Der Schnellpoptopf: Musikgeschichte(n), schnell erzählt und ohne harten Faktenzwang.
Heute: Pink Floyd Es waren einmal vier englische Jungs, die Elvis und die Beatles im Fernsehen gesehen hatten und daraufhin beschlossen, dessen Traumjob auch machen zu wollen: Gitarre spielen und singen. Auch weil’s dann offenbar viel besser klappt mit den Mädchen. Roger Waters, Nick Mason, Richard Wright trafen sich nach ihren Kunst- und Architektur-Studien am Londoner Regent Street Polytechnic in der heimischen Garage und versuchten, Blues spielen. Allerdings braucht’s für eine richtige Band auch noch einen Gitarristen. Gerne einen, der singen kann und gut aussieht, siehe das Thema Mädchen. Bob Klose, Studienkollege und Jazzfan, war der erste Mann an der Floyd-Gitarre. Später holte der dann noch einen weiteren Gitarristen an Bord, der gut singen konnte, gut aussah und auch noch eigene Songs schrieb: Syd Barrett. Für Bob Klose war bald Schluss, der piefige Jazz-Typ passte nicht in die Band, die sich immer mehr in Richtung "verrückter" Sounds bewegte und den klassischen Blues hinter sich lassen wollte. Um 1965 sind die ersten Auftritte des Quartetts verbucht, bereits unter dem Namen "The Pink Floyd", abgeleitet übrigens von den alten Bluesern Floyd Anderson und Pink Council. Die Kombination der Vornamen hatte Syd Barrett angeblich erträumt... Damals noch eine schöne Idee, aber Barretts kreative Sperenzien sollten später noch zu größeren Problemen führen. Mit zunehmendem Mut zu ausgefallenem, mitunter fast kinderliedhaftem Songwriting, ausufernden Experimenten mit Klängen und unkonventionellen Spieltechniken auf ihren jeweiligen Instrumenten füllten Pink Floyd ihre erste LP "The Piper At The Gates Of Dawn". Für Fans ein Meilenstein britischer Psychedelia, für andere ein 40-minütiger Nachweis mangelnden Spieltalents. Jedenfalls stellte sich bald großer Erfolg ein, die Single "See Emily Play" kam sogar in die Charts. Which one's Pink? Mit dem Erfolg kamen aber auch Probleme, ausgelöst durch den wachsenden Druck der Plattenfirma ("Schnell, noch eine Single! Schnell!!"), den Erwartungen des Publikums ("Schnell, mehr verrückter Sound und lustiges Licht! Schnell!! Oh, kann man das rauchen?") und dem ausgiebigen Drogenexperimenten von Syd Barrett ("Oh, kann man das rauchen? Na, ich nehm lieber diese Pillen da. Ja, alle, warum?") Die Story von Syd ist eine der großen tragischen Geschichten im Rock'n'Roll. Der Gute kam mit der Mischung aus Drogen, Musik schreiben, Konzerte geben etc. gar nicht gut zurecht. Sein erratisches Verhalten schlug immer mehr Kapriolen, er erschien zu Auftritten mitunter in einem Zustand völliger Apathie, schrammelte sinnloses Zeug zusammen und stand manchmal auch nur glotzend auf der Bühne rum. Schlimme Sache. Hier sieht er schon ein bisschen struppig aus und kommt auch mit dem Playback nicht mehr so ganz zurande: Aus vier werden fünf werden vier Nach einer desaströsen Tour 1968 durch die USA sahen sich Waters, Wright und Mason genötigt, was zu unternehmen. Sie besannen sich auf einen weitere gitarrierenden Schulfreund, David Gilmour. Der Plan war, Syd als Songschreiber und kreativen Kopf zu behalten und David Gilmour als ausführenden Musiker für die Konzerte einzusetzen. Ganz aufgegangen ist der Plan allerdings nicht. Gilmour war der viel bessere Gitarrist und vermutlich wusste er auch schon, dass er die besseren Songs schreiben konnte. Nun ja, lange hat die Nummer auch nicht gehalten. Mit einer der besten Ausreden der Welt wurde aus Pink Floyd Mk. I die Band, die wir alle kennen. Nick Mason erklärt:
So einfach geht das. Die vier haben Syd Barrett einfach nicht mehr zum Proben abgeholt. Großartiger Schachzug. Gerüchteweise hat der zu diesem Zeitpunkt schon psychisch schwer angeschlagene Barrett aber weder gemerkt, dass er schon länger keine Songs mehr geschrieben hat, noch, dass seine Band ohne ihn weitermacht. Er war mit Bilder malen und dem Aufschreiben des Weltwissens beschäftigt. Zwar hat er noch zwei Solo Platten gemacht (bei denen auch Rick Wright und David Gilmour mitgeholfen haben), aber so richtig auf die Beine ist Syd Barrett nicht mehr gekommen. Lange Jahre hat er danach bei seiner Mutter gewohnt, abgeschirmt von seiner protektiven Familie, die alle Anfragen und immens geldbeschwerte Rückholversuche stets abbügelte. In den 80ern und 90ern spielten einige Fans gerne „Finding Syd“, bei dem sie versuchten, den verhuscht dreinblickenden Syd (der da längst wieder seinen eigentlichen Namen Roger verwendete) auf den Strassen von Cambridge beim Einkaufen zu fotografieren. 2006 starb Syd Barrett mit 60 Jahren. Weder zu Pink Floyd noch zur Musik hat er wieder gefunden, und doch ist er auf der zweiten großen Erfolgsplatte von Pink Floyd omnipräsent. „Wish you were here“ ist größtenteils von Syds Biografie inspiriert. Es gibt dazu die schöne schaurige Geschichte, dass ein aufgedunsener und kahlrasierter Mann bei den Aufnahmen in den Abbey Studios rumhing, den die Band erst nach einiger Zeit, schockiert über seine drastische Veränderung, als ihr erstes Mastermind wiedererkannte. Der fies rasierte Bob Geldof als Pink in der Wall-Verfilmung hat sein Vorbild in diesem dicken, fiesen Syd: ![]()
Welcome to the Machine
Der große kommerzielle Wurf (nach den post-Syd’sche Stilsuchen auf „A Saucerful Of Secrets“ oder „Ummagumma“) war dann natürlich „Dark Side Of The Moon“. Mit der Platte werden sie seit 1973 reich und berühmt. Bis zum Opus Magnum „The Wall“ von 1979 haben sich Pink Floyd dann auf hohem Niveau an Bombast-Sound, ausgiebigem Getüftel an Sounds (angeblich hat allein das Einstellen des Snare-Sounds für die Wall-Aufnahmen drei Wochen gedauert) und internen Streitereien versucht. David Gilmour erzählte einmal in einem Interview, dass er sich mit Roger Waters leidenschaftlich über ein klangliches Detail gestritten habe. Welches genau, daran konnte er sich indes nicht mehr erinnern… Roger Waters hatte immer mehr die Hasskappe auf, sein Leben als Rockstar ließ ihn wenig zufrieden zurück, stattdessen war er schließlich so frustriert, dass er einen Fan von der Bühne herab anspuckte. Au Backe. Das fand er selbst auch. Am Ende der darauf einsetzenden zerknirschten Selbstkritik stand dann schließlich der kreative Schlussstein im Schaffen von Pink Floyd: The Wall. Ein massiver Klumpen depressiver, anklagender, selbstmitleidiger, anrührender Musik, aus dem sie nicht nur einen Film, sondern sogar noch einen Top 10 Hit herausgelöst bekamen: den Mittelstufen-Klassenfahrts-Knüller„We don’t need no education“. In echt heisst derSong „Another Brick In The Wall (Part 2)“. Aber den Titel kennt eh keiner… Dabei ist der beste Song des Albums „Comfortably Numb“, insbesondere weil es eines der besten Gitarrensoli enthält, die es je gegeben hat. Hier ab ca. 4:30 zu erleben: The End und La Reunion Im Grunde war „The Wall“ aber schon ein Roger Waters Solo-Album, bei dem die anderen die Instrumente bedienten. 1985, nach dem traurigen, nachgeschobenen, passend titulierten Album „Final Cut“ stieg Waters aus. Zum zweiten Mal verloren Pink Floyd ihren kreativen Kopf. Den Job übernahm dann David Gilmour. Der sich für unentbehrlich haltende Waters musste in den Folgejahren mitansehen, wie „seine“ Band nicht nur weiter unter dem vor Gericht erstrittenen Namen Pink Floyd tourte und eine neue Platte rausbrachte, sondern auch noch größere Hallen füllte als er. Kein Wunder, dass eine Reunion für den verbitterten Mann kein Thema war. Zumindest lange Jahre lang. 2005 war dann die Sensation perfekt. Wie und warum sich die Streithähne Waters und Gilmour für die 20 Minuten beim Live 8 Konzert von Bob Geldof zusammengefunden haben, ist weiter Raum für Spekulation. Im Unterschied zu vielen anderen Reunionen (Led Zeppelin beim ersten Live Aid 1985 zum Beispiel. Gaaanz gruselig. Mit Phil Collins am Schlagzeug. Phil! Ph*cking! Collins!!) haben Pink Floyd offenbar ordentlich geübt und ihr Zeug sauber runtergespielt: 2008 stirbt Keyboarder Rick Wright, was weitere Reunionen aus technischen Gründen erschwert. 2011 hat David Gilmour einen überraschenden Gastauftritt in London absolviert, bei Roger Waters’ Konzert mit „The Wall“, die dieser in den letzten Jahren wieder in aufwendigster Pompanz durch die Welt schleppt. Zum Glück ist Gilmour bei „Comfortably Numb“ am Start, zur großen Freude des Publikums. Leider hat er sein Wunder-Solo nicht ganz so fein zusammenbekommen wie sonst, aber egal, war ein schöner versöhnlicher Moment: 1994 kam mit „The Division Bell“ noch eine offizielle Pink Floyd Studio-LP heraus, gefolgt von „Pulse“ (1995). Von denen man dachte, ok, das wird’s dann wohl gewesen sein. Nicht ganz. Nach schlappen 20 Jahren, kam 2014 das (aber nun wirklich, wirklich) letzte Album von Pink Floyd auf den Markt: „Endless River“. Und es besteht im Wesentlichen aus Resten von „Division Bell“, die Rick Wright damals nicht mehr fertig bekommen hat. Schade eigentlich. Denn die Güte der Musik hat mit dem bei der Veröffentlichung einsetzenden Rummel nicht so ganz Schritt halten können. Auch bei meinem kleinen Praxistest hat sich „Endless River“ gegen AC/DC nicht durchsetzen können... Fazit Ihr erster Sänger ist frühes Opfer eines tragischen Rock’n’Roll-Schicksals geworden. Die Anderen haben als Pink Floyd mit verwunderlich trauriger Musik sowohl den Stadionrock als auch größenwahnsinnige Egos ohne Humor erfunden. Und vielleicht ein, zwei Platten zu spät aufgehört.
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Der Schnellpoptopf: Musikgeschichte(n), schnell erzählt und ohne harten Faktenzwang. Heute: Metallica. Cliff Burton. Black Album. Yeeaaawwwww! Eigentlich reichen diese drei Hinweise, um es Metal-Fans herausprusten zu lassen: 'tallica!! Was diese dann nicht mehr so gerne hören wollen, sind so Worte wie: St. Anger. Lars Ulrich. Lulu. Das sind ziemliche Abturner und der Umgang mit diesen Kapiteln der Bandgeschichte unterscheidet zwischen den so-ein-bisschen-Metallica-Fans und echten Metallica-Die-hard-Anhängern. Letztere sehen der Band nämlich sogar *das* nach. Warum wir heute eigentlich noch über Metallica reden und wofür man James Hetfield, Lars Ulrich, Dave Mustaine und Cliff Burton zunächst natürlich in die offiziellen Metal-Annalen eintragen darf, ist die Tatsache, dass sie Anfang der 1980er – während die anderen Schwermetaller damals ihre Haare noch im Vierviertel-Galopp von Iron Maiden, Saxon oder Judas Priest schwingen ließen – dem Heavy Metal ein neues Genre hinzugefügt haben: Speed Metal*. Metallica brachialisierten den Sound ihrer Zeit in eine Musik, die endlich danach klang, wonach Kiss immer ausgesehen haben. Die "Schockrocker" Kiss dagegen klangen damals leider immer mehr so, wie die Bay City Rollers aussahen. Wofür man Metallica heute am liebsten im Gedächtnis hält, ist, dass sie mit Cliff Burton mal den coolsten Bassisten der Welt hatten, der in Zeiten von Neon-Spandex-Hosen (hallo Bruce Dickinson) immer noch als Hippie rumlief, inklusive Geezer-Butler-Matte, Schlaghosen, verzerrtem Wah-Wah-Bass und – wie cool ist der Kerl – ein Bass-Solo auf der Debüt-LP. Allein dafür sei ihm ewiger Ruhm zuzugestehen. Er ist der Einzige, der jemals Lemmy von Motörhead auf den Thron des personifizierten Heavy Metals hätte folgen können. Hätte. Denn am 27. September 1986, Metallica waren in Schweden auf Tour, kredenzte ihnen das Rock'n'Roll-Schicksal einen fest gemeißelten Eintrag in das dicke Buch der Musiktragödien: Der Tourbus verunglückte und Cliff Burton kam bei dem Unfall mit gerade mal 24 Jahren ums Leben. Metallica verloren den Mann, von dem sie selbst immer sagten, er sei der Musikalischste von ihnen gewesen. In der Besetzung James Hetfield, Lars Ulrich, Jason Newsted am Bass und Kirk Hammett an der Gitarre wuchsen Metallica in den Jahren danach zu Stadiongröße heran, wurden immer erfolgreicher, an Reichtum reicher und, wie so oft, an Sympathien ärmer. Sie veröffentlichen einen Genre-Klassiker nach dem anderen, bis in der Folge des "Black Albums" die stilistische Zerfaserung und Suche losging. Mit den Alben "Load" und "Reload" waren die Metallica ursprünglicher Prägung dann eigentlich erledigt. Das sind aber andererseits zwei sehr gute Platten, Marianne Faithful singt auf einer mit. Aber es nur eben keine Metallica-Platten mehr. Und weil sie mit Musik nix mehr vom Teller zogen und es ihnen offenbar auch sonst langweilig wurde, suchten sie sich andere Betätigungen. James Hetfield professionalisierte seine Trunksucht, Jason Newsted flirtete mit anderen Bands (wofür er dann auch später rausgeworfen wurde) und Schlagzeuger Lars Ulrich machte in Kunst. Sein Modell: Irgendwelche Bilder kaufen und dann teuer verhökern, weil sie dann ja mal ihm gehörten. Und er outete sich im Rahmen seines digitalen Kriegs gegen die Download-Börse Napster als unglaublich humor- und sympathieloser Typ, wofür er heute noch inbrünstig gehasst wird. Die als "Reiß-Dich-zusammen"-Selbsterneuerung geplante Platte "St. Anger" ging dummerweise komplett "dans le pantalon", wie der Tscheche sagt. Auf der das Drama dokumentierenden DVD "Some Kind of Monster" kann man sich das Debakel schön mit ansehen, inklusive der Wahl des sehr, sehr fähigen, aber auch sehr, sehr unpassenden neuen Bassisten Robert Trujillo. Traurig. Tja, das bis dato letzte Album "Death Magnetic" war auch nix, Metallica sind im Jahr 2014 zu einer Festival-only-Band erstarrt, die alte Metallica-Hits on demand runternudelt. Auch traurig. Und Lulu. Alter Schwede. Lulu! Darüber mag man kaum sprechen. Dass die Zusammenarbeit von Metallica und Lou Reed (Lou Reeeeed!!) derart unnütz und frappierend ennuierend werden würde, hätte man sich nicht träumen lassen. Sehr traurig. Fazit: Alter Metallosaurus, der mal stilprägend wirkte. Hatten mal den coolsten Bassisten der Welt, haben heute nur noch den unsympathischsten Drummer der Welt. * Speed Metal? Der ein oder andere mag aufschreien: Das ist doch Thrash Metal! Oder Trash Metal! Oder sonstwas. Wie auch immer. Vielleicht widmen wir dem Thema Stilkunde und seinen wirren Blüten auch noch mal einen Aufsatz ;) |
Der Popwart
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