Auf dem Weg zur Tonhalle prangt das Plakat einer skandinavischen Assekuranz. Wahre Werte statt großer Worte seien kennzeichnend für die nordische Wesensart, lesen wir dort. Wie passend, erfreut es den aufmerksamen Hinseher. Ist doch das dänische Sonderjyllands Symfonieorkester mit seinem schwedischen Dirigenten Niklas Willén in der Tonhalle zu Gast und mit ihm ein Programm romantischer Werke aus Norwegen, Finnland und Dänemark. Sieht man über den geografischen Ausreißer des britischen Pianisten Michael Roll hinweg, ist das nordische Landes-Tetrapak damit vollständig vertreten. Im Gepäck haben sie Jean Sibelius’ Tondichtung Finlandia op. 26, Edvard Griegs Klavierkonzert a-Moll op. 16 sowie Carl Nielsens Sinfonie Nr. 4 op. 29, letztere versehen mit dem Respekt einflößenden Titel „Die Unauslöschliche“. Wie sich herausstellt, muss es sich bei den bereits avisierten „wahren Werten“ für die Musiker um die taktgebenden Notenwerte der vor ihnen ausgebreiteten Stimmen handeln. Besonders deutlich zeigen sie dies in Griegs Klavierkonzert, bei dem sie die mannigfachen rhythmischen Finessen des Norwegers aufs Akkurateste ausführen. Wie mit dem Skalpell geschnitten erscheinen die Themen voneinander getrennt, die Synkopen kosten sie bis in die letzten Punktierungen aus. Michael Roll am Flügel steht seinen Mitspielern darin in keiner Weise nach. Auch er findet in dem vollhändigen Klavierpart genügend Anlässe, die Notenwerte der Themen und Motive seiner gedehnten Interpretation zukommen zu lassen. Besonders wohltuend wirkt seine Verzögerungstaktik bereits auf die eröffnenden Akkorde und ihre Verarbeitung in der Kadenz am Ende des ersten Satzes. Zuvor, in Sibelius’ Finlandia, musste sich das Orchester erst noch ein wenig finden. Offenbar überrascht von Niklas Willéns schnellem Vorwärtsdrängen wackeln sich die Blechbläser durch den einleitenden Choral und die späteren fanfarenartigen Einwürfe. Vielleicht spielen hier ja Dänen, denen das Finnische nicht so liegt. Umso mehr liegt ihnen aber ihr Landsmann Carl Nielsen. Dessen anspruchsvolle vierte Sinfonie meistern die Musiker beeindruckend. Was Notenwerte angeht, seien hier nur die zwei seitlich vom Orchester sitzenden Pauker genannt, die drastisch erfahrbar machen, wie perkussive Begeisterung klingt. Laute Bravo-Rufe aus dem leider nur leidlich gefüllten Saal. – erschienen im September 2004 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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