Nick Drake – "Horn" als frühe Version von "Hanging On A Star"

19/6/2014

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Heute hat Nick Drake Geburtstag, deshalb geht's ein bisschen in die Nick-Drake-Forschung. 

Wer noch nie von Nick Drake gehört hat oder (wie ich auch zuerst) dachte, dass sei doch dieser hagere Typ, der mal mit Kylie Minogue ein Duett gesungen hat, für den ist dieser Beitrag  vielleicht weniger interessant. Zum einen, weil's vielleicht ein bisschen arg detailverliebt wird, zum anderen, weil's um Nick Drake geht und nicht Nick Cave. Das war nämlich der Sangesbruder von Madame Minogue. 

Wer sich aber auf eine sehr schöne, wenn auch sehr traurige Episode der Musikgeschichte einlassen möchte, ist herzlich eingeladen, sich zunächst dem Wikipedia-Eintrag über Nick Drake zu nähern. Dort finden sich die nüchternen Fakten über Leben und Ableben von Nick Drake. Das ist natürlich noch kein wirklich lebendiger Einblick in das Schaffen des britischen Singer-Songwriters mit der schönen Stimme und der lustig gestimmten Akustikgitarre. Viel mehr sagt natürlich seine Musik über ihn aus. Aber da fängt das Dilemma schon an: Es gibt gar nicht sooo viel Musik von ihm. Gerade mal drei Alben hat Nick Drake zu Lebzeiten veröffentlicht: Five Leaves Left (1969), Bryter Layter (1970) und Pink Moon (1972). Und erfolgreich war zunächst keine davon. 

Pink MoonPink Moon (1972)
Gerade Pink Moon ist dabei wohl das zweispältigste Werk Nick Drakes. Unter den Fans gibt es die Fraktion, die es für unfertig, halbherzig und hingeschludert halten. Für die anderen (zu denen auch ich mich bekenne) ist es ein vielleicht unfertiges, keinesfalls aber halbherziges Album. Im Gegenteil, Nick Drake hat mit den elf Songs auf dieser gerade mal 28 Minuten kurzen Platte sein von Depressionen verhülltes und fast schon abgestorbenes Herz mit den ihm verbliebenen Kraftreserven auszuschütten versucht. 

Womit wir bei dem traurigen Teil der Geschichte angekommen sind. Die letzten Jahre Nick Drakes sind geprägt von einer schweren depressiven Erkrankung, die am Ende auch zu seinem frühen Tod 1974 geführt hat. Seit jener Nacht im November 1974 schießen die Spekulationen ins Kraut, ob es nun Selbstmord oder nicht war. Als Grund für die Depression wird von Drake-Chronisten gerne die Enttäuschung über den ausbleibenden Erfolg seiner Musik ins Feld geführt. Von Außenstehenden immer wieder über den grünen Klee gelobt, blieben die Verkaufszahlen seiner LPs immer weit hinter den Erwartungen zurück. Aus den Irritationen wurden Zweifel, aus den Zweifeln eine existenzielle Krise.

Insbesondere ein Song zeichnet für mich ein klangliches Bild der seelischen Verfassung Nick Drakes: "Horn", ein 1:20 Minuten kurzes, auf das schmerzlichst wenigste reduzierte Gitarrenstück. Eine kleine Melodie, in deren engem Tonraum sich zwei Sekunschritte aneinander reiben und dazu eine kaum als solche zu nennende Begleitung, die apathisch auf einem Ton verharrt. Harmonisch bleibt Horn unbefriedigend, findet kein richtiges Ziel und auch das Erreichen des Grundtons löst kaum die zuvor entstandene Spannung. Ein Lied wie eine offene Wunde. Es tut schon fast weh, sich diesem vor sich hinschleppenden Song auszusetzen.

Man kann  "Horn" als Ausdruck großer Verzweiflung und klingende Depression verstehen. Nick Drake wird seine Gründe gehabt haben, dieses Stückchen Musik auf seine LP zu nehmen. Das es seine letzte sein würde, wusste er vermutlich nicht.

Schaut man nun auf das posthum veröffentlichte Werk, ist insbesondere das Album "Made To Love Magic" interessant. Enthält es doch Aufnahmen, die auch im Zeitraum von Pink Moon und später entstanden sind. Unter den Songs ist auch eine Version des Songs "Hanging On A Star".  Dieses Lied wurde gerne als Ausdruck von Nick Drakes Verbitterung und seinem Ärger über den ausbleibenden Erfolg interpretiert. Er beklagt sich darin, wieso ihn die Leute quasi hinter'm Mond zurücklassen, obwohl sie ihn doch angeblich so super finden.

Why leave me hanging on a star?
When you deem me so high? 
When you deem me so high? 
When you deem me so high.

– Nick Drake, "Hanging On A Star"

Zum Nachhören habe ich keinen besseren Link gefunden, als die "Reinhören"-Funktion bei amazon.

Vergleicht man nun "Horn" mit "Hanging On A Star", stellt man beim Konzentrieren auf die Gesangsmelodie zum obigen Text fest, dass die beiden Songs auf der gleichen Melodie fußen. Natürlich ist bei "Star" die Gitarrenbegleitung geschmeidiger, die Rhythmik gestraffter und die Akkordstruktur ausgearbeiteter – aber die zugrunde liegende Gesangsmelodie ist in "Horn" bereits angelegt. Insofern kann man bei "Horn" von einer frühen Skizze sprechen, aus der Nick Drake später "Hanging On A Star" entwickelt hat.

Gut möglich, dass Nick Drake bewusst beim Schreiben neuer Lieder auf frühere Songideen zurückgegriffen hat (ist nix falsch dran, gerade, wenn man das Ergebnis betrachtet, und andere haben's auch gemacht).  Vielleicht ist es auch einfach Zufall, vielleicht war "Star" einfach noch nicht fertig, als Nick Drake seinen Pink Moon aufnehmen wollte und er (in mystisch verklärter Vorahnung) noch schnell das Material zu Magnetband geben wollte, was er hatte. Vielleicht beleuchtet es aber auch den gedanklichen Prozess von Nick Drake bei seiner kompositorischen Arbeit, gint Einblick in den Entstehungsprozess eines Songs, den wir hier in zwei seiner Entwicklungsstadien berachten bzw. hören können.

Wenn es denn also einmal auf die einsame Insel geht – nicht vergessen, Pink Moon einzupacken!


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