Felix und Fanny Mendelssohn Bartholdy gelten als eines der musikalisch innigsten Geschwisterpaare in der Kunstgeschichte. Beide hochtalentiert und in eine Familie geboren, die sich die besten Ausbildungsmöglichkeiten der Zeit leisten konnte, werden Fanny und vor allem Felix in der Literatur zumeist als unbekümmerte und vergnügte Künstlerseelen dargestellt, denen sich das Leben nur von der Sonnenseite zeigte. So auch in dem moderierten Konzert im Lesesaal des Heinrich-Heine-Instituts anlässlich des 200. Geburtstags von Fanny Hensel, geborene Mendelssohn Bartholdy. Prof. Dr. Ute Büchter-Römer hat für den runden Geburtstag am 14. November in ihrem Archiv gegraben und eine Auswahl von Briefen, Zitaten, Anekdoten und Dokumenten zusammengestellt, die das Bild einer sehr freundlichen, humorvollen, gleichzeitig scharfsinnigen und eigensinnigen Persönlichkeit zeichnen, die nicht gerade gegen das Rollenverständnis ihrer Zeit aufbegehrte, aber es doch immerhin als unbequem empfunden hat. Die ausgewählten Texte stammen dabei sowohl von Fanny selbst, als auch von den sie umgebenden Menschen wie die Eltern Abraham und Lea, Sohn Sebastian, Ehemann Wilhelm Hensel, Freunde wie Goethe und Heine sowie natürlich aus dem engen Briefwechsel mit Bruder Felix. Ergänzt wird der Vortrag von einigen Liedern Fanny Hensels, vorgetragen von Prof. Michaela Krämer (Sopran) und Michael Zieschang (Klavier). Das Oeuvre Fanny Hensels umfasst die erstaunliche Anzahl von über 400 Kompositionen, bis heute ist dieser musikalische Schatz aber erst zu sehr kleinen Teilen gehoben. Ihre Werke erklangen zumeist im Rahmen der Sonntagsmusiken im Berliner Palais der Mendelssohns, einer der wichtigsten Treffpunkte der geistigen Elite ihrer Zeit. Bis kurz vor ihrem Tod wurde Fanny von der Familie nicht zugestanden, ihre Werke auch zu veröffentlichen. Das sei allein dem Bruder vorbehalten, der im Unterschied zu ihr die Musik als Beruf, nicht nur als Zierde ausübe. Trotz der wenigen zugänglichen Werke lässt sich das altehrwürdige Lexikon der "Musik in Geschichte und Gegenwart" dazu hinreißen, Fanny Hensel als die "bedeutendste Komponistin des 19. Jahrhunderts" zu adeln. Büchter-Römer geht sogar soweit, in Fanny Hensels Klavierstück "November" eine Vorwegnahme der Anfangstakte von Wagners "Tristan" zu erkennen. Leider bleibt es bei der Erwähnung, zu gerne hätte man diese These am Klavier noch näher beleuchtet bekommen. Übrigens ist der Ort der Sonntagsmusiken heute noch existent. Die Leipziger Straße 3 in Berlin ist heute die Adresse des deutschen Bundesrates. – erschienen im November 2005 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Mit einem Klang-Experiment der besonderen Art stellt sich das neu gegründete Institut für Musik und Medien an der Robert Schumann Hochschule vor. Im Partika-Saal präsentiert der Leiter des neuen Instituts, Prof. Hans-Joachim Haas, das künstlerische Forschungsprojekt zur Entwicklung einer neuen Klangdramaturgie durch 5.1 Surround-Sound-Technik, dargestellt am Beispiel von Felix Mendelssohn Bartholdys Oratorium „Elias“ op. 70. Anfang des Jahres hatte man dazu eine Aufführung des Elias mit 44 Mikrofonen aufgezeichnet und für die Wiedergabe in Surround-Sound gemischt. Im Unterschied zu herkömmlichen HiFi-Systemen, die bei Mono nur einen einzigen und bei Stereo rechts und links immerhin zwei Lautsprecher zur Tonwiedergabe haben, verfügt eine 5.1 Anlage über insgesamt sechs Boxen. Der Hörer sitzt nicht mehr frontal davor und lauscht, sondern befindet sich im Zentrum des Klangs, umrahmt von den einzelnen, rings um ihn platzierten Klangquellen. Der unmittelbare Höreindruck ist in seiner unmittelbaren Präsenz schlicht gewaltig. Die 5.1 Technik, eigentlich mehr in großen Kinos oder audiophilen Kellerstudios zuhause, ermöglicht aber nicht nur sensorisch beeindruckende Hörerlebnisse. Auch die raumklangliche Ausdeutung von Text und Partitur, für die Hans-Joachim Haas sowohl psychologische Hörphänomene (so haben Geräusche von hinten immer etwas Alarmierendes) als auch akustische Eigenheiten des Raums nutzt, ermöglicht eine ganz neues Hören der Musik. Vor den Ohren des Publikums teilt sich das Orchester wie das rote Meer, man hört die Stimme des Propheten quer durch den Raum in die Wüste wandern und wird sogar Ohrenzeuge göttlichen Widerhalls auf ein Gebet des Elias. Die Verwendung dieser Klangtechnik für ein Oratorium ist also durchaus nicht nur bloße technische Spielerei, sondern echte künstlerisch-interpretatorische Arbeit, deren Anliegen es ist, die im Werk angelegte Emotionalität durch akustische Höreffekte direkt erlebbar zu machen und zu steigern. Man kann nun sicher streiten, ob wirklich jeder technische Effekt einen Bezug zum Werk hat oder nicht doch schon die Grenze zum Selbstzweck berührt. Aber es sind eine Menge bereichernder Denk- und Höranstöße, die das Experiment haben gelingen lassen. Als Nächstes ist übrigens eine Klangdramaturgie für Giuseppe Verdis Requiem geplant. Dafür sollte man schon mal die Ohren steif halten! – erschienen im Oktober 2004 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf |
Der Popwart
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