„Meines Erachtens jagt hier heute ein Witz den anderen!“ Das verkündet ein glänzend aufgelegter Helge Schneider selbstsicher auf der Bühne der „Mitsibishi Elektrohalle“, wie Schneider den Ort seines Gastspiels in Düsseldorf nennt. Als „Pretty Joe & die Dorfschönheiten“ ist er im Rahmen dieser seiner angeblichen Abschiedstournee an der Siegburger Strasse zu Gast. Er betont im Laufe des Abends immer wieder, dass er im Februar 2015 endlich in Rente ginge und ihm dann sage und schreibe 405,16€ monatlich zustünden. Dem Anlass entsprechend hat der 59-Jährige nebst Perücke eine enge schwarze Lederhose sowie eine passende schwarze Lederjacke mit langen Fransen angelegt. Auf seinen bereits zum Markenzeichen gewordenen hohen Plateau-Schuhen stolziert, stakst, tanzt und schlendert er über die Bühne und macht sich für die rund 3.000 Besucher in der Halle zum Kasper. Bereits im Vorfeld hatte Helge angekündigt, dass er ein Programm spielen wolle, dass ganz in der Tradition seiner frühen Phase mit der Band „Hardcore“ stehe. Und ja, er erzählt wie früher unglaublich abstruse Geschichten und viel lustiges dummes Zeug, das von vielen alten Liedern wie „Ladiho“, „Tanz auf dem Vulkan“, „Meisenmann“ oder auch „100.000 Rosen“ unterbrochen wird. Helge greift dabei zu einer Reihe verschiedener Instrumente, zeigt am Vibraphon, Hammond-Orgel, E-Gitarre und Saxofon sein Können Mit Peter Thoms ist in der aktuellen, erstklassig aufspielenden Begleitband sogar ein Original-Mitglied von Hardcore dabei. Auch mit von der Partie sind Bodo, der langjährige Teekoch sowie Sergej Gleithmann in seiner Paraderolle als Gymnastiktrainer und Ausdruckstänzer. Seine Mitmusiker, die ihrem Chef sowohl auf‘s Wort bzw. Handzeichen folgen – selbst wenn dieser mit der linken Hand gerade Klavier und mit der rechten Hand gleichzeitig Trompete spielt – haben offenkundig großen Spaß, sie lachen hinter Schneiders Rücken immer wieder über dessen Albernheiten. Wie schwer muss es da sein, wenn Helge nach einer skurrillen Story plötzlich ansatzlos in ein Lied verfällt und die Band sofort mitziehen muss. Doch es gelingt immer wieder ohne erkennbare Mühe. Glaubt man Helge, dass er seine Konzerte nicht groß probt, darf man Peter Thoms (Percussion), Carlos Boes (Blasinstrumente), Sandro Giampiedro (Gitarre), Willy Ketzer (Schlagzeug) sowie Kai Struwe (Bass) und Rainer Lipski (Tasteninstrumente) ob dieser musikalischen Konzentrationsleistung höchsten Respekt zollen. Helge brilliert an diesem Abend wieder einmal als die grelle Parodie eines Schlagerfuzzies, zelebriert einen Retro-Helge in Höchstform. Und natürlich fehlt auch nicht das „Katzeklo“, mit dem er vor mittlerweile 20 Jahren berühmt wurde. Dieses Lied sei übrigens mittlerweile Schulstoff in Japan! Ein großartiger Helge-Abend! – in gekürzter Form erschienen im September 2014 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Normalerweise ist es ja Helge Schneider, der allen Leuten in seiner Gegenwart die Schau stiehlt. Schneiders Präsenz und seine unnachahmliche Art der „Gesprächsführung“ stellen auch erfahrene Bühnenkollegen üblicherweise binnen Minuten ins Abseits. Doch bei seinem Auftritt in der ausverkauften Tonhalle am Sonntagabend, diesmal unter dem Motto „Komm, hier haste ‘ne Mark“, gibt es tatsächlich jemanden, der den fast 55-Jährigen Helge Schneider in den Hintergrund treten lässt. Nur mit einem kleinen Plastikstuhl bewehrt, macht sich diese Person auf der Bühne zu schaffen und zieht binnen Sekunden sämtliche Augen auf sich. Doch richtig böse sein kann Helge seiner Konkurrenz sicher nicht - schließlich handelt es sich um seine kleine Tochter Frieda, die da mit ihren zweieinhalb Jahren hinter dem Papa herumturnt. Helge Schneider ist selbst immer noch ein herrlicher Kindskopf, er kaspert in seinem blauen Anzug und den im Seitenscheitel angeklatschten langen Haaren herum wie ein Clown, der im Kindergarten zu Besuch ist. Neben Vater und Tochter bevölkern die Bühne noch weitere ulkige Gestalten, von dem noch einigermaßen normal wirkenden Pete York am Schlagzeug, den schon etwas kauzigeren Rudi Olbrich am Bass und Jochen Bosak am Klavier über Gitarrist Sandro Giampetro in rot glänzendem Samtanzug und Zylinder („Er macht nebenher eine Ausbildung zum Totengräber“) bis zu Teekoch Bodo in Livree und Perücke („Könnte auch Haydn sein“). Vervollständigt wird das Panoptikum der schrägen Vögel wieder von dem irrwitzigsten Menschen, den Schneider je ausgegraben hat, Sergej Gleithmann. Ihn und seine Performance angemessen zu beschreiben, ist schier unmöglich. Zu berichten, wie er mit seinem ZZ Top-Bart, Halbglatze und dem schulterlangem Resthaar in viel zu kleinen Nicki-Overalls oder Gymnastikanzügen tanzt, über die Bühne zappelt oder auch menschliche Kanonenkugel spielt, kann das Erlebte nicht angemessen einfangen. Kopfschüttelnd und atemlos vor Lachen ist der Saal damit beschäftigt zu verstehen, wessen man da gerade ansichtig wurde. In den fast zweieinhalb Stunden zeigt Helge Kostproben von allem, was ihn in den vergangenen fast 20 Jahren berühmt gemacht hat: Sich selbst widersprechende Sätze, versägte Pointen, das Spielen des talentlosen Tänzers, Sängers und Anglisten („My english is good. Enough. For me“). Nur wenn‘s um Musik geht, macht Schneider Ernst, seine Mitmusiker müssen bei Liedern wie „Fitze Fatze“, „Es hat gefunkt bei mir“ oder „Mood Indigo“ in Super-Zeitlupe stets auf der Hut sein, um dem Chef folgen zu können. Auch die mit Affen-Handpuppe gespielte Trompete oder seine Udo Lindenberg-Parodie holt Helge hervor, erzählt von einer Polarexpedition, die er 6,3 Zentimeter vor dem Ziel abbrechen musste, oder schildert Szenen einer Ehe in Berlin, „wo Frau Merkel ruft: Hol mir mal den Hornhauthobel“. Kaum zu glauben, dass Frieda so etwas jeden Tag erlebt. – erschienen im Februar 2010 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
Im hellgrauen Altherren-Anzug schlurft Helge Schneider gemächlich auf die Bühne der Tonhalle und nimmt den Jubel der rund 1700 Besucher freundlich winkend entgegen. Er freue sich über das „erfolgreiche Wetter“ in Düsseldorf und dass er in der „Fledermaushöhle“ zu Gast sein dürfe. Unter dem zu weiten Zweireiher hält ein enger fies-grüner Pullunder ein ebenso fieses rosa Hemd im festen Griff, auf dem Kopf sitzt eine olle Schiebermütze. Dazu noch eine akustische Gitarre und eine Trompete in Hand, mehr braucht ein Helge Schneider nicht, um als „Cirque du Kautz“ unter dem Motto „Wullewupp Kartoffelsupp“ einen fabelhaften Abend skurriller Lebensweisheiten abzuliefern. Und an Lebensweisheiten mangelt es dem 53-Jährige ohne Frage nicht. Davon könnte er derart viele Lebensentwürfe stricken, dass diese kaum in nur einer Vita unterzubringen sind. Folglich zeigt Helge Schneider sie auf der Bühne und gießt sie außerdem auch noch in seine Autobiographien. Jüngst erschien sein neues Buch „Bonbon aus Wurst - Mein Leben“, eine weitere, korrigierte und erweiterte Lebensbeichte. In seinem Erstling „Guten Tach. Auf Wiedersehen“ von 1992 habe er zwar schon seine Geschichte beschrieben, die aber „zum größten Teil auf erfundenen Lügenmärchen basierten“. Wer hätte es gedacht? Das erste sinnfreie Desaster des Abends kündigt sich an, als Schneider seine fünfköpfige Band „The Drops“ vorstellt. Der an den Bongos und Saxofon sitzende Sergej Gleithmann wird in Anspielung an seine wallende Haar- und Bartpracht als „Futzie aus dem Duisburger Zoo“ angepriesen, der 1969 in der Wilhelma mit einem reizenden Gorilla-Weibchen Günter Netzer gezeugt habe. Dass Gleithmann in einen hautengen schwarzen Gymnastikanzug mit rosa Socken und Ballerinas gekleidet ist, hilft dabei nicht, die Fassung zu wahren. Neben Pablo, dem neuen Teekoch, sind die britische Trommler-Legende Pete York (Schlagzeug), der Italiener Sandro Giampetro (Gitarre), der „dienstälteste Bassist der Welt“ Rudi Olbrich (Bass) und Jochen Bosak (Klavier) die weiteren Mitglieder der Band. Allesamt „ausgelutschte Opas“, wie Helge findet. Er selbst sieht aus wie eine Mischung aus Oleg Popov und Heinz Rühmann, hat an diesem Abend ein ausgeprägtes Faible für das, was er vielleicht Tanz nennt, aber aussieht wie herrlich ungelenkes Zappeln. Er zelebriert seine Bewegungsclownerie zu Liedern wie „Telefonmann“, „Buttersong“, „Trompeten von Mexiko“ oder „Ich drück die Maus“. Dann wieder mimt er einen nuschelnden Gitarrenvirtuosen, der sich in einen Haare schleudernden Flamenco-Schredder wandelt, parodiert Pavarotti als Mann mit Obelix‘schem Appetit, lässt im Lied “Meisenmann“ seine bejubelte Udo-Lindenberg-Stimme erklingen und albert über die Bühne wie ein 5-Jähriger beim Kindergeburtstag. Den Hit „Katzeklo“ untermalt Gleithmann schließlich mit einer kenntnis- wie detailreichen Darbietung feliner Bewegungsart, bevor Helge zur Zugabe ein kleinen Hund mit auf die Bühne bringt, dem Pete York „My Way“ vorsingt. Kopfschüttelnde Bewunderung für soviel Irrsinn. – erschienen im Juni 2009 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf Helge Schneider legt ein ungebrochenes Tempo an kreativem Ausstoß vor. Die letzte CD, mit der der Musikclown kürzlich erst in der Tonhalle auf seiner Tournee Halt machte, erschien 2007, kurz zuvor erfreute er seine Fans bereits mit einem Roman. Und obgleich Schneider seit Ende 2006 durchgehend auf Tournee ist, hat er Zeit gefunden, schon wieder ein Buch abzuliefern. Es ist das mittlerweile Zehnte, das den Schreibtisch des 53-Jährigen verlässt. „Eine Liebe im Sechsachteltakt - Der große abgeschlossene Schicksalsroman von Robert Fork“ ist eine für Schneider typische Ansammlung von großartigen Absurditäten, ein krauses Gestrüpp aus Versatzstücken der Groschenliteratur, zwischen die Helge immer wieder ins völlig Irrwitzige oder plump Erotische abgleiten kann. Herrlich zu lesen und noch herrlicher zu genießen, wenn der Autor selbst aus seinem Werk liest. So geschehen im Savoy Theater, wo Helge vor fast ausverkauftem Haus durch die nicht vorhandenen Handlungsstränge um die Protagonisten Wolfgang Kollendorf, einem früheren Star-Chirurg mit tragischem Alkoholproblem, und seiner unglückliche Liebe Angelique Tessier pflügt, die sich leider direkt zu Beginn mithilfe eines Pferdes das Leben nimmt. Mit diesem Roman zwischen Schwarzwaldklinik und Hera Lind hat sich Helge Schneider nach dem Krimi, der Dokumentation und der Biographie auch noch das ganz seichte Genre erobert. Thematisch dem Vorgänger nicht unähnlich, damals ging es um die Bekenntnisse eines chilenischen Heiratsschwindlers, bereichert Helge sein aktuelles Opus vor Publikum um viele Requisiten, die das Vorlesevergnügen noch authentischer machen. Ein legeres Freizeithemd umhüllt dabei den schmächtigen Brustkorb, daran baumelt eine mächtige Sonnenbrille. Aus seinem 50er Jahre Köfferchen kramt Helge Buch, Lesebrille und Reisewecker hervor, letzterer soll ihm zur Pause ein Zeichen setzen: „Wir wollen ja alle schnell wieder nach Hause, nä?“. So lebt Helge Schneider zum Gläschen Wein sein Faible für Senioriges wieder ungehemmt aus, aalt sich im ältlichen Getue eines Opas, der seinen vielen Enkeln eine Gute-Nacht-Geschichte vorliest. Sein Vortrag ist natürlich durchsetzt von Albernheiten, er verstellt die Stimme, dichtet hinzu, kommentiert und zelebriert seinen ganz persönlichen bunten Abend. Die zweite Hälfte des Auftritts gerät ihm wie so oft erst richtig. Spontaner, geistreicher und schriller wird es, wenn er als „Robert Fork“ wahllos Sentenzen aus dem Buch zitiert, schräge Zusammenhänge erzeugt und diese wieder kümmerlich vor die Hunde gehen lässt. Zum Schluss dürfen dem Autor sogar Fragen zum Werk gestellt werden. Und wie es nur ein Helge Schneider kann, verwandelt er die unscheinbare Frage „Worauf bezieht sich der Titel?“ innerhalb eines Sekundenbruchteils in ein Sprungbrett für seine Antwort, die den Abend in einem lachenden Aufschrei enden lässt: „Der Titel bezieht sich auf - das Buch!“ – erschienen im März 2008 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
Schon vor Jahren hat Helge Schneider ein klingendes Bekenntnis abgelegt. Nach seinen ebenso zahlreichen wie erfolglosen Anläufen in unzähligen Berufssparten wusste der Mühlheimer eigentlich längst, wohin ihn der Weg führen würde. „I‘m a clown“ hieß der alte Jazz-Titel, der bereits in den frühen Programmen des Herrn Schneider vorkam. Heute scheint Helge am Ziel angekommen zu sein. Sein Auftritt in der ausverkauften Tonhalle („Willkommen in dieser wunderschönen Fledermaushöhle“) zeigt Helge heute nach der „singenden Herrentorte“ mit ihren verdrehten und widersinnigen Quatschgeschichten und der späteren Kultivierung des affektiert-näselnden Katzklo-Erfolgs bei den Wurzeln seiner Kunst angekommen: Er ist Clown. Wie seine großen Vorgänger aus dem Zirkus betritt Helge Schneider mit künstlicher Glatze und Haarkranz die Bühne, die rote Nase aufgesetzt und einen großen Koffer tragend. Zum abgetragenen blauen Anzug fehlen nur die Rockschöße und ein Paar übergroße Schuhe, dann wäre der dumme August perfekt. Sogar das musikalische Markenzeichen des klassischen Clowns, das Saxophon, nimmt Helge als Erstes aus seinem Koffer und spielt - wieder einmal erstklassig - mit seiner Band. Die Band, das sind der altbewährte Pete York am Schlagzeug, Gitarrist Sandro Giampetro, Kontrabassist und Tuba-Spieler Rudi Contra sowie eine umwerfende Percussion-Abteilung aus Bodo Österling (er hat mittlerweile seine 16-jährige Ausbildung bei Schneider abgeschlossen) und dem unbeschreiblichen Sergej Gleithmann. Letzterer bekleidet in hautengem schwarzen Spandex-Anzug und Ballerinas, die mit seiner Halbglatze und den schulterlangen Rest-Haaren sowie dem noch längeren Rauschebart ein mehr als reizvolles optisches Wechselspiel eingehen. Sein größter Auftritt ist eine Vorführung dessen, was bei viel Fantasie als gymnastische Übungen durchgehen würde, unter ästhetischen Gesichtspunkten möchte man sich aber schreiend vor Lachen abwenden. Und das zu einem Zeitpunkt, wo der Saal bereits mehrfach in Schnappatmung verfallen ist, ob der grotesken Albernheiten, die Helge Schneider musikalisch, tänzerisch und erzählerisch vom Stapel lässt. Er, der die Tournee kurzerhand von „I brake together“ in „Akopalüze nau“ umbenannt hat, schlägt mühelos den Bogen von Doping im Radsport, im Fluge zerplatzenden Skispringern, monströs gepiercten Kindergärtnerinnen und ihren erotischen Vorlieben zu modernen St. Matin-Inszenierungen und einer Johannes Heesters-Parodie, der ja eigentlich von studentischen Aushilfen an Drahtseilen bewegt wird. Den Zauberern Siegfried und Rolf(!) dichtet er schnell noch eine Vergangenheit als Kellner im Café an, bevor ein sagenhaftes Solo-Duett von Helge und Udo Lindenberg den „bunten Abend mit Niveau für alle, die sich langweilen“ beschließt. Helge, der Jazzer und Kasper, hat wieder einmal gezeigt, wie es gemacht wird. – erschienen im November 2007 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf Helge Schneider hat für seine neuen Werke fast schon etwas wie eine Multikanal-Strategie entwickelt. Der Mühlheimer Musikclown erscheint zumeist gleichzeitig in Form eines Dreiklangs aus Buch, CD und Tournee. So wird denn auch die aktuelle Platte „I brake together“ von Schneiders gleichnamiger Tournee sowie der Veröffentlichung der „Memoiren des Rodriguez Faszanatas“ umrahmt. Überdies ist Schneider zurzeit im Kino als "Mein Führer" zu erleben. Bemerkenswert ist, dass die Qualität diesmal nicht leidet, im Gegenteil. Zwar sind auf der neuen CD mit „Texas“, „Mädchen wollen küssen“ und "Telefonmann" drei alte Songs in neuer Fassung an Bord, doch die weitere Musik von Helge und seiner neuen Band ist originell und herrlich absurd wie lange nicht mehr. Ob die Ode an das "Sexy sexy Käsebrot", die von Helge wirkungsvoll zerspielten "Trompeten von Mexiko" oder die swingend-karibische Liebeserklärung an seine "Supermaus" – das alles macht große Freude. Höhepunkt ist Helges selbst gemachtes Duett mit Udo Lindenberg, in dem er/sie die These "Pinguine können nicht fliegen" am Klavier zementieren. Selten hat es soviel Spaß gemacht, dem Schneiderschen Unsinn mit hoher Konzentration zu folgen. – erschienen im Januar 2007 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
Nach 50 Jahren seines Daseins auf der Erde hat Helge Schneider offenbar alles erreicht, was dieser Planet für ein Menschenleben bereithält. Er hat als Komiker, Regisseur und Musiker unzählige Erfolge gefeiert, als Autor und Kommissar schwierigste Kriminalfälle gelöst und auf eigenen Füßen gedanklich den Erdball umrundet. Nur so lässt sich nachvollziehen, dass Helge Schneider neue Ziele sucht, die höher gesteckt sind als alles zuvor. Es ist der Griff nach den Sternen, zu dem er sich auf seiner aktuellen Tournee anschickt. In den Konzertsälen der Republik will Schneider den "Kampf im Weltall" aufnehmen. Die Düsseldorfer Tonhalle ist dabei an zwei ausverkauften Abenden Schauplatz des intergalaktischen Geschehens. Der Ort ist klug gewählt, was sonst könnte besser für den kosmischen Clown geeignet sein als die blau schimmernde Sternenkuppel? Unterstützt von Schlagzeuger Pete York, dem langjährigen Teekoch und Auszubildenden Bodo Oesterling sowie dem heimlichen Star und hoffnungslos untalentierten Ausdruckstänzer Sergej Gleithmann nimmt Helge Schneider die Bühne in Beschlag. Mit schief sitzendem schwarzen Anzug und Kummerbund schlendert er nonchalant in schwarzen Lackschuhen ("Die sind original von Vico Torriani, habe ich bei ebay ersteigert") vor den johlenden Fans auf und ab, wobei er stolz die geschminkte Zahnlücke, das blaue Auge und die rote Nase ins Scheinwerferlicht hält. Dem anklagenden Untertitel des Konzertprogramms "Sie wollten mich zum Affen machen" braucht man kaum Glauben zu schenken - das erledigt der Chef schon mit Freuden selbst. Nach einem herrlich albernen Solo am Kinderschlagzeug schwingt sich Helge hinter seine von ungelenken Fingern mit Flammen bemalte Hammond-Orgel, um durch seinen bekanntesten Hit "Katzeklo" zu sprinten. "Wir spielen es direkt am Anfang, dann haben wir es schnell hinter uns", grinst er in den Saal. In den folgenden zwei Stunden bringt Helge viel Bekanntes, variiert und improvisiert aber quer durch seinem humoristischen Kosmos, so dass man immer wieder über die alten Gags des kaputten Mikrofons, dem Lied vom Meisenmann, den Erzgebirge-Männchenschnitzer-Blues und der Udo-Lindenberg-Persiflage herzlich lachen kann. Zwischendurch darf man auch erneut über Schneiders musikalische Fähigkeiten staunen, wenn er mit rechts Trompete spielt, sich links dazu auf der Orgel begleitet und gleichzeitig mit den Füßen die Bassregister und das Lautstärkepedal bedient. Und wer glaubt, es ginge nicht bizarrer als der langhaarige Halbglatzenträger Gleithmann mit Vollbart, der sich im senfgelben Nicki-Overall zu Deep Purples Rockhymne "Smoke on the Water" unbeschreiblich behämmerten Tanz-Verrenkungen hingibt, der hat nicht erlebt, wie Helge Schneider mit Langhaarperücke an der Orgel "Georgia on my mind" spielt und sich dabei den Text vom Schlagzeuger herübersoufflieren lässt. Ein überirdischer Abend. – erschienen im März 2006 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf An sich ist Helge Schneider ein ausgesprochen heimatverbundener Mensch. Seit Jahr und Tag wohnt und lebt er in seiner Geburtsstadt Mühlheim an der Ruhr, Gedanken an einen Umzug sind für ihn kein Thema. "Nee, da wo ich wohne ist es so schön, das kann man sich kaum vorstellen und das Wetter ist auch gut", bekannte er sich einst zu der kleinen Stadt im Ruhrgebiet. So nimmt es sich denn auch nicht Wunder, dass Helge Schneider nicht einmal für eine Expeditionsreise rund um die Welt das Haus verlässt. Alles, was er benötigt, um ein Buch wie seinen zuletzt erschienenen Reisebericht "Globus Dei" zu verfassen, findet er offenbar am Schreibtisch in Mühlheim an der Ruhr. Auf 125 Seiten kann man hier nachlesen, was der gefühlte Enkel von Roald Amundsen und Sir Robert Scott auf seiner Tour vom Nordpol bis Patagonien so alles erlebt hat. Doch selber lesen ist bei einem Autor wie Helge Schneider nur der halbe Spaß. Weitaus lustiger wird es, wenn Schneider selbst Stimme und Augenbraue erhebt und seine Texte rezitiert. Die jüngste Gelegenheit bietet sich dazu im Savoy Theater, wo ein gut aufgelegter Schneider die Bühne betritt und zum Einstieg erst einmal "Grüße aus dem Wienerwald" auf einer quietschigen Mini-Orgel anstimmt. Er sei ein wenig erkältet, sagt Helge, doch das schade ja der Märchenonkel-Erzählstimme eigentlich nicht. Zum Beweis beginnt er mit ausgeprägt knarziger Stimme seine Lesestunde mit dem ersten Buchkapitel über den Nordpol. Untermalt von der sirenenartig winselnden Orgel treibt er die Artikulation der einzelnen Worte umgehend ins Absurde, kaum verständlich zerkaut er die einzelnen Silben und Buchstaben im übertrieben erschöpften Tonfall des einsamen Expediteurs. Später verfällt er auch in friesischen Singsang, imitiert Peter Maffay oder sächselt steinerweichend. Der ausverkaufte Saal liegt ihm hier bereits kichernd zu Füßen. Doch trotz aller skurrilen Geschichten über halbgefrorene Stiefel, Eisbärexkremente im Polarrucksack von Tchibo oder Rezepte aus Salz und Pfeffer gegen anfrierende Augenlider, "Globus Dei" ist nicht Schneiders bestes Buch. Zwar ist vieles darin ganz witzig, man kann auch oft schmunzeln, doch so richtig lustig wird der Abend erst, als Schneider seinem Text spontanen Irrsinn hinzudichtet, wenn er beginnt zu improvisieren und den vermeintlichen roten Faden komplett über Bord wirft. Dann liest er nur noch quer durch sein Buch wahllos kurze Sätze, versieht sie mit lakonischen Kommentaren und lässt so die Helge-typischen Albernheiten entstehen. Nach so einer weltumfassenden Reiseerfahrung ist klar, welches Ziel sich für Helge Schneider als nächstes stellen wird. Es bleiben ja eigentlich nur noch die Weiten des Raumes. Diesen Schluss legt zumindest der Titel des neuen Programms "Kampf im Weltall" nahe, mit dem Helge Schneider Anfang März nächsten Jahres in Düsseldorf wieder zu sehen sein wird. – erschienen im Oktober 2005 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
![]() WZ: Herr Schneider, freuen Sie sich auf Ihren 50. Geburtstag? Helge Schneider: Ach ja, eigentlich schon, aber wahrscheinlich habe ich am Tag vorher wieder jede Menge Arbeit. Mal sehen, hoffentlich bin ich dann nicht zu kaputt zum Feiern. WZ: Wie feiern Sie denn diesen runden Geburtstag? Schneider: Ich bin immer zuhause, wenn ich Geburtstag habe. Da muss ich nicht arbeiten und es kommen dann immer ein paar Leute vorbei und wollen mich besuchen. Obwohl ich ja keine Einladungen schreibe. WZ: Wer kommt denn da so unangemeldet? Schneider: Och, meine Schwester, die Familie, Freunde... WZ: Sind Sie ein typischer 50-Jähriger? Schneider: Kann ich nicht sagen, ich weiß gar nicht, wie ein typischer 50-Jähriger aussieht. Ich glaube aber eher nicht, dass ich einer bin. WZ: Wie sehen denn typische 50-Jährige für Sie aus? Schneider: 20 Jahre älter, würde ich mal sagen. WZ: Wie könnte man Ihnen zum 50. Geburtstag noch eine Freude machen? Haben Sie nicht längst alles erreicht? Schneider: Nee, mit allem Möglichen kann man mir noch eine Freude machen, ich freue mich über Vieles. Aber ich hab da eigentlich keinen besonderen Wunsch. Muss ja auch nichts Großes sein, es reichen ganz einfache Sachen. Jetzt zum Beispiel würde ich mich schon über ein richtig leckeres Essen freuen. WZ: Denken Sie am 50. Geburtstag schon an die Rente? Schneider: Ich denke schon an die Rente, seitdem ich mit 14 die Schule verlassen habe. Neulich habe ich so einen Brief von der Rentenanstalt bekommen, da stand, dass ich ungefähr 370 Euro im Monat kriege. Das ist ja besser als 360 Euro. WZ: In Ihrer Autobiografie schreiben Sie, Sie wollen so sein wie die Opas, die bei Eduscho Kaffee trinken. Ihnen imponiere deren Souveränität. Fühlen Sie sich heute mit 50 souverän? Schneider: Wissen Sie, ich habe heute noch viel Kontakt zu alten Leuten. Ja, ich glaube, ich bin etwas souveräner geworden, auch gelassener. Souverän heißt für mich, dass man sich manchmal mehr in Ruhestellung befindet. Obwohl ich mich immer noch ganz schön über alles und nix aufregen kann. WZ: Was macht denn Helge Schneider mit 60? Schneider: Oh, das ist ja schon bald, muss ich da feststellen. Tja, ich denke, da werde ich immer noch auf der Bühne stehen und spielen. WZ: Nicht als Opa im Eduscho stehen? Schneider: Nee. Der Kaffee da schmeckt mir nicht. Ich mag diesen Maschinenkaffee nicht mehr. Ich trinke nur noch zuhause Kaffee, den ich mir selber mache. WZ: Der WDR hat zu Ihrem Geburtstag einen Film über Sie gedreht. Finden Sie den gut? Schneider: Ja, kann man sich angucken. Ist informativ und gibt so ein Bild von mir wieder. Der Titel „Mister Katzeklo“ war übrigens meine Idee. WZ: Ärgert es Sie nicht, dass manche Leute von Ihnen nur Katzeklo kennen und sonst nichts? Schneider: Nein, überhaupt nicht. Ist nun einmal so. Da stehe ich zu. WZ: Was haben Sie noch für Pläne? Schneider: Bis lange ins nächste Jahr hinein habe ich erstmal überhaupt keine Zeit vor lauter Arbeit. Und dann muss ich vielleicht mal ein bisschen Pause machen. Oder Urlaub, dann aber länger. – erschienen im August 2005 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf Nun ja, das Pseudonym war einfach zu erraten: El Snyder & Charlie McWhite ist für Fans des Mühlheimer Komikers und Musik-Clowns Helge Schneider ein klare Sache. Dahinter verbirgt sich eine kleine Zwei-Personen-Band mit Schneider an der Hammond-Orgel und dem Schlagzeuger Charlie Weiss. Zusammen treten die beiden beim Abschlusskonzert der diesjährigen Jazz- und Weltmusikreihe im Hofgarten auf, wobei sie sogar ein Jubiläum feiern können. Vor gut 27 Jahren haben El Snyder & Charlie McWhite bereits an besagtem Ort ein Konzert gegeben, damals natürlich noch weitgehend unbekannt, von Erfolgen wie „Katzeklo“ und Konsorten konnte Helge Schneider nur träumen. Entsprechend großen Zuspruch erfährt der 49-jährige Schneider diesmal von seinen zahlreich erschienen Fans. Die vor der Bühne platzierten Stühle reichen bei weitem nicht aus, mehrere Reihen an Stehplätzen beziehen dahinter Stellung. Gemächlich schlendern der im ollen Blaumann und roten Socken steckende Schneider und sein alter Kompagnon Weiss (er ist mit buntem Hawaiihemd, Schirmmütze und weißem Sakko ausgerüstet) zu ihren Instrumenten, um sich mit betörend schreiender Orgel und schepperndem Schlagzeug durch knappe 45 Minuten mit Jazz und freier Improvisationen zu spielen. Das vermutlich ad hoc entstandene Programm schaut bei alten Standards wie „Take the A-Train“ vorbei, schlittert unversehens in einige Takte des Gainsbourg-Klassikers „Je t’aime“ und landet schließlich auch noch bei der alten Rock-Hymne „In A Gadda-Da-Vida“ von Iron Butterfly, inklusive geröcheltem Gesang von Helge Schneider. Wer mit kopflastigen Jazz-Standards nichts anzufangen weiß, für den haben Helge und Charlie auch noch einen optischen Sinnesgenuss im Gepäck. Sergej Gleithmann, Halbglatzen- und Vollbartträger, hopst zwischendurch als anarchischer Augenschmaus im senfgelben Nicki-Overall über die Bühne und praktiziert eine sehr ungewöhnliche Form des Ausdruckstanzes. Einem Auftritt mit soviel musikalischem Spaß und alberner Ausgelassenheit zu folgen, ist für die zweite Band des Tages, Capitão Futuro, eine sehr schwere Aufgabe. Unter der Anleitung des Kölner Perkussions-Dozenten Alfonso Garrido präsentieren die zehn internationalen Musiker ihre Interpretationen brasilianischer Musik. Von funky und jazzig bis hin zu Bossa nova und regionalen Stilrichtungen führen sie die klangliche Bandbreite vor Ohren, bleiben aber im Schatten von Helge. – erschienen im August 2005 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf |
Der Popwart
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