Nein, ein sensibler Feingeist wird er wohl nie werden. Der letzte Drill-Sergeant der deutschen Comedy-Szene, Ausbilder Schmidt, ist mit Freuden der Mann für's Grobe, reißt einen bösen Kalauer nach dem anderen auf Kosten aller Zivis, Langhaarigen, Hippies und sonstigen Randgruppen. Eben alle, denen er mangelnde Männlichkeit unterstellt und die er am liebsten unter seinem Lieblingsschlagwort Luschen subsumiert. Die Fans des Ausbilders fügen sich gerne in die Rolle der Lusche, lieben seine gebrüllten Tipps wie: "Du willst ein Pony? Dann geh zum Frisör!" und strömen in freudiger Erwartung seiner zackigen Strenge entgegen. So tritt auch zur Premiere des neuen Programms "Ruck Zuck – Comedy zum Kuscheln" eine ordentliche Zahl an Fans im Savoy Theater zum erhofften Lachappell an. Für das neue Programm hat sich der Ausbilder, bürgerlich Holger Müller, mit Lars Hohlfeld seinen angeblich eigenen Schwager als neuen Partner in die Kompanie geholt. Hohlfeld dient dabei hauptsächlich als Vorzeige-Lusche, aus der der Ausbilder mit Einpauken des "Luschen-ABCs" einen echten Kerl machen will. Aber so gut wie früher ist der Ausbilder diesmal nicht. Einst konnte man über seine so schön politisch unkorrekt rausgeschnodderte Offenheit herzlich lachen. Seine ewig gestrige Art, das Leben so einfach wie möglich zu sehen, machte ebensoviel Spaß wie Zeuge seiner platten Verherrlichung diverser Männlichkeits-Riten zu werden. Mittlerweile aber scheint der Ausbilder ins zweite Glied der hiesigen Komiker zurückgetreten zu sein. Die derben Scherze über einzelne Besucher, die auf den Namen "Stefan und/oder Stefanie" hören und sich auf Zuruf zum Affen machen müssen, nutzen sich doch schneller ab, als man erwartet hätte. An vielen Stellen der ersten Hälfte tritt statt augenscheinlich eingeplanten Lachern und Applaus nur Stille ein, witziges Tempo kommt zwischen solchen Rohrkrepieren nur wenig auf. Manche ohnehin eher lahme Nummer zwischen albernem Klamauk und schon besser gesehener Pantomime in Zeitlupe wird dann auch noch durch das defekte Mikrofon von Hohlfeld torpediert. Zu den wenigen Highlights, die die lastende Trägheit im Saal doch noch etwas in Bewegung bringen, gehört Lars Hohlfelds sprühend extravagante Parodie auf Freddie Mercury, für dessen Posen er sich in einen ausgesprochen hautengen und sehr detailverliebten Feinripp-Anzug wirft. Holger Müller findet gegen Ende noch einmal zu gewohnter Form, wenn er kleinen Kindern ("Willst Du was Süßes? Geh zum Opa, der hat Zucker!") genauso herzlos begegnet wie Menschen mit Flugangst, die er während des Flugs mit hektischen Fragen nach einem Ersatz-Piloten verschreckt. Dafür gibt es noch kräftigen Applaus, ansonsten heißt es schnell wegtreten. – erschienen im Januar 2006 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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![]() Zurzeit scheint es in den Köpfen des Publikums einen gesteigerten Wunsch nach Zucht, Ordnung und Drill zu geben. Erste Anzeichen liefert wieder einmal das Fernsehen, wo man mit Erstaunen Zeuge werden kann, wie sich junge Menschen wiederholt von Tanzlehrer-Darstellern sympathiefrei in choreographische Schranken verweisen lassen. Früh erkannt hat diesen Trend auch der Comedian Holger Müller für seine Rolle als Ausbilder Schmidt. In verwaschenem Kampfanzug der Bundeswehr mit Koppel, rotem Barret, Sonnenbrille und dicker Zigarre lässt er die Zuschauer bei seinem Auftritt im Savoy Theater zum Appell antreten und verlangt ihnen als Erstes einige Disziplinübungen ab. Auf seinen aufmunternden Zuruf „Morgen, ihr Luschen!“ sei zum Beispiel kraftvoll mit „Morgen, Chef!“ zu antworten. Derart in Reih und Glied gebracht, beginnt ein Abend voll derber Späße auf Kosten der Lieblings-Feindbilder von Ausbilder Schmidt: Studenten, Langhaarige, Schwule, Ökos und Pazifisten. Aber auch Lehrer, Emanzen und Senioren nimmt er gern und oft durch seine oliv-grüne Brille aufs Korn. Mit unverhohlenem Spaß weidet sich Ausbilder Schmidt an diversen Vorurteilen und zeigt enormen Einfallsreichtum im Praktizieren von „political un-correctness“. Für so ziemlich jedes seiner vielen Feindbilder hat Schmidt seine ganz eigenen Ideen, die er in seinem bundeswehrtypischen Ausbilder-Gebrüll darlegt, sei es etwa das Bekehren von Pazifisten zu Schlägern oder das Spielen von „Schiffe versenken“ mit Alzheimer-Patienten. Um dem sich glänzend amüsierenden Publikum eine Verschnaufpause zu gönnen, hat Schmidt zwei Gäste im Programm: seinen von ihm eingeschüchterten und gehemmten Zivi Matthias Jung, der mehrere Einblicke in das langweilige Leben seiner Provinzheimat Hüffelsheim gibt, und den „unglaublichen Heinz“ Gröning, der seinem Künstlernamen mehr als alle Ehre macht. Nach eigenen Angaben eine Mischung aus einem zu stark behaarten LKW-Fahrer und einem grobschlächtigen kaukasischen Mafia-Vollstrecker verberge er in sich einen sensiblen Poeten, der auch Teletubbies zurückwinke. Dies untermalt Heinz mit dem namensgebenden, schier unglaublichen Körpereinsatz und einer beinahe schon erschreckenden Laszivität, die den Saal vor Lachen kaum Luft bekommen lassen. Nach so einer Performance wünscht man sich schnell die starke Hand des Ausbilders zurück, dass er uns um drei Uhr früh wecken und ins Manöver schicken möge. Nur damit wieder Zucht und Ordnung herrschen. – erschienen im März 2004 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf |
Der Popwart
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