Blicken wir kurz zurück auf das Jahr 1976. Vier schlaksige Hänflinge in abgerissenen Jeans, Ringel-T-Shirts und schwarzen Lederjacken wählen in New York City als gemeinsamen Nachnamen "Ramones" und veröffentlichen unter gleichem Titel ihre erste LP. Sie haben die Nase voll von erstarrten Dinosaurier-Bands wie Led Zeppelin, Deep Purple oder Genesis. Sie wollen wieder den puren Rock'n'Roll. Aus Mangel an spieltechnischem Können und mit achselzuckender Unbekümmertheit erfinden die Ramones in den 1970ern ihren eigenen Musikstil, der wenig später als Punk vor allem in Großbritannien für Furore sorgen wird. Die Ramones gehen dabei als Vorbilder und eine der archetypischen Punkbands in die Geschichte ein. Zurück ins Heute. Die Band ist seit knapp 10 Jahren aufgelöst, von den vier Gründungsmitgliedern sind Joey Ramone, Johnny Ramone und Dee Dee Ramone mittlerweile verstorben, nur Ur-Trommler Tommy Ramone lebt noch. Aus Gründen, die nur er selbst kennt, hat er Anfang des Jahres die musikalische Leitung des ersten Ramones-Musicals "Gabba Gabba Hey! – A Lower East Side Story" übernommen, das jetzt auch in der Kölner Live Music Hall über die Bühne geht. Nun mag man zurecht einwenden, dass die musikalischen Schluchten zwischen dem Punkrock à la Ramones und der Gattung Musical an sich als eigentlich unüberwindbar scheinen. Stellt man sich dann noch vor, die drei toten Ramones kämen zurück und würden ihren verbliebenen "Bruder" um eine Rechtfertigung für das Stück bitten - er hätte ernste Probleme. Das, was da in einer knappen Stunde vor den rund 400 erschienenen Besuchern heruntergekaspert wird, ist von den Verantwortlichen vorsorglich als Hommage an die Ramones und als Musical-Parodie deklariert worden. Doch beides stimmt nicht. Inszeniert von Trash-Regisseur Jörg Buttgereit hampeln und zappeln die Darsteller (der bekannteste Name ist Rolf Zacher, der mit Punk so rein gar nichts am Hut hat) auf der mit Stellwänden anspruchslos dekorierten Bühne herum. Zu "Sheena is a Punk Rocker" ereifert sich das achtköpfige Ensemble im Luftgitarre-Spielen, die Party-Hymne "Blitzkrieg Bop" verkommt zum albernen Rumgehopse. Die dazwischen zusammenhangslos plätschernde und erschreckend dämliche Story, in der alle noch so einfallslosen Teenie-Klischees verwurstet werden, bietet lediglich den bedauernswerten Vorwand für eine Auswahl von Ramones-Songs, die von dem begleitenden Trio "Forgotten Souls" ziemlich lieblos heruntergeknüppelt und von den dünnen Stimmchen der Akteure vollends ruiniert werden. Als wäre das alles nicht schon schlimm genug, besiegeln beständig nervende Mikrofon-Geräusche den nachhaltigen Verdruss. Über die unsägliche Darstellung eines weiteren verglühten Punk-Sterns, dem New York Dolls-Gründer Johnny Thunders, wollen wir dann auch besser schweigen und zum Trost lieber die Orginal-LPs aus dem Schrank ziehen. – erschienen im Oktober 2005 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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