Wenn eine erfolgreiche Fernsehserie nach der Sommerpause auf den TV-Schirm zurückkehrt, ist die Freude bei den Fans zumeist sehr groß und der Zuspruch entsprechend hoch. Nun ist es sicher nicht vermessen, auch Ludwig van Beethoven für den Bereich der klassischen Musik als einen solchen Straßenfeger zu bezeichnen, dessen Werke sonst in den Sälen blind für angemessene Zuschauerzahlen sorgen. Beim ersten Konzert des weiter geführten Zyklus aller Streichquartette Beethovens sehen sich die Musiker des Juilliard String Quartet nach ihrer Sommerpause dennoch nur einer vielleicht „familiär“ besetzten Tonhalle gegenüber. So bleibt man, einem Zirkel der Eingeweihten ähnlich, mit den Schöpfungen Beethovens gewissermaßen unter Freunden. Aus den biografischen Notizen über Beethovens Verhältnis zu den „Quartetten“ weiß man aber, dass so eine vertrauliche Begegnung vielleicht gar nicht so unpassend ist. Gegenstand des Abends sind drei Werke, jeweils eines aus den großen Schaffensperioden. Joel Smirnoff (Violine), Ronald Copes (Violine), Samuel Rhodes (Viola) und Joel Krosnick (Violoncello) kommen ohne viel Aufhebens schnell zur Sache und stellen mit dem Streichquartett Nr. 12 Es-Dur op. 127 direkt ein großes Spätwerk in den Raum. Gerade den letzten fünf Streichquartetten opp. 127 bis 135 haftet immer noch der Nimbus eines schwer zugänglichen und quasi heiligen Orts an. Davon unbeeindruckt spielen die vier Amerikaner indes mit entschlossenem Griff und selbstbewusster Klarheit auf. Hätten sie von op. 127 nur das Scherzando gespielt, es hätte gereicht, als interpretatorisches Meisterstück durchzugehen. Nach den leichteren Klängen des frühen Streichquartetts Nr. 2 G-Dur op. 18,2 die die schwer wiegenden Brocken des Spätwerks kontrastieren, reißen die vier Musiker den ersten Satz des zweiten Rasumowsky-Quartetts, Nr. 8 e-moll op. 59, mit seinen zwei energischen Akkordschlägen auf. Die folgenden raschen Läufe steigern die Juilliards zu einem heftigen wie heiseren Wind über die russische Tundra. Auch von dem viel beschworenen Strukturverständnis des Ensembles erhalten wir einen Eindruck. Die Formteile innerhalb der Sätze könnten selbst mit hochgehaltenen Schildern wohl kaum deutlicher gemacht werden. Zum Dank gibt es langen, freundschaftlichen Applaus. – erschienen im November 2004 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
0 Kommentare
Hinterlasse eine Antwort. |
Der Popwart
|