Interview mit Mark-Andreas Schlingensiepen

10/6/2005

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WZ: Herr Schlingensiepen, bei Neuer Musik winken viele Menschen schnell dankend ab. Ist sie wirklich so schlimm?
Mark-Andreas Schlingensiepen: Nein, sicher nicht. Das Problem liegt in dem traditionellen Museumsbetrieb unserer heutigen Konzerthäuser begründet. Merkwürdigerweise leben wir musikalisch betrachtet immer noch im 19. Jahrhundert und nicht in unserer eigenen Zeit. Die Menschen können sich heute gar nicht mehr vorstellen, dass die klassische Musik selbst einmal zeitgenössische Musik war. Es ist für den Einzelnen nicht mehr nachvollziehbar, dass man sich auch in der „alten“ Zeit mit der Musik auseinandersetzen musste, das ist ja mittlerweile alles längst erledigt und wird nur noch museal verarbeitet. 

WZ: Aber deswegen klingt die Neue Musik doch nicht schöner?
Schlingensiepen: Es ist eine falsche Vorstellung, dass Musik, und insbesondere auch die Klassik, immer auf Schönheit und Harmonie abzielen müsse. Die Überraschung, die eine vorklassische Sinfonie mit ihren plötzlichen Crescendi hervorrief, war damals unerhört und klang für Viele auch nicht schön. Der Schritt in die musikalische Jetzt-Zeit ist deshalb für die meisten Menschen zu groß, weil sämtliche Zwischenschritte seit der Klassik von Bartok, Hindemith über Milhaud etc. zu wenig gespielt werden und ihnen daher nicht geläufig sind. Ohne diesen Weg zu kennen, ist auch der Zugang zu aktueller Musik schwer. 

WZ: Können Sie einen Plattentipp geben, um einen Einstieg in die Neue Musik zu bekommen?
Schlingensiepen: Nein, das geht nicht. Viel besser wäre es, oft Konzerte mit Neuer Musik zu besuchen. Man kann das sinnliche Erleben, dem Musiker bei der Klangerzeugung zuzusehen nicht mit der Situation am Lautsprecher ersetzen. Das ist nur der halbe Genuss. 

Frage: Wie soll Ihre eigene Musik wirken? 
Schlingensiepen: Ich möchte die Leute im besten Sinne angreifen, sie sollen eine Reaktion zeigen. Wenn die Zuhörer während der Pause über ein Stück sprechen, ist das toll, selbst wenn sie es ganz schrecklich fanden. Keine Reaktion zu ernten ist viel schlimmer. Dann denke ich, meine Musik bleibt nicht mal bis zur Pause in Erinnerung. 

Frage: Sie sind in England geboren. Was bedeutet das für Sie?
Schlingensiepen: Der englische Anteil meiner Biografie spielt für mich schon eine große Rolle, wenn auch weniger musikalisch. Als Kind wusste ich aber beispielsweise nie, zu welcher Mannschaft ich bei der Fußball-WM sein sollte. Rechtlich gesehen bin ich sogar britischer Staatsbürger. Ich muss aber auch sagen, dass das deutsche Bier besser ist als das englische.

Frage: Ist es schön, in Düsseldorf zu arbeiten?
Schlingensiepen: Nun, es gibt schöne und weniger schöne Aspekte, das ist überall so. Aber ich arbeite dennoch gern hier, weil ich das Gefühl habe, dass meine musikalische Arbeit wert geschätzt wird. Die für das notabu.ensemble in Düsseldorf eingerichtete Haushaltsstelle erlaubt zwar keine großen Sprünge, ist aber doch ein deutliches positives Zeichen.

– erschienen im Juni 2005 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf

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