„Ich wühle gern in Klängen!“ Mord und Totschlag im Schloss eines reichen Edelmannes, gefährlich giftige Schlangenfrauen, ein Tollhaus voller Narren und eine verhängnisvolle Intrige, gesponnen aus Verzweiflung über eine unglückliche Liebe und zu lange unterdrückte Triebe. Das sind einige der Zutaten, aus denen Christian Jost, Composer in Residence der Deutschen Oper am Rhein, sein Bühnenwerk „Vipern“ komponiert hat. Am 21. Januar 2005 wird die „mörderische Begierde in vier Akten“, so der Untertitel, in der Oper Düsseldorf ihre Premiere erleben. Anlass genug, um mit dem 43-Jährigen Trierer über seine Oper zu sprechen. „Vipern soll es schaffen, auf dem extrem schmalen Grat zwischen guter Unterhaltung und intellektuellem Anspruch zu wandern“, antwortet Jost spontan auf die Frage nach der Intention seiner Oper. Der Regisseur Stanley Kubrick sei ein von ihm bewundertes Vorbild für die Fähigkeit, in seinen Filme stets hohes ästhetisches Gedankengut platziert zu haben, auch wenn es sich dabei um so klassische Unterhaltungsgenres wie Thriller, Science-Fiction oder Kriegsfilm gehandelt hat. „Vipern“, eine Auftragskomposition der Düsseldorfer Rheinoper und Josts erstes abendfüllendes Werk dieser Gattung, baue inhaltlich und musikalisch stark auf diese Art von Gegensatz zwischen Klischee und Kunst. So könne man sich darauf einrichten, auch ein Cool-Jazz-Ensemble als Begleitung für eine Hochzeitsszene aus dem 16. Jahrhundert zu erleben. Jost, der den Schwerpunkt seiner umfangreichen Arbeit auf die Komposition von Solokonzerten legt, beschreibt die Musik zu „Vipern“ als sehr emotional, atmosphärisch und dicht. „Ich wühle gern in Klängen“, charakterisiert er seine tonsetzerische Arbeit. Die Früchte dieser langjährigen Wühlarbeit sind beeindruckend. Eine ansehnliche Reihe an Auftragswerken, vielseitige Engagements mit namhaften Orchestern aus aller Welt sowie ehrenvolle Ernennungen zum Composer in Residence füllen seine Vita. Für die Premiere seiner „Vipern“ wünscht sich Christian Jost, dass das Publikum wie bei einer Schluckimpfung erst hinterher merkt, eine Kunst-Pille geschluckt zu haben und feststellt, „es hat ja gar nicht wehgetan“. – erschienen im Januar 2005 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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WZ: Wie fühlt es sich an, mit „Vipern“ Ihre erste abendfüllende Oper vollendet zu haben? Christian Jost: Das ist eigentlich ein sehr gutes Gefühl, zumal sehr viel Arbeit dahinter steckt und es auch die eine oder andere Hürde von der Größe des Mount Everest zu überwinden gab. WZ: Welche denn zum Beispiel? Jost: Nun ja, bei einer so langen Arbeitszeit für ein knapp zweistündiges Werk ist schon der lange Atem des Komponisten gefragt. Man lebt ständig mit diesen Figuren und mit der Handlung. Oft doktert man lange an Höhepunkten herum, bis man schließlich glaubt, sie im Griff zu haben, nur um dann wieder daran zu zweifeln und mit sich zu hadern. Das kann schon sehr anstrengend sein. WZ: Wie lange haben Sie komponiert? Jost: Die reine Kompositionszeit betrug etwas über zwei Jahre, aber das Stück als solches begleitet mich schon seit dem Frühjahr 1996. Seitdem habe ich eigentlich bis zum heutigen Tag an dem Stoff herumgebastelt. WZ: Zufrieden mit dem Ergebnis? Jost: Oh ja! So wie sie jetzt ist, gedruckt und fertig, ist es gut. WZ: Wie würden Sie die Musik beschreiben? Jost: Ich denke, dass ich sagen kann, meine eigene Musik zu schreiben. Ästhetisch bin ich vielleicht nicht ganz leicht einzuordnen, weil ich von so Vielem beeinflusst bin. Ich sehe mich aber irgendwo zwischen Chet Baker und Aribert Reimann. Auf jeden Fall würde ich sagen, dass meine Musik einen ganz vehementen emotionalen Ausdruck hat. Es brodelt förmlich unter der Haut. Ich glaube, dass dies auch unerlässlich ist, um mein Stück interpretationsfähig zu machen. Es muss eine emotionale und inhaltliche Tragfähigkeit haben, um nicht nach kurzer Zeit wieder in der Versenkung zu verschwinden. WZ: Warum haben Sie als Vorlage einen Text von 1622 gewählt? Jost: Ich habe ganz bewusst einen Stoff gesucht, der sich allen Zeitreglementierungen entzieht. „Vipern“ handelt mit inhaltlichen und personellen Prototypen, die zu jeder Zeit und an jedem Ort inszenierbar sind. Deshalb haben wir die Handlung für diese Inszenierung auch in die heutige Zeit verlegt. WZ: Wie aufgeregt werden Sie vor der Premiere sein? Jost: Ich weiß nicht, ob man das messen kann. Sicher werde ich wohl angespannt sein, aber ich freue mich auch sehr auf den 21. Januar. – erschienen im Dezember 2004 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf |
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