![]() Ben Beckers Stimme ist ein Monument. Die Art, in der er Worte formt, Sätze auskostet und mit seinem rauen, dunklen und wuchtigen Timbre veredelt, kann einem jede Menge Schauer über den Rücken jagen. Wenn er sich dann auch noch das Buch der Bücher auf sein Pult legt und mit den langsam deklamierten Worten „Am Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde“ den aufgeladenen Text der Genesis zelebriert, dann erzeugt dies einen schon beinahe schauerlichen Gänsehaut-Moment. Seine Stimme rollt wie bedrohliches Donnergrollen über die Köpfe der rund 1100 Besucher in der Philipshalle hinweg, getragen von einer Welle unheilschwangerer Musik, gespielt vom Deutschen Filmorchester Babelsberg. Es ist gefällig-beiläufige Filmmusik, mal lodernd und tosend, dann wieder sphärisch vor sich hin plätschernd. Ganz so, wie etwa in Katastrophenfilmen von Roland Emmerich. Untermalt wird dies auch noch durch düstere Projektionen auf einen stilisierten Altar-Triptychon hinter dem Orchester. Man wähnt sich in diesen ersten Minuten eher in den Kinosesseln eines beliebigen Multiplexes, statt bei einer inszenierten Lesung der Bibel. Und diesen Zustand soll man offenbar nach dem Willen der Ausübenden auch in den folgenden zweieinhalb Stunden nicht mehr verlassen. Unzählbar viele haben sich schon vor Ben Becker an der Bibel versucht. Spontan fällt uns Haydns Oratorium „Die Schöp- fung“ ein, Michelangelos Fresken in der Sixtinischen Kapelle oder die Sandalen-Klassiker der 1950er Jahre, mit denen Charlton Heston und Miklos Rosza unsere cineastische Vorstellung von göttlicher Musik und dem Breitwandabbild Gottes prägten. Ebenso viele haben sich an der Mammutaufgabe, dieses Buch in Kunst zu übersetzen, verhoben. Insbesondere, wenn einem Übermaß an Emphase kein echtes Gegengewicht gegeben wird. Gefangen im Cinemascope-Pathos, bleibt auch Ben Becker seinem anfangs gefundenen Duktus treu. Doch wenn man von Adam und Eva, Kain und Abel, Noah und der Arche, dem Turmbau zu Babel sowie der Passion Christi im ewig gleichen Tonfall der, so scheint’s, kurz bevorstehenden Apokalypse spricht, stellt sich früher oder später pompöse Langeweile ein. Dem Übermaß an dick aufgetragenem Prediger-Pathos setzt Becker nur an wenigen Stellen etwas gegenüber. Etwa wenn er Simon & Garfunkels „Bridge Over Troubled Water“ oder Elvis Presleys „In the Ghetto“ singt, unterstützt von der Zero Tolerance Band (in albernen Priestergewändern) und einem Gospel-Quartett. Diese augenfällig missglückte Auswahl sorgt dann aber mehr für unfreiwillige Komik als für religiöse Ergriffenheit. Zumal Ben Becker vielleicht im Ansatz über den Bauch des späten Elvis verfügt, nicht aber das Sangestalent des Kings teilt. Aus der Keimzelle der christlichen Kultur basteln Ben Becker und seine Mitstreiter mit ihrer Version der Bibel ein belangloses Musical, ein Hörbuch, dessen Tiefe und Bedeutung auf ein Pop-corn-Abendmahl reduziert wird. – erschienen im Januar 2010 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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