![]() Götz Alsmann ist ein rastloser Reisender. Unter dem Titel „Tabu!“ hatte der „Thor Heyerdahl des deutschen Jazzschlagers“ nun zu einer Reise in 120 Minuten um die Welt in das Savoy Theater eingeladen, um den Zuhörern die entlegensten Winkel desjenigen deutschen Schlagers zu zeigen, der sich mit der Ferne beschäftigt. Mit Packtieren, die auf Namen wie „Cha Cha“, „Swing“ und Calypso“ hören, führte der Expeditionsleiter Alsmann mit seinen Kameltreibern Ludwig Götz (Posaune), Michael Müller (Bassgitarre), Rudi Marhold (Schlagzeug) und Markus Passlick (Percussion) die Jazz-Karawane souverän und polyglott durch das tropische Klima des ehemaligen Lichtspielsaals. Den Sextant der Melodien stets auf die Tolle gerichtet, die gewiss keinen Tropenhelm mehr über sich duldet, führte die Reise längst nicht nur in die musikalischen Exotika ferner Länder und fremder Welten, sie führte vor allem zurück in eine andere Zeit. Die Zeit des Jazzschlagers in den 50er Jahren. Götz Alsmanns ureigene Zeit. Es mutete durchaus therapeutisch an, wie der studierte Musikwissenschaftler auf der Bühne die grotesken Erlebnisse seiner frühen musikalischen Sozialisation durch Ordensschwestern und Mundorgel-Liedgut der 50er und 60er erneut durchlitt. Gepaart mit den späteren Erlebnissen in kaum drittklassigen Provinzherbergen, in denen er auf seinen Reisen kampieren musste, entluden sich seine bitteren Erkenntnisse zwischen den Musikstücken in launigen Kommentaren, die er mitunter auch in Versform vortrug. Darin (er)brach er beinahe all‘ die prägenden Tabus aus jener Zeit, und ließ sie als entstellte Schlagerfetzen im prestissimo aus sich heraussprudeln. Die bravourös interpretierten Songs kontrastierten derlei parlierte Untiefen wirkungsvoll mit der Sehnsucht nach der besseren Welt, wie der Jazzschlager sie damals versprach (z. B. in „Weit weg von hier“ oder „Das wär was“). Nach der Pause gewährten die Entdeckungsreisenden weitreichende und überaus humorvolle Einblicke in das Leben westfälisch-stämmiger Indianer und lateinamerikanischer Schlangenbeschwörer. Zuvor hatte Götz Alsmann in der Geschichte seines entlaufenen Hundes abermals erschütterndes Zeugnis seiner entbehrungsreichen Jugend abgelegt, wobei er sich selbst an der Ukulele begleitete. An diesen Glanzlichtern zeigte sich, dass Götz Alsmann am Klavier mit seiner Band nicht nur ein begnadeter Entdecker ist - mit seiner Ukulele ist er ein Magier. – erschienen im Mai 2003 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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