Männerabend mit LKW-Reifen. Mustasch live im FZW Dortmund

13/5/2016

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Hach, wie schön ist es mit anzusehen, wenn Rockstars und ihre Fans ein inniges Verhältnis pflegen.

​Wenn sie sogar ihre ganz eigenen, liebevollen Rituale über die gemeinsamen Jahre hinweg entwickelt haben und diese Männerfreundschaft miteinander zelebrieren. Zuletzt zu erleben beim Konzert von Mustasch auf ihrer “Testosterone”-Tour im FZW Dortmund:
Prost, Ihr Säcke!
​– Prost, Du Sack!
Ja, wie man in den Saal hineinruft, so schallt es fröhlich zurück. Und Ralf Gyllenhammar, Gitarrist, Sänger, Eurovisions-Vorentscheids-Siebter(!) und selbstproklamierter “König der Bühne”, ruft gern und viel in den Saal. Vor allem das zitierte Wohlsein, welches die rund 300 Fans erfreut retournieren. Passende Getränke stehen auf der Bühne schon ausreichend parat: Wasser, Bier, jaja, kennen wir. Aber für die feinen Herren ist sogar ein Weinchen dekantiert, steht in Plastikbechern von den Mundschenken (vulgo: Roadies) mundgerecht eingeschenkt. Wein in Plastikbechern. Soviel Rock’n’Roll muss sein. Aber diese Auswahl reicht den vier Schweden immer noch nicht, sie gehen zwischenzeitlich nochmal Nachschub an der Bar holen. Dazu später mehr.
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Nachdem wir uns zuletzt ja mit einer Höchstdosis an weiblichen Attributen beschäftigt haben, sind heute - wir sind ja gender-ausgewogen - die Jungs dran. Und Mustasch sind ein ganz gut passender Komplementär-Entwurf zu den Butcher Babies. Mächtig Dekolleté, lange Haare und ordentlich Schminke dort - stramme Bärte, große Tattoos und Motorenlärm hier. Dazu noch Leder, Jeans und E-Gitarren, fertig ist das männliche Stereotypen-Klischee. Gemeinsam ist ihnen immerhin die musikalische Arbeit am Schwermetall.

Mit profilierter Haupt- und Gesichtsfrisur steht neben Ralf Gyllenhammar das aktuelle Line-up mit Robban Bäck (Schlagzeug), David Johannesson (Lead Guitar) und - auf Socken - Stam Johansson (Bass) auf der Bühne.

​Los geht’s mit “Never Too Late” und “Down In Black”, anschließend fliegen uns “Be Like A Man” und “Mine” um die Ohren, bevor mit “Thank you For The Demon” einen kleinen Gang runtergeschaltet wird. Dem Kenner fällt auf, unter den ersten Songs war erst einer vom aktuellen Album dabei. Von den 16 Songs der Setlist werden es am Ende gerade mal drei sein. Der Rest ist ein stabiler Best-Of Karriere-Querschnitt.
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zzgl. “Parasite” & “Black City” als Zugaben
Stilistisch stehen Mustasch dabei seit jeher knöcheltief im Hardrock, brechen aber die harte Schale immer wieder mit Genre-fremden Elementen auf. Da brodelt auch mal ein Dubstep-Bass daher (Be Like A Man), tropfen traurige Klaviernoten herunter (Yara’s Song) oder es flitzen Disco-Streicher über die Gitarren-Riffs (Double Nature). Der ek­lek­ti­zis­tische Mix funktioniert wunderbar, fügt sich homogen zu einem druckvollen Macho-getränkten Gesamtsound.

​Zwischendrin ist sogar noch Zeit, eine Idee für einen neuen Song auszuprobieren. In eine Plauderei über Manowar wirft David Johannesson plötzlich ein derbes Riff ein, dass sich Ralf Gyllenhammar direkt mal zeigen lässt und zudem dann auch noch spontan Drums und Bass die Ohren aufstellen und mit einsteigen. “Remember where you heard it first!” ermahnt der 49-jährige Gyllenhammar uns in Andeutung daran, dass sie darauf nochmal zurückkommen und einen Song schnitzen wollen. Sogar einen Titel hätte er schon im Kopf:

"Alles gut, alles klar, wir fahren auf der Autobahn"

Soviel kreative Arbeit macht offenbar durstig. Während des folgenden Songs hüpfen David Johannesson und Stam Johansson kurzerhand von der Bühne und spazieren - ihre Instrumente spielend - zur Bar, um für die Band Schnaps zu besorgen. Entsprechend ausgerüstet geht’s zurück, Kopp in’ Nacken und weiter im Set. Kurz vor Schluß wird sich auch Gyllenhammar nochmal auf den gleichen Weg machen. Noch Fragen?
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Und das, obwohl im Programm eigentlich sogar eine regelkonforme “Bier-wegbringen-und-holen”-Pause eingebaut ist: Das Schlagzeug-Solo. Relikt aus frühen Metaltagen, hier feiert es fröhliche Urständ’.

Nun ist das hier aber ein vielschichtigeres Problem. Nicht nur ein Schlagzeugsolo an sich ist diskussionswürdig, auch das verwendete Instrument ist ein entscheidender Punkt. Denn standesgemäß traditionell bemisst sich die Männlichkeit von Rock-Schlagzeugern zum einen an der Anzahl der Trommeln ihres Kits (viel hilft viel) und zum anderen an deren Durchmesser (the bigger the better). Sogar das verwendete Material wichtig. Holz ist gut, viel Holz ist besser. Aber auch zu Chrom oder Edelstahl wurde gerne gegriffen (Yes, I’m looking at you, Carl Palmer). Mal ganz abgesehen von der Menge und Größe der Becken.

Der Herr Bäck dagegen spielt ein E-Drumset. Hm. Tja. Das ist weder das eine noch das andere. Kleine, flache Kunstoffpads, Becken-Imitate aus schwarzem Plastik. Das kommt alles nicht so souverän daher. Aber immerhin sind die Dinger praktisch. Wenige, leichte Teile, die, einmal angeschlossen, immer zuverlässig den eingestellten Sound liefern. Aber eine Band, deren Name und aktueller Album-Titel, Song-Themen so wie der Musikstil, modischer Style und das allgemeine Gebaren stabil auf Virilität setzt - da gehört ein “praktisches” elektrisches Schlagzeug nicht dazu. Cool ist das nicht.

Es sei denn, man veredelt das Teil in bemerkenswert-schlichter Stilsicherheit und zwei günstigen Accessoires zu einem mehr als männlichen Aushängeschild: LKW-Reifen. Zwei der großen Gummigeräte vorne rechts und links drangeschraubt, mimen die dicken Dinger erfolgreich die 24-Zoll- Double-Bassdrum, verstecken den unmännlichen und un-Rock’n’Roll-igen Elektro-Verhau und sind obendrein noch in ihrer feinen ironischen Übersteigerung Augenzwinkerndes Extra-Schmankerl. Kann man nur lieb haben, so eine Idee!
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Und so endet nach zwei Zugaben ein sehr kurzweiliger Abend mit Mustasch. Gerne hätte man sich das Ganze direkt nochmal angetan, aber immerhin stehen die Vier Anfang Juni nochmal auf der Festivalbühne auf der Loreley. Wo wir natürlich wieder dabei sein werden. Prost, Ihr Säcke!

www.mustasch.net
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