Zurzeit scheint es in den Köpfen des Publikums einen gesteigerten Wunsch nach Zucht, Ordnung und Drill zu geben. Erste Anzeichen liefert wieder einmal das Fernsehen, wo man mit Erstaunen Zeuge werden kann, wie sich junge Menschen wiederholt von Tanzlehrer-Darstellern sympathiefrei in choreographische Schranken verweisen lassen. Früh erkannt hat diesen Trend auch der Comedian Holger Müller für seine Rolle als Ausbilder Schmidt. In verwaschenem Kampfanzug der Bundeswehr mit Koppel, rotem Barret, Sonnenbrille und dicker Zigarre lässt er die Zuschauer bei seinem Auftritt im Savoy Theater zum Appell antreten und verlangt ihnen als Erstes einige Disziplinübungen ab. Auf seinen aufmunternden Zuruf „Morgen, ihr Luschen!“ sei zum Beispiel kraftvoll mit „Morgen, Chef!“ zu antworten. Derart in Reih und Glied gebracht, beginnt ein Abend voll derber Späße auf Kosten der Lieblings-Feindbilder von Ausbilder Schmidt: Studenten, Langhaarige, Schwule, Ökos und Pazifisten. Aber auch Lehrer, Emanzen und Senioren nimmt er gern und oft durch seine oliv-grüne Brille aufs Korn. Mit unverhohlenem Spaß weidet sich Ausbilder Schmidt an diversen Vorurteilen und zeigt enormen Einfallsreichtum im Praktizieren von „political un-correctness“. Für so ziemlich jedes seiner vielen Feindbilder hat Schmidt seine ganz eigenen Ideen, die er in seinem bundeswehrtypischen Ausbilder-Gebrüll darlegt, sei es etwa das Bekehren von Pazifisten zu Schlägern oder das Spielen von „Schiffe versenken“ mit Alzheimer-Patienten. Um dem sich glänzend amüsierenden Publikum eine Verschnaufpause zu gönnen, hat Schmidt zwei Gäste im Programm: seinen von ihm eingeschüchterten und gehemmten Zivi Matthias Jung, der mehrere Einblicke in das langweilige Leben seiner Provinzheimat Hüffelsheim gibt, und den „unglaublichen Heinz“ Gröning, der seinem Künstlernamen mehr als alle Ehre macht. Nach eigenen Angaben eine Mischung aus einem zu stark behaarten LKW-Fahrer und einem grobschlächtigen kaukasischen Mafia-Vollstrecker verberge er in sich einen sensiblen Poeten, der auch Teletubbies zurückwinke. Dies untermalt Heinz mit dem namensgebenden, schier unglaublichen Körpereinsatz und einer beinahe schon erschreckenden Laszivität, die den Saal vor Lachen kaum Luft bekommen lassen. Nach so einer Performance wünscht man sich schnell die starke Hand des Ausbilders zurück, dass er uns um drei Uhr früh wecken und ins Manöver schicken möge. Nur damit wieder Zucht und Ordnung herrschen. – erschienen im März 2004 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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