Jan Delay gehört fraglos zu den stilsichersten Vertretern der zeitgenössischen deutschen Popkultur. Der andernorts vielleicht etwas voreilig schon zum Retter derselben heraufstilisierte Hamburger unterstreicht bei seinem jüngst vergangenen Konzert im Hangar 8 des Düsseldorfer Flughafens seine Qualitäten als Sänger, Entertainer und Bühnenarbeiter, alles verpackt in einer kleinen 33-Jährigen Person mit schnoddrig-arrogantem Gestus. Als Eröffnungskonzert der diesjährigen Jazz-Rally tritt Jan Delay mit seiner Begleitband Disko No. 1 an der wohl spektakulärsten Lokalität auf, die Düsseldorf derzeit zu bieten hat. Entsprechend schnell war das Konzert in dem riesigen Hangar ausverkauft. Jetzt, die Tore weit zum Rollfeld geöffnet, mit Blick auf startende und landende Flugzeuge, bietet diese Halle eine beeindruckende Kulisse für die große Bühne und die rund 4000 Menschen, die sich neben dem passend geparkten Jet eines Sponsors eingefunden haben. Zwar haben hier auch schon Sasha und die Fantastischen Vier Auftritte absolviert, ansonsten ist der Hangar aber weitgehend dem Flugbetrieb vorbehalten. Auch die Düsseldorfer Symphoniker wichen bei ihren bisherigen Airport-Gastspielen auf die Abflughalle aus. Wie das am Flughafen so üblich ist, steht der dünne Hamburger mit weissem Hemd, schwarzer Krawatte, Sonnenbrille, Hut und der merkwürdigen Stimme pünktlich um 21:00 Uhr am Start und gibt das zum Besten, was er „some real hiphop shit“ nennt. Nach der Single-Auskopplung „Oh Johnny“ als Ausblick auf die bald erscheinende neue CD „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“, spielen Delay und seine ebenfalls im unterkühlten Stil schwarzer Anzüge und dunkler Sonnenbrillen gekleidete Disko No. 1 viele Songs des Erfolgs-Albums „Mercedes Dance“. Zu den Funk, Soul, Hip-hop und Reggae-Klängen von „Kartoffeln“, „Kirchturmkandidaten“, „Feuer“ oder auch „Raveheart“ nimmt sich das Publikum bemerkenswerterweise noch viel Zeit zum Telefonieren, SMS schreiben und Handyfotos schießen. Man scheint eher in Stereoanlagen-Stimmung, die Musik dudelt schön nebenher, man schaut aber nicht hin. Das ändert sich, als der knorrige Kerl auf der Bühne mit „Disco“ einen weiteren neuen Song aus dem kommenden Album spielt. Übergehend in eine Jamsession, spielen die Musiker eine Art musikalischer Reise nach Jerusalem. Unversehens innehaltend, frieren sie sekundenlang in der Bewegung ein, nur um dann ebenso unvermittelt wieder weiterzuspielen. Das Publikum wird in dieses Start-Stop-Spiel einbezogen. Wo hat man schon einmal 4000 Menschen gesehen, die synchron zur Musik ihren Jubel unterbrechen, mucksmäuschenstill sind, und dann - selbst einen umwerfenden Zeitlupen-Effekt der wieder anlaufenden Musik mitmachend - so tun, als hätte man die Pausentaste wieder losgelassen? Den regulären Zugabenblock beendet Nena‘s „Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann“, bevor auf die weiter drängenden Nachfragen der Fans dann noch einmal außerplanmäßig „Oh Johnny“ wiederholt wird. – erschienen im Mai 2009 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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