Ein herrlicher Kindskopf – Helge Schneider live in Düsseldorf

2/2/2010

0 Kommentare

 
Normalerweise ist es ja Helge Schneider, der allen Leuten in seiner Gegenwart die Schau stiehlt. 

Schneiders Präsenz und seine unnachahmliche Art der „Gesprächsführung“ stellen auch erfahrene Bühnenkollegen üblicherweise binnen Minuten ins Abseits. Doch bei seinem Auftritt in der ausverkauften Tonhalle am Sonntagabend, diesmal unter dem Motto „Komm, hier haste ‘ne Mark“, gibt es tatsächlich jemanden, der den fast 55-Jährigen Helge Schneider in den Hintergrund treten lässt. Nur mit einem kleinen Plastikstuhl bewehrt, macht sich diese Person auf der Bühne zu schaffen und zieht binnen Sekunden sämtliche Augen auf sich. Doch richtig böse sein kann Helge seiner Konkurrenz sicher nicht - schließlich handelt es sich um seine kleine Tochter Frieda, die da mit ihren zweieinhalb Jahren hinter dem Papa herumturnt. 

Helge Schneider ist selbst immer noch ein herrlicher Kindskopf, er kaspert in seinem blauen Anzug und den im Seitenscheitel angeklatschten langen Haaren herum wie ein Clown, der im Kindergarten zu Besuch ist. Neben Vater und Tochter bevölkern die Bühne noch weitere ulkige Gestalten, von dem noch einigermaßen normal wirkenden Pete York am Schlagzeug, den schon etwas kauzigeren Rudi Olbrich am Bass und Jochen Bosak am Klavier über Gitarrist Sandro Giampetro in rot glänzendem Samtanzug und Zylinder („Er macht nebenher eine Ausbildung zum Totengräber“) bis zu Teekoch Bodo in Livree und Perücke („Könnte auch Haydn sein“).

Vervollständigt wird das Panoptikum der schrägen Vögel wieder von dem irrwitzigsten Menschen, den Schneider je ausgegraben hat, Sergej Gleithmann. Ihn und seine Performance angemessen zu beschreiben, ist schier unmöglich. Zu berichten, wie er mit seinem ZZ Top-Bart, Halbglatze und dem schulterlangem Resthaar in viel zu kleinen Nicki-Overalls oder Gymnastikanzügen tanzt, über die Bühne zappelt oder auch menschliche Kanonenkugel spielt, kann das Erlebte nicht angemessen einfangen.

Kopfschüttelnd und atemlos vor Lachen ist der Saal damit beschäftigt zu verstehen, wessen man da gerade ansichtig wurde. In den fast zweieinhalb Stunden zeigt Helge Kostproben von allem, was ihn in den vergangenen fast 20 Jahren berühmt gemacht hat: Sich selbst widersprechende Sätze, versägte Pointen, das Spielen des talentlosen Tänzers, Sängers und Anglisten („My english is good. Enough. For me“).

Nur wenn‘s um Musik geht, macht Schneider Ernst, seine Mitmusiker müssen bei Liedern wie „Fitze Fatze“, „Es hat gefunkt bei mir“ oder „Mood Indigo“ in Super-Zeitlupe stets auf der Hut sein, um dem Chef folgen zu können. Auch die mit Affen-Handpuppe gespielte Trompete oder seine Udo Lindenberg-Parodie holt Helge hervor, erzählt von einer Polarexpedition, die er 6,3 Zentimeter vor dem Ziel abbrechen musste, oder schildert Szenen einer Ehe in Berlin, „wo Frau Merkel ruft: Hol mir mal den Hornhauthobel“. Kaum zu glauben, dass Frieda so etwas jeden Tag erlebt.

– erschienen im Februar 2010 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf

Das hier rechts ist ein Link zu Amazon. 

Dort werden CDs von den Künstlern verkauft, über die ich hier schreibe. Wenn Sie über diesen Link etwas bei amazon kaufen, freut sich der Künstler, denn damit verdient er sein Geld. Und ich freue mich auch, denn ich bekomme eine Provision im einstelligen Cent-Bereich. 

Da ist keine Werbung? Dann hat Ihr AdBlocker zugeschlagen. Wenn Sie ihn abschalten, ist der Link auch wieder da.

0 Kommentare



Hinterlasse eine Antwort.

    Der Popwart
    Musikblog aus Düsseldorf

    Ich schreibe gern. Am liebsten über Musik, Konzerte und Kram. Manchmal für die Zeitung. Manchmal ungefragt.

    Impressum
    Mein Buch über
    Progressive Rock & Klassische Musik
    für 4,99€ 
    PDF Download

    Worüber ich schon geschrieben habe:

    Alle
    6-Zylinder
    Abdullah Ibrahim
    AC/DC
    Ace Frehley
    Adam Noidlt Missiles
    Alfred Biolek
    Alich Und Pause
    Altstadtherbst
    André Rieu
    Angelo Branduardi
    Annett Louisan
    Anton Webern
    Arctic Monkeys
    Ata Tak
    Ausbilder Schmidt
    Auto! Auto!
    Avril Lavigne
    Axl Rose
    Backyard Babies
    Barbara Schöneberger
    Bb-king
    Bela-bartok
    Ben Becker
    Bobby McFerrin
    Branford Marsalis
    Brian Setzer
    Bushido
    Butcher Babies
    Carolin Kebekus
    Cat Stevens
    Charlotte Roche
    Chick Corea
    Chris Norman
    Christian Jost
    Christoph Maria Herbst
    Cirque Invisible
    Cream
    D-A-D
    Daliah Lavi
    David Copperfield
    Deep Purple
    Dick Brave
    Die Prinzen
    Dieter Hildebrandt
    Dieter Nuhr
    Dweezil Zappa
    Edvard Elgar
    Ennio Marchetto
    Ensemble Notabu
    Esbjörn Svensson Trio
    Eure Mütter
    Faiz Ali Faiz
    Familie Popolski
    Fanny Hensel
    Felix Mendelssohn Bartholdy
    Free
    Fury In The Slaughterhouse
    Gayle Tufts
    Georg Schramm
    Gerd Dudenhöffer
    Gerd Weismann
    Gerhard Oppitz
    Gewandhaus Quartett
    Giuseppe Verdi
    Götz Alsmann
    Green Day
    Gustav Mahler
    Gustavo Dudamel
    Harlem Gospel Singers
    Hector Berlioz
    Helge Schneider
    Helmut Lotti
    Hermann Van Veen
    Howard Skempton
    Hugo Strasser
    Ina Müller
    In Extremo
    Ingo Appelt
    James Brown
    Jan Delay
    Jango Edwards
    Jens Heinrich Claassen
    Joan Baez
    Johannes Brahms
    Johann Sebastian Bach
    John Lennon
    Joja Wendt
    Jon Gomm
    Jörg Knör
    Juilliard String Quartet
    Jürgen Becker
    Kaya Yanar
    Kelly Rowland
    Kiesgroup
    Kimmo Pohjonen
    Kim Wilde
    KISS
    Klaus Lage
    Konrad Beikircher
    Kory Clarke
    Liza Minelli
    Louis Armstrong
    Luciano Pavarotti
    Ludwig Van Beethoven
    Maceo Parker
    Manni Breuckmann
    Mario Adorf
    Marius Jung
    Mark-Andreas Schlingensiepen
    Markus Stockhausen
    Mathias Tretter
    Matthias Richling
    Max Goldt
    Max Greger
    Max Raabe
    Meret Becker
    Metallica
    Michael Hirte
    Mireille Mathieu
    Mischa Maisky
    Missfits
    MonaLisa Twins
    Morimur
    Mozartband
    Mustasch
    Nana Mouskouri
    Neil Diamond
    Nelly Furtado
    Nick Drake
    Nigel Kennedy
    Oskar Gottlieb Blarr
    Pat Metheny
    Patti Smith
    Paul Kossoff
    Paul Kuhn
    Paul Panzer
    Paul Potts
    Paul Rodgers
    Peter Kraus
    Peter Maffay
    Peter Ustinov
    Peter Weiss
    Pharrell Williams
    Pink Floyd
    Ponticellos
    Pur
    Queen
    Queen Bee
    Ragna Schirmer
    Ramones
    Reginald D. Hunter
    Return To Forever
    Robert Cray
    Roger Cicero
    Roger Waters
    Roger Willemsen
    Rolling Stones
    Ronan Keating
    Schnellpoptopf
    Serdar Somuncu
    Sergej Rachmaninow
    Shakira
    Shlomo Mintz
    Sissy Perlinger
    Slipknot
    Soil & Pimp Sessions
    Sol Gabetta
    Sonderjyllands Symfonieorkester
    Spandau Ballet
    Stephen K Amos
    Stromae
    The Calling
    Them Crooked Vultures
    The Tiger Lillies
    The Who
    Thomas Battenstein
    Thomas Freitag
    Tom Gaebel
    Tori Amos
    U2
    Udo Jürgens
    Ukulele Orchestra Of Great Britain
    Unheilig
    Vintage Caravan
    Warrior Soul
    Winery Dogs
    Wolfgang Amadeus Mozart
    Yo-Yo Ma
    Yusuf Islam

Powered by Create your own unique website with customizable templates.
Der Popwart: Musik-Nerdism und ungefragte Reviews