Heute hat Nick Drake Geburtstag, deshalb geht's ein bisschen in die Nick-Drake-Forschung. ![]() Gerade Pink Moon ist dabei wohl das zweispältigste Werk Nick Drakes. Unter den Fans gibt es die Fraktion, die es für unfertig, halbherzig und hingeschludert halten. Für die anderen (zu denen auch ich mich bekenne) ist es ein vielleicht unfertiges, keinesfalls aber halbherziges Album. Im Gegenteil, Nick Drake hat mit den elf Songs auf dieser gerade mal 28 Minuten kurzen Platte sein von Depressionen verhülltes und fast schon abgestorbenes Herz mit den ihm verbliebenen Kraftreserven auszuschütten versucht. Womit wir bei dem traurigen Teil der Geschichte angekommen sind. Die letzten Jahre Nick Drakes sind geprägt von einer schweren depressiven Erkrankung, die am Ende auch zu seinem frühen Tod 1974 geführt hat. Seit jener Nacht im November 1974 schießen die Spekulationen ins Kraut, ob es nun Selbstmord oder nicht war. Als Grund für die Depression wird von Drake-Chronisten gerne die Enttäuschung über den ausbleibenden Erfolg seiner Musik ins Feld geführt. Von Außenstehenden immer wieder über den grünen Klee gelobt, blieben die Verkaufszahlen seiner LPs immer weit hinter den Erwartungen zurück. Aus den Irritationen wurden Zweifel, aus den Zweifeln eine existenzielle Krise. Insbesondere ein Song zeichnet für mich ein klangliches Bild der seelischen Verfassung Nick Drakes: "Horn", ein 1:20 Minuten kurzes, auf das schmerzlichst wenigste reduzierte Gitarrenstück. Eine kleine Melodie, in deren engem Tonraum sich zwei Sekunschritte aneinander reiben und dazu eine kaum als solche zu nennende Begleitung, die apathisch auf einem Ton verharrt. Harmonisch bleibt Horn unbefriedigend, findet kein richtiges Ziel und auch das Erreichen des Grundtons löst kaum die zuvor entstandene Spannung. Ein Lied wie eine offene Wunde. Es tut schon fast weh, sich diesem vor sich hinschleppenden Song auszusetzen. Man kann "Horn" als Ausdruck großer Verzweiflung und klingende Depression verstehen. Nick Drake wird seine Gründe gehabt haben, dieses Stückchen Musik auf seine LP zu nehmen. Das es seine letzte sein würde, wusste er vermutlich nicht. Schaut man nun auf das posthum veröffentlichte Werk, ist insbesondere das Album "Made To Love Magic" interessant. Enthält es doch Aufnahmen, die auch im Zeitraum von Pink Moon und später entstanden sind. Unter den Songs ist auch eine Version des Songs "Hanging On A Star". Dieses Lied wurde gerne als Ausdruck von Nick Drakes Verbitterung und seinem Ärger über den ausbleibenden Erfolg interpretiert. Er beklagt sich darin, wieso ihn die Leute quasi hinter'm Mond zurücklassen, obwohl sie ihn doch angeblich so super finden. Why leave me hanging on a star? Zum Nachhören habe ich keinen besseren Link gefunden, als die "Reinhören"-Funktion bei amazon. Vergleicht man nun "Horn" mit "Hanging On A Star", stellt man beim Konzentrieren auf die Gesangsmelodie zum obigen Text fest, dass die beiden Songs auf der gleichen Melodie fußen. Natürlich ist bei "Star" die Gitarrenbegleitung geschmeidiger, die Rhythmik gestraffter und die Akkordstruktur ausgearbeiteter – aber die zugrunde liegende Gesangsmelodie ist in "Horn" bereits angelegt. Insofern kann man bei "Horn" von einer frühen Skizze sprechen, aus der Nick Drake später "Hanging On A Star" entwickelt hat. Gut möglich, dass Nick Drake bewusst beim Schreiben neuer Lieder auf frühere Songideen zurückgegriffen hat (ist nix falsch dran, gerade, wenn man das Ergebnis betrachtet, und andere haben's auch gemacht). Vielleicht ist es auch einfach Zufall, vielleicht war "Star" einfach noch nicht fertig, als Nick Drake seinen Pink Moon aufnehmen wollte und er (in mystisch verklärter Vorahnung) noch schnell das Material zu Magnetband geben wollte, was er hatte. Vielleicht beleuchtet es aber auch den gedanklichen Prozess von Nick Drake bei seiner kompositorischen Arbeit, gint Einblick in den Entstehungsprozess eines Songs, den wir hier in zwei seiner Entwicklungsstadien berachten bzw. hören können. Wenn es denn also einmal auf die einsame Insel geht – nicht vergessen, Pink Moon einzupacken!
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Der Popwart
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