„Später, mein Schatz, später!“ Dies ist die charmante Antwort von Chris Norman auf einen Zwischenruf aus den hinteren Reihen der Philipshalle. Den Song „Alice“ möchte er doch bitte spielen, „please play Alice“. Natürlich wird er den Song spielen, natürlich ist der Konzerttitel „The Hits“ Programm. Natürlich bringt Chris Norman deshalb auch die vielen anderen Hits, die er als Solo-Künstler und vor allem als Sänger von Smokie hatte. Und natürlich ist er für die rund 2000 Zuschauer auch immer noch der Sänger von Smokie, auch wenn seine Zeit mit der Band schon ewig her ist. Lange hat es ohnehin gedauert, aber heute spielt er die Juwelen aus seiner frühen Zeit offensichtlich wieder gerne. Mit ihm auf der Bühne steht eine feine fünfköpfige Band, die dem 58-Jährigen ein rockiges Fundament für seine immer noch vitale und typisch markante Stimme bereithalten und die Songs mit reichlich Kraft versehen. Das versöhnt auch schnell für das vielleicht etwas zu weit aufgeknöpfte schwarze Hemd von Mr Norman und seine weissen Lederstiefel mit hohem Absatz. Sowas darf heutzutage eigentlich nur noch der von Stilfragen komplett enthobene Lemmy Kilmister von Motörhead tragen. Nach dem Opener „Got it all“, einem aus der Handvoll neuer Songs, geht es anschließend mit „Love Is A Battlefield“ und „Needles & Pins“ direkt ins Herz jener Jahre, auf die die Fans wirklich warten. Dass die Smokie-Songs wie „For A Few Dollars More“, „If You Think You Know How To Love Me“, „I'll meet you at Midnight “, Don‘t Play Your Rock‘n‘Roll To Me“, „Oh Carol“ oder auch „Lay Back In The Arms Of Someone“ am besten ankommen, überrascht nicht. Auch nicht, dass insbesondere die anwesenden Damen beim Jubeln tonangebend sind und ihre Begleiter mit dem griesgrämigem „Jaja, Chris Norman“-Gesicht ab und zu mal in die Rippen knuffen müssen. Aber Überraschungen waren von vornherein nicht das Thema. Norman blickt heute auf früher, ist der Rückschau auf sein Schaffen verpflichtet, bei der er nicht einmal vor der Kollaboration mit - hier bedeckt er schamhaft die Augen - Dieter Bohlen zurückschreckt. „Midnight Lady“ hiess der Song damals und war zu Beginn der 80er mithin sein letzter großer Auftritt in den Charts. Aber auch dass sei verziehen. Seine Qualitäten als charmanter Gastgeber mit unverstellter Publikumsnähe, der sogar während der Show Autogramme gibt, erheben den Abend aus einer schlichten Hitparade eines Ex-Schmusestars auf Kassenfahrt. Norman erweckt glaubhaft den Eindruck, mit alten Freunden in Erinnerungen von früher zu schwelgen. Mit verschmitztem „Jetzt ist später!“ kommt schließlich auch noch Madame Zwischenruferin zu ihrem Recht. Obwohl es ja streng genommen „Jetzt ist früher!“ hätte heissen müssen. – erschienen im März 2009 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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