Dass die Juristerei ein ziemlich trockenes Thema ist, hat der promovierte Jurist Alfred Biolek recht schnell gemerkt und wechselte anfangs der 70er Jahre aus den rechtskundlichen in die redaktionellen Büros des WDR. Nach seiner langen und erfolgreichen TV-Karriere haben ihn die Paragrafen aber letztendlich wieder eingeholt. In der Tonhalle doziert der Dr. jur. vor einem recht dünn besetzten juristischen Seminar über Richard Wagners Ring des Nibelungen, der hier vor ein fiktives Gericht gestellt werden soll. Die Idee ist zwar nicht neu, könnte aber durchaus spaßig werden. An frühere Beispiele ähnlicher Art wie die amüsant abgeurteilten Streiche von Max und Moritz erinnert man sich immer wieder gerne. Auch der Ring wurde schon einmal vor langen Jahren auf die Anklagebank eines Fernseh-Kadi gezerrt, doch war dies damals von mindestens ebenso finsterer Qualität wie heutige Glotzen-Richter. Leider ist auch Bioleks Gericht fade und ohne Würze gekocht. Der vom Stehpult abgelesene Vortrag passt zum Vorurteil des trockenen Advokaten, recht schnell und lieblos wird Zwerg Alberich für seinen Raub des Rheingolds gemäß §242 Absatz 1 zu einem Jahr Freiheitsstrafe verknackt. Immerhin beweisen groß projizierte, erlesene Video-Aufnahmen des „Jahrhundert-Rings“ von 1976 unter der Regie von Patrice Chéreau und Pierre Boulez am Dirigentenpult die angesprochenen Tatbestände. Doch diese Freude währt nicht lange. Weitere Straffälligkeiten der Götter und Helden werden zügig aufgezählt, „scharfe Sachen“ schamhaft bekichert, ab und an wird auch noch ein Paragraf zitiert und eine flapsige Formulierung eingestreut, aber von einer samstagabendlichen Gerichtsshow ist Bio weit entfernt. Der Abend verflacht zusehends zu einer schlichten Inhaltsangabe des Rings. Wirklicher Höhepunkt ist der Besuch von Richards Urenkelin Daphne Wagner und Dame Gwyneth Jones, die in einer kleinen Talk-Runde charmant und sehr unterhaltsam über die Proben zum Jahrhundert-Ring plaudern. Ob aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit, Biolek würgt Jones mitten im Gespräch ab, um noch schnell den Inhalt von Siegfried und Götterdämmerung zu verlesen und dann zum Ende zu kommen. Schließlich koste es eine weitere Saalmiete, wenn man nicht bis elf Uhr von der Bühne sei. Freundlicher Applaus aus sich schnell lichtenden Reihen. – erschienen im Januar 2005 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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