Helge Schneider legt ein ungebrochenes Tempo an kreativem Ausstoß vor. Die letzte CD, mit der der Musikclown kürzlich erst in der Tonhalle auf seiner Tournee Halt machte, erschien 2007, kurz zuvor erfreute er seine Fans bereits mit einem Roman. Und obgleich Schneider seit Ende 2006 durchgehend auf Tournee ist, hat er Zeit gefunden, schon wieder ein Buch abzuliefern. Es ist das mittlerweile Zehnte, das den Schreibtisch des 53-Jährigen verlässt. „Eine Liebe im Sechsachteltakt - Der große abgeschlossene Schicksalsroman von Robert Fork“ ist eine für Schneider typische Ansammlung von großartigen Absurditäten, ein krauses Gestrüpp aus Versatzstücken der Groschenliteratur, zwischen die Helge immer wieder ins völlig Irrwitzige oder plump Erotische abgleiten kann. Herrlich zu lesen und noch herrlicher zu genießen, wenn der Autor selbst aus seinem Werk liest. So geschehen im Savoy Theater, wo Helge vor fast ausverkauftem Haus durch die nicht vorhandenen Handlungsstränge um die Protagonisten Wolfgang Kollendorf, einem früheren Star-Chirurg mit tragischem Alkoholproblem, und seiner unglückliche Liebe Angelique Tessier pflügt, die sich leider direkt zu Beginn mithilfe eines Pferdes das Leben nimmt. Mit diesem Roman zwischen Schwarzwaldklinik und Hera Lind hat sich Helge Schneider nach dem Krimi, der Dokumentation und der Biographie auch noch das ganz seichte Genre erobert. Thematisch dem Vorgänger nicht unähnlich, damals ging es um die Bekenntnisse eines chilenischen Heiratsschwindlers, bereichert Helge sein aktuelles Opus vor Publikum um viele Requisiten, die das Vorlesevergnügen noch authentischer machen. Ein legeres Freizeithemd umhüllt dabei den schmächtigen Brustkorb, daran baumelt eine mächtige Sonnenbrille. Aus seinem 50er Jahre Köfferchen kramt Helge Buch, Lesebrille und Reisewecker hervor, letzterer soll ihm zur Pause ein Zeichen setzen: „Wir wollen ja alle schnell wieder nach Hause, nä?“. So lebt Helge Schneider zum Gläschen Wein sein Faible für Senioriges wieder ungehemmt aus, aalt sich im ältlichen Getue eines Opas, der seinen vielen Enkeln eine Gute-Nacht-Geschichte vorliest. Sein Vortrag ist natürlich durchsetzt von Albernheiten, er verstellt die Stimme, dichtet hinzu, kommentiert und zelebriert seinen ganz persönlichen bunten Abend. Die zweite Hälfte des Auftritts gerät ihm wie so oft erst richtig. Spontaner, geistreicher und schriller wird es, wenn er als „Robert Fork“ wahllos Sentenzen aus dem Buch zitiert, schräge Zusammenhänge erzeugt und diese wieder kümmerlich vor die Hunde gehen lässt. Zum Schluss dürfen dem Autor sogar Fragen zum Werk gestellt werden. Und wie es nur ein Helge Schneider kann, verwandelt er die unscheinbare Frage „Worauf bezieht sich der Titel?“ innerhalb eines Sekundenbruchteils in ein Sprungbrett für seine Antwort, die den Abend in einem lachenden Aufschrei enden lässt: „Der Titel bezieht sich auf - das Buch!“ – erschienen im März 2008 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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