller und der Reaktionszeit des triebhaft bewegten Geräteeigners. Auf groß projizierten Schautafeln werden die grotesken Schlamassel in eindeutigen Bildern dokumentiert. In den detailreichen Ausführungen über die Anatomie von erektilem Gewebe und elektrischem Partikelknecht wird besonders die gefährlich kurze Distanz von nur 11 cm deutlich, gemessen von der Öffnung des Saugstutzens bis zu den Rotorblättern. Die daraus resultierenden Szenarien sind durchsetzt von so schauderhaften Worten wie zerfetzt, abgetrennt, Riss/Quetsch-Wunde bis hin zum mehrstrahligen Wasserlassen. „Wir wollen uns auf keinen Fall über jemanden lustig machen“, versichert Herbst. „Aber diesen Fällen haftet eine unglaubliche Tragikomik an, die wir mitteilen und so auch über Gefahren aufklären wollen.“ Großes Gelächter ernten vor allem die inspirierten Ausreden der Patienten. Da werden hanebüchene Geschichten um „unglückliche Stürze“ und „nackt staubgesaugte“ Pkw-Interieurs gesponnen, um den wahren Hergang des Malheurs zu vertuschen. Nach einer leider viel zu kurzen Stunde werden die freudig applaudierenden Zuhörer wieder in das gefährliche Haushaltsleben entlassen. Der „Kobold“ wurde übrigens auf Grund dieser und ähnlicher Erkenntnisse später umkonstruiert und „entschärft“. – erschienen im Januar 2005 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf |
Der Popwart
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