![]() Wie kann ein Mensch nur so viel reden? Wie kann ein Mensch nur derart viele Worte in einer so rasanten Geschwindigkeit hervorbringen wie Mathias Richling bei seinem Auftritt in der Düsseldorfer Tonhalle? Dessen aktuelles Programm „Der Richling-Code“ ist ein turbulenter Redeschwall, in dem der 57-Jährige im besten Wortsinne ohne Pause (das Programm läuft seine soliden zwei Stunden am Stück) über die politische Landschaft in Deutschland schwadroniert. Dazu hat er Bühne und den knapp zu drei Vierteln gefüllten Saal in eine stilisierte Bundestagssitzung verwandelt. Hinter dem breiten Sitzungstisch in schwarz-rot-gold thront eine allgegenwärtige rote Merkel-Jacke, um die Richling später Da Vincis berühmtes Abendmahl errichtet, so dass sie den ehemals anderweitig vergebenen mittleren Platz einnehmen wird. Die Namensschilder der Redner wendet Richling erst im Laufe des Abends um, insgesamt sind es fast 20 Charaktere, die er hinreissend parodiert. Natürlich lässt auch er die aktuellen Ereignisse um Wikileaks („Erstaunlich, dass die unsere Polit-Gurken noch dermaßen positiv bewerten“) und Stuttgart 21 („Nicht der Bahnhof, sondern Stuttgart gehört unter die Erde“) nicht unerwähnt. In seinem jungenhaftem Tippelschritt flitzt Richling dabei umher und präsentiert seine Riege der „Polit-Darsteller“. Wolfgang Bosbach, eine „Enzyklopädie der Meinungen“, die in jeder Talkshow zu Gast sei, gibt den Auftakt. Ähnlich schlecht kommt Ronald Pofalla weg, den Richling als farb- und „kräftig konturlos“ brandmarkt. Dabei legt er ihn stimmlich nah an Theo Lingen und lässt ihn mehrfach wie ein Schoßhündchen in Richtung Kanzlerinnen-Jackett hecheln. Der Effekt funktioniert prächtig, die Zuschauer amüsieren sich hervorragend. Die Regierungschefin selbst kommt natürlich auch des Öfteren zu ihrem Recht auf Spott: „Ich habe die Krise sicher durch das Land geführt“. Richlings sagenhafte Einzelspieler-Analyse verteilt herrlich bissige Nackenschläge im vollendet dargebotenem Zungenschlag. Fliegenfänger Karl Lauterbach, Frank-Walter Steinmeier, der herrlich zeternde Gregor Gysi, Renate Künast, Wolfgang Schäuble, Ursula von der Leyen, Annette Schavan, Gerhard Schröder, Helmut Kohl, Günter Öttinger, Karl-Theodor zu Guttenberg und Rainer Brüderle, sie alle werden von Mathias Richling beeindruckend pointiert und treffend skizziert. Im Falle von Guido Westerwelle, vor allem aber Altkanzler Helmut Schmidt gerät dies fast schon gespenstisch real, wenn er dem Original in Gestus und Duktus auch ohne Schminke und Kostüm erschreckend ähnlich wird. Selbst ein kleiner schwäbelnder Saaldiener und der so eigentümlich sprechende Wissenschaft-Showmaster Joachim Bublath finden hier noch Platz. Rainer Brüderle sei übrigens im Nebenberuf noch Pfälzische Weinkönigin, bemerkt Richling in der Zugabe, bevor er den begeistert aufgenommenen Abend mit einem wunderbar skurrilen Interview zwischen dem ahnungslosen, am Wein nippenden Brüderle und einem unverständlich grotesk krähenden Chinesen schließt. – erschienen im Dezember 2010 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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