![]() So wie das Leben manchmal spielt, so spielt Kimmo Pohjonen sein Akkordeon. Sein aktuelles Programm „Animator“, mit dem der Finne beim Altstadtherbst begeistert, ist das akustische Spiegelbild eines kompletten Lebenszyklus. Von den ersten Herztönen eines Fötus bis zum buchstäblichen Niederlegen im Tode zeigt Pohjonen die Stationen eines Lebens in grellen musikalischen Bildern. Gekleidet in ein ärmelloses Leibchen und einem ausladenden Rock, stilistisch irgendwo zwischen 70er-Jahre Lampenschirm und Albtraum von Jean-Paul Gaultier, beginnt Pohjonen seine Performance auf der verdunkelten Bühne mit vorsichtigem Beatmen seines Akkordeons. Daraus erwachsend animiert er sein Instrument zu einer erstaunlichen Vielfalt an Klängen, der Großteil davon völlig untypisch für ein Akkordeon. Möglich machen ihm das seine unorthodoxen Schlag- und Spieltechniken und vielerlei elektronisches Utensil, die er in der Bühnenmitte um seine in schweren Stiefeln steckenden Füssen drapiert hat. Indem er auf diesen Effektgeräten ein wahres Ballett vollführt und ständig andere Schalter und Tasten betätigt, changiert der Original-Sound seines gefalteten Blasebalgs von einem Engels-Chor bis zu einer Motorsäge. Wer hier auf finnischen Tango am Akkordeon hofft, kann schiefer nicht gewickelt sein. Rockige Riffs aus zwei, drei Tönen dienen als Grundlage, elektronisch als Endlosschleife wiederholt, über die Kimmo Pohjonen dann technisch virtuos soliert. Unterstützend setzt er auch seine Stimme ein, quäkt wie ein Neugeborenes oder steigert sich in das Gegröle eines alten Trinkers hinein. Aber die Musik ist nur ein Teil der Akkord-Arbeit. Körper und Instrument dienen der Computergrafikerin Marita Liulia und dem Lichtkünstler Antti Kuivalainen als Projektionsfläche für starke optische Kompositionen. Sie verstärken die Assoziation an die vorüberziehenden Bilder eines Lebens, etwa wenn Pohjonen wie eine Teenager-Raupe nach einer schmerz- und dissonanzerfüllten Metamorphose plötzlich gereift mit Schmetterlingsflügeln aus Licht dasitzt und friedlich eine weise Kantilene anstimmt. Wie auch das Leben immer viel zu kurz ist, so ist auch dieses Konzert viel zu schnell vorbei. Nach einer knappen Stunde und einer Zugabe ist das Spektakel vorüber und das Publikum muss wieder in die eigenen Lebensbilder zurück. – erschienen im September 2004 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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