Er erinnert ein bisschen an ein Denkmal, so wie er da auf der Bühne steht. Etwas streng, sehr aufrecht, das Kinn leicht angehoben und die Violine vor sich gehalten, blickt ein ernster Shlomo Mintz während der einleitenden Takte des Violinkonzerts op. 61 D-Dur von Ludwig van Beethoven in die Tonhalle. Erst unmittelbar vor seinen Einsätzen löst er sich aus der statuenhaften Starre und musiziert dann mit ausufernder Leichtigkeit und Noblesse. Sein Ton ist edel und ungemein weit tragend, noch im Rang sind alle Nuancen seines Spiels deutlich vernehmbar. Natürlich sind die technischen Ansprüche des Soloparts längst keine Herausforderung mehr für ihn. Befreit von fingertechnischen Limitierungen zeigt Mintz sein samtenes Legato, das sich in den chromatischen Passagen des ersten Satzes auch gerne freundschaftlich an die Schulter des Glissando lehnt. Mintz spiegelt in seinem Spiel den Charakter des Soloparts wider, indem er sehr konzentriert und ohne vordergründige Effekte arbeitet. Er kommt schnell zur Sache und hält sich gar nicht erst mit Nebensächlichkeiten auf. Gleich gesinnte Unterstützung erfährt er von den Düsseldorfer Symphonikern unter GMD John Fiore, die das Beethoven-Konzert im Rahmen des Programms „Wiener Schulen“ zum ersten Mal mit ihm in Düsseldorf präsentieren. Den Musikern gelingt es, nicht aus Versehen die schmale Linie zwischen angebrachter Ernsthaftigkeit und unzeitiger Trauer zu übertreten. Insbesondere im zweiten Satz (einem recht schwer ausgelegten Larghetto) erhält Fiore im Orchester die Kohäsion aufrecht, die Shlomo Mintz eine berückende Bühne für sein Spiel bereitet. Bevor aber dem Primus der klassischen Wiener Schule ein Besuch abgestattet wurde, warf man mit Anton Weberns Sechs Stücken für Orchester op. 6 und Arnold Schönbergs Verklärte Nacht op. 4 noch einen Blick auf die Ober-Primaner der Abschlussklasse aus der zweiten Wiener Schule. Sowohl für Weberns Klang gewordene Unangemessenheit der Mittel als auch speziell für Schönbergs üppige Gefühlsachterbahn brachte John Fiore seine Arme gerne in Schaufelrad-Bewegungen, um den Musikern den ganzen innewohnenden Gestus abzuverlangen. In Zeiten von Pisa-Studien und Schulreformen darf man hier beruhigt feststellen: Das Klassenziel ist umfassend erreicht. – erschienen im Dezember 2004 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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