Bobby McFerrin hat ein neues Album aufgenommen, das erste nach sieben Jahren Arbeit. Mit großen Worten angekündigt als Musik für das 21. Jahrhundert, die man so noch nie gehört habe, lässt das knapp einstündige Werk den Hörer etwas ratlos zurück. Bereits der sperrige Titel „VOCAbuLarieS“ mag sich nicht so recht ins Ohr finden. Das verschlungene Wortspiel aus den englischen Begriffen für Wortschätze und Gesang spiegelt aber gut den klingenden Eindruck wider, denn die überwiegend vokale Musik ist ebenso ein Konglomerat aus verschiedenen Elementen, die Bobby McFerrin in den vergangenen 30 Jahren zu Gehör gebracht hat. Aus dem privaten Tonarchiv McFerrins hat sich der Komponist Roger Treece die schönsten Perlen herausgesucht und daraus sieben epische Songs geformt. Bobby McFerrin hat diese dann mit mehr als 50 Gastsängern anschließend eingesungen. Im Ergebnis hört man einen mit großem technischen Aufwand erschaffenen Klangkosmos, der da aus archiviertem Klangmaterial zusammengewoben wurde. Das ist viel Musik, aber überraschend wenig Bobby McFerrin. – erschienen im April 2010 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Es gibt wohl kaum einen Menschen, der mehr Musikalität verströmt als Bobby McFerrin. Der Amerikaner ist ein strahlendes Beispiel für unglaubliche Leichtigkeit und Souveränität im Umgang mit Musik. Bei seinem Auftritt in der ausverkauften Tonhalle sitzt sein Publikum mit spannungsvoller Vorfreude, wissend um die besondere Aura des Sängers. Leger, konzentriert und maßvoll beschwingt betritt McFerrin die Bühne und stellt sich zum Applaus des Publikums vor das Münchner Rundfunkorchester, um mit Wolfgang Amadeus Mozarts Ouvertüre "Le nozze di Figaro" zu eröffnen. Dabei gibt er sich spitzbübisch und gewitzt, den Baton keck hinter dem rechten Ohr, verleiht seiner Arbeit stets den Nimbus des Improvisierten, lächelt viel und verbreitet Freude unter den Kollegen an den Pulten. Trotzdem ist Mozart hier eine gefällige Wahl, da macht man nicht viel mit verkehrt, löst aber auch nicht sofortige Jubelstürme aus. Die hebt sich Bobby McFerrin für seine Duett-Partnerin Sol Gabetta auf. Zusammen mit der außergewöhnlichen Argentinierin musiziert er zunächst das Concerto g-Moll für zwei Violoncelli RV 531 von Antonio Vivaldi. Allerdings hat nur Sol Gabetta ihr Cello mitgebracht, McFerrin singt den Solo-Part. Natürlich. Bevor Orchester und Solistin dem 58-Jährigen die Bühne überlassen, lösen Gabetta und McFerrin mit Vivaldis hinreißendem Adagio des Konzerts G-Dur RV 532 für zwei Mandolinen die hohen Erwartungen an den Abend mehr als ein. Die beiden umgarnen sich in ihren gemeinsamen Passagen derart hingebungsvoll und mit musikalischer Intensität, dass man sich wünschte, der Komponist hätte doch bitte einige weitere Wiederholungszeichen in die Partitur gesetzt. Der aberwitzig schnell zugegebene Hummelflug der beiden wäre gar nicht mehr nötig gewesen, der Saal liegt ihnen nunmehr zu Füßen. Schließlich allein auf der Bühne sitzend, zeigt Bobby McFerrin mit jazzigen Vokalstücken eine der anderen Facetten seines Könnens. Sein Tonumfang, der eine seidige Sopranstimme genauso wie einen knurrigen Bass umfasst, lässt ihn scheinbar mühelos zwischen den Registern wechseln, lässt grabentiefe Intervallsprünge so lupenrein klingen, als wäre es kinderleicht. Dabei imitiert er noch Instrumente wie Schlagzeug, Gitarre und Keyboards, die mit groovenden Melodien zusammengehalten werden. Es ist erstaunlich, wie viel Musik ständig in diesem Kopf stattfinden muss. Zuweilen wird dann auch das – offenbar mit vielen Sängern besetzte – Publikum mit einbezogen. Mal als Melodieträger im „Ave Maria“, welches er begleitet oder als Tonerzeuger für sein Bühnen-Klavier, bei dem er mit imaginären Tasten auf dem Bühnenboden die Töne im Publikum abruft. Die abschließende Mozart Sinfonie Nr. 40 g-moll KV 550 geht den Münchnern nach der Pause leicht von der Hand. McFerrin lässt Mozart geschmeidig federn, die Phrasierungen sind zuweilen etwas spitz, mit deutlich ausformulierter Dynamik und schnellem Tempo. Nach charmanten Zugaben entlässt der Sänger seine Fans. Erneut eine Sternstunde mit Herrn McFerrin, erneut das Gefühl, dass es wieder viel zu schnell vorbei war. – erschienen im Februar 2009 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
Langsam, fast lässig, geht Bobby McFerrin in Jeans und T-Shirt gekleidet zu seinem Stuhl auf der Bühne der Tonhalle und nimmt Platz. Er bedankt sich artig für den begeisterten Empfang, den ihm sein Publikum bereitet, hält für einige Sekunden inne und dann ist sie da, die Illusion. Sobald er anhebt und singt, ist es, als höre man mehrere Stimmen im Zusammenspiel mit dezenter Instrumentalbegleitung. Diese Erfahrung vergisst man nicht mehr, wenn man sie einmal gemacht hat. McFerrins Gesang hat so mittlerweile schon beinahe legendären Charakter bekommen. Wann immer seine Fans über ihn sprechen, bewundern sie die Faszination seiner Stimme und seine unglaubliche Technik, die ihn scheinbar mühelos durch einen Stimmumfang von vier Oktaven wandern lässt. Doch er singt nicht nur, er säuselt, brummt, zischt, schnarrt und quiekt. Kurzum, er setzt alle Möglichkeiten ein, die ihm seine Sprechwerkzeuge zur Verfügung stellen. Sein Mikrofon benutzt er dabei wie ein Instrument. Einer Blockflöte ähnlich hält er es vor dem Mund und bewegt sogar die Finger beim Singen, als wäre es das Mikro und nicht er selbst, das all diese Klänge erzeugt. Es ist diese Art von Bescheidenheit, die Bobby McFerrin neben seinem Können ausstrahlt, die ihn für sein Publikum so liebenswert macht. Wenn er dann noch seinen musikalischen Humor aufblitzen lässt, hat er den Saal vollends in der Hand. Es ist einzigartig, wie die Zuhörer ihm auf seinen musikalischen Ausflügen in Pop, Jazz, Blues und Klassik folgen. Mit Handzeichen und auffordernden Blicken baut er das Publikum in mehrstimmige bis klanglich eher ulkige musikalische Spielereien ein. Offenbar ohne es geprobt zu haben, erkennt auch der Chor, der sich zur vokalen Unterstützung eingefunden hat, seine Einsätze und übernimmt die von McFerrin vorgesungenen Motive. Man kann den Sängern wirklich keinen Vorwurf machen, dass sie dabei rhythmisch mit dem behende improvisierenden McFerrin nicht immer Schritt halten können. Dazu ist der 53-jährige einfach viel zu schnell. Zudem verwirrt er die bemitleidenswerten Choristen mit urkomischen Lauten, die die meisten wohl zuletzt auf dem Weg zum Spracherwerb hervorgebracht haben und nun auch noch in schneller Folge nachsingen müssen. Nur einer von vielen musikalischen wie kommunikativen Höhepunkten ist das vom Publikum intonierte „Ave Maria“ von Gounod, zu dem der Amerikaner lupenrein das Präludium C-Dur von Bach singt. Singen ist Silber – Bobby McFerrin ist Gold. – erschienen im November 2003 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf |
Der Popwart
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