Dass Musik manchmal auch für die Augen etwas hermachen muss, ist nicht mehr nur in den Reihen von Pop-Sternchen bekannt. Auch die Klassik hat den angenehmen Vorzug der gleichzeitigen Umschmeichelung von Auge und Ohr längst erkannt. Ob gewollt oder nicht, seit jeher bietet auch der lettische Cello-Star Mischa Maisky mit seinem versonnenen Blick aus dem charakteristisch geschnittenen Gesicht und dem wallend-silbernen Schopf einen besonderen Anblick. Beim Konzert mit den Düsseldorfer Symphonikern unter Gustavo Dudamel trägt er sein Instrument in grauer Schwalbenschwanz-Jacke aus Chiffon aufs Podium der Tonhalle. Auf dem Programm stehen Stücke, mit denen Maisky schon oft konzertiert hat, Max Bruchs "Kol Nidrei" und das Konzert für Violoncello und Orchester a-moll op. 129 von Robert Schumann. Doch es ist nicht Maiskys bester Tag zum Konzertieren. Wie schon optisch, bleibt er auch musikalisch die meiste Zeit für sich allein. Bruchs Werk wirkt schroff aufs Griffbrett hingeworfen, das starke und schnelle Vibrato sorgt für zusätzlichen Eindruck eines gehetzten Virtuosen. Gustavo Dudamel hat seine liebe Not, den enteilenden Maisky mit den Düsseldorfern wieder einzuholen, sehr zum Leidwesen von dadurch wackeligen und unhomogenen Einsätzen bei Holz und Streichern. Zu einem luftig rauschenden Orchesterklang, das diese Komposition braucht, können die Symphoniker aber so nicht gelangen. Schumanns Cellokonzert verändert das Bild nicht wesentlich. Zwar erlaubt sich Maisky im langsamen Teil ein schönes Duett mit den Bratschen und pizzicato-Streichern, aber der rechte Funke will nicht überspringen. Mit scharfem, fast schneidendem Ton widmet sich Maisky seiner Arbeit, seine gestische Vehemenz im Spiel findet jedoch kaum Widerschein im musikalischen Ausdruck. Etwas enttäuscht sieht man nach der Pause Felix Mendelssohn Batholdys Sinfonie Nr. 5 d-moll op. 107 entgegen. Doch was Gustavo Dudamel mit der Reformations-Sinfonie anstellt, ist weit mehr als nur Wiedergutmachung für den ersten Teil. Er rettet den Abend mit Mendelssohn Bartholdy nicht nur, sondern verwandelt ihn in ein echtes Felix-Erlebnis. Dudamel faltet die Exposition des ersten Satzes mit den plötzlich wieder erstarkten DüSys derart gelungen auf, dass man fast ein anderes Orchester vor sich wähnt. Auswendig legt er seine ausdrucksstark agierenden Hände an jede wichtige Stelle, an jeden Einsatz, an jedes Instrument. Der 25-Jährige aus Venezuela stampft auf dem Podium auf, reißt mit den Händen imaginäre Vorhänge beiseite und hält das Orchester ständig an, nicht nachzulassen. Das sieht nicht nur gut aus, das klingt auch fabelhaft. Kein Wunder, dass er nach den mächtigen Schlusstakten großen Jubel entgegen nehmen kann. – erschienen im Januar 2006 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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