„Ich freue mich sehr über Ihr Interesse, einen älteren Herrn einmal aus der Nähe sehen zu wollen.“ Eine durchaus angemessene Freude ist es, die Udo Jürgens bei seinem Auftritt in der Philipshalle da äußert. Und ganz unschuldig ist er nicht daran. Vor ausverkauftem Haus steht er im schicken schwarzen Anzug mit rotem Einstecktuch und beweist, dass er auch mit 75 Jahren noch viel zu bieten hat. Nach einer ouvertürenartigen Eröffnung sitzt der erfahrene Chansonnier, plötzlich wie aus dem durch grelle Scheinwerfer und Nebel inszenierten Nichts erschienen, an seinem Flügel und eröffnet den Abend mit dem Titelsong seiner aktuellen CD „Einfach ich!“. Deren Lieder bilden den Kern der ersten Konzerthälfte, die er mit dem ihm seit langen Jahren assistierenden Hochkarat-Orchester Pepe Lienhard präsentiert. Es sind überwiegend wieder großformatige Chansons, die Udo Jürgens geschrieben hat, gewürzt mit melodramatischem Bläsersatz und Texten, die sehr auf poetische Bilder im 16:9-Format setzen. Da hagelt es Wahrheiten, die eine beinahe magische Nähe zur Binse aufweisen. Die klimatischen Entwicklungen etwa subsumiert er mit dem Songtitel „Tanz auf dem Vulkan“, die Wirtschaftskrise bringt er auf die Formel „Gier nach zu vielen Dingen, die wir nicht brauchen“. „Liebe ist stärker als wir“ oder „Letzte Ausfahrt Richtung Liebe“ sind weitere Beispiele für diese neuere Jürgens‘sche Poesie. In seinen sonst angenehm kultivierten Moderationen grantelt er ab und zu ein wenig engstirnig vor sich hin, fühlt sich offenbar gestört, wenn einmal ein zustimmender Pfiff ertönt oder die Düsseldorfer im Saal bei der Erwähnung des Lieblingsfeindbildes Köln vernehmlich stöhnen. Auch als die Menschen nach der Pause rasch an den Bühnenrand gelaufen kommen, ist im Gesicht des Herrn Jürgens gequälte Unbequemlichkeit zu lesen. „Das ist zu früh. So wird das Singen der ruhigen Lieder für uns jetzt zu einer fast unlösbaren Aufgabe.“ Tja, andere Bühnenarbeiter gäben ihren rechten Arm, dürften sie nach gut 50 Jahren im Showgeschäft immer noch solche Begeisterung für sich verbuchen. Aber sei‘s drum, gerne sehen wir ihm das alles nach, der Mann ist durch sein Lebenswerk bereits über jeden Zweifel erhaben. Zu gut in Form ist er außerdem an diesem Abend, liefert seinen Fans ein hervorragendes Konzert, eindrucksvolle Video-Projektionen inklusive. Und natürlich singt er die Songs aus früheren Tagen, nach denen die Zuschauer dürsten. Für „Ein ehrenwertes Haus“ entledigt er sich kurzerhand seiner Schuhe, „Ich war noch niemals in New York“ bekommt ein umfängliches Medley aus New Yorker Swing-Melodien. Den Schlußpunkt vor den Zugaben, ein Potpourri der Klassiker „Mit 66 Jahren“, „Aber bitte mit Sahne“ und „Griechischer Wein“, feiert beinahe der gesamte Saal stehend. – erschienen im November 2009 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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