Die Sage will es, dass der fliegende Holländer auf ewig mit seinem Schiff die Weltmeere besegeln muss, bis ihn die Liebe einer Frau schließlich von seinem untoten Schicksal erlöst. André Rieu, Niederländer und Schmusegeiger, hat seiner aktuellen Tournee eben jenen Titel „Der fliegende Holländer“ gegeben. Allerdings wird Rieu sicherlich nicht allzu weit segeln müssen, um sich der Fluch aufhebenden Zuneigung zahlloser Damen zu versichern, vermutlich könnte er dazu sogar in seinen heimatlichen Grachten in Limburg bleiben. Beim Konzert in der fast ausverkauften Philipshalle ist dies nicht anders, fast greifbar liegt die Verehrung der Besucher in der Luft. Schriftlich ergeht sogar die freundliche Weisung ans Publikum, Geschenke und Blumen doch bitte erst bei den Zugaben zu überreichen. Beim Einmarsch der Musiker in die Halle, Rieu folgen 40 winkende Musiker in Frack und bunten Bonbon-Kleidchen, dröhnt Julius Fuciks „Einzug der Gladiatoren“ aus den Lautsprechern. Wann genau die vorbereitete Klangkonserve von der live auf der Bühne gespielten Musik abgelöst wird, kann man schwer nachvollziehen, zu Hochglanzpoliert und mit viel Hall versüßt klingt das, was in die Ohren perlt. André Rieus Geigenspiel geht darin sogar komplett unter. In dem mehr als zweistündigen Programm ist sein Instrument lediglich in wenigen Soli und Duetten hörbar, insgesamt vielleicht für gute 40 Sekunden. Dass der 56-Jährige es dabei mit der Intonation nicht ganz so genau nimmt, sieht man ihm nach, vielmehr bringen einen die merkwürdigen Tempi seiner Walzerbearbeitungen aus dem Tritt. Da wird munter verzögert und beschleunigt, dass er es schafft, sogar der rundesten aller Musik noch ein paar Ecken zu verpassen. Natürlich drückt er auch ordentlich auf Herz und Tränendrüse, stilisiert Kleinigkeiten zu Höhepunkten, ist ganz Speerspitze der Kuschelklassik. Aber sei’s drum. Was man dem Kronprinzen der Walzerkönige zwischen Johann und Blumenstrauß wirklich anerkennen kann, ist seine Selbstironie. Mit viel Augenzwinkern nimmt er sich selbst und sein Publikum gern und oft auf die Schippe. Nach Partyscherzen á la Melodien-Gurgeln oder choreographiertem Hoppsassa im Orchester, vermutet er etwa schelmisch, dass nicht wenige im Saal schon die Premiere des „Bummelpetrus“ von 1921 selbst erlebt hätten, wofür er großes Gelächter erntet. Das muss man ihm lassen, der war nicht schlecht. Punkt für Herrn Rieu. – erschienen im April 2005 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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