„Politisches Kabarett ist eher textlastig“ Scheinbar simpel ist diese Erkenntnis, die Georg Schramm in seinem Programm „Mephistos Faust“ konstatiert, mit dem er im ausverkauften Savoy Theater erstmalig gastiert. Die lakonische Feststellung sowie der im Titel geführte Bezug zum größten Fels deutscher Dichter und dessen ultimater Schilderung des alten Kampfs zwischen Gut und Böse lassen bereits vermuten, dass es kein belanglos-fröhlicher Abend wird. In der Tat geht es Schramm um mehr, um Einiges mehr. Wie der unruhige faustische Geist spürt auch Schramm in seinem Programm der viel besungenen letzten Erkenntnis nach. Tatsächlich eröffnet er auf seiner Suche auch Tiefe, er entblößt sogar eine ganze Reihe an schieren Untiefen der menschlichen Art. Wenn Georg Schramm als politischer Kabarettist auftritt, kann er als Offizier und diplomierter Psychologe auf zwei berufliche Säulen zurückblicken, die ihn zwischen den Zeilen menschlicher Kulissen lesen lassen. Auf der Jagd nach dem Seelenheil seiner Patienten und dem Gehorsam seiner Untergebenen hat er gelernt, den Mitmenschen auf’s Maul zu schauen und die vielen Masken des Alltags zu studieren, die er während seines Auftritts mit beeindruckendem schauspielerischem Können spielt. Er philosophiert, parliert und polemisiert beängstigend glaubhaft, ob als Oberstleutnant Sanftleben, dem hessischen SDP-Rentner August oder auch als Georg Schramm in einer selbstkritischen Meta-Ebene. Nicht fehlen darf der sauertöpfische kleine Giftzwerg Lothar Dombrowski, der mit seiner schwarz behandschuhten rechten Hand vor dem Bauch aussieht wie eine Mischung aus Weltraum-Fiesling Darth Vader und Napoleon. Immer wieder versprüht er seine ätzenden Kommentare und lässt die schwarze mephistophelische Faust zittern. Wenn Schramm seinen Figuren die Zügel schießen lässt und sie sich ihren Ärger über alles und jeden in feurigen Reden von der Seele geifern, changiert die Stimmung tief ins Diabolische. Wer nicht aufpasst und in diesem gefährlichen Tümpel von Stammtischweisheiten den Geruch des ideologischen Brandstifters nicht wahrnimmt, verfällt glatt dem Phrasen dreschenden Plattitüden-Prediger, den Schramm anschließend ein Motivations-Programm „für Gewinner“ abspulen lässt, inklusive zerschlagenem Dachziegel. Vom Publikum gibt es für den vielen Text viel verdienten Applaus. – erschienen im Oktober 2004 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
0 Kommentare
|
Der Popwart
|