Dass Dieter Nuhr nicht den ehedem angestrebten Beruf des Lehrers ergriff, hat einen schlichten Grund. „Immer nur vor 30 Leuten auftreten? Nee...“ In der Düsseldorfer Tonhalle ist diese Sorge um mangelndes Publikum indes unnötig, der Saal ist längst ausverkauft. Den gespannten Zuschauern tritt Dieter Nuhr wie immer lässig in Jeans und T-Shirt entgegen, auf der Bühne steht sonst nur noch ein hüfthohes Pult mit einem kleinen Stoß Papier. Das reicht dem 50-Jährigen, um einen humorreichen und sehr vergnüglichen Abend zu gestalten. Dieser beginnt mit ein paar aktuell aufgegriffenen Themen wie dem „perforierten Düsseldorf“, in Anspielung auf das Loch unter dem Tausendfüssler. Man müsse sich seiner Ansicht nach aber auch nicht in allen baulichen Dingen an den Kölnern orientieren. Nicht unerwähnt lässt er auch die publik gewordenen Geheimdokumente des WikiLeaks, deren Brisanz er aber mit einigen bösen Anekdoten in Frage stellt. Jörg Kachelmann stünde gerade vor Gericht, hätte er von dort erfahren, Jopi Heesters sei mit 107 nun endlich Nichtraucher geworden und Guido Westerwelle würde sogar in Wohngebieten hupen. Damit ist Nuhr bereits inmitten seines eigentlichen Themas angekommen, seiner Essenz des gut zweistündigen Programms „Nuhr die Ruhe“. Es ist ihm offensichtlich ein Anliegen, den Menschen mehr Besonnenheit und Abstand zu den angeblichen Problemen unserer Zeit zu vermitteln. Er wolle den immer schneller und lauter werdenden Nachrichten um Terrorangst, Stuttgarter Bahnhofsvisionen und Klimakatastrophe einmal zwei Stunden entspannter Ruhe entgegensetzen. Zumal das ganze mediale Bohei ohnehin nur Anzeichen überspannter Panikmache sei. Er selbst könne gar keine Panik mehr aufbringen, dafür habe er bereits zu viele Weltuntergänge überlebt. In seiner Jugend war es das Waldsterben, gefolgt vom Ozonloch, später kamen Gentechnik, Rinderwahnsinn, der Klimawechsel und natürlich die Schweinegrippe hinzu. Mit einem spitzbübischen Lächeln winkt Nuhr ab und fragt in den Saal, was denn eigentlich aus der Schweinegrippe geworden sei. Ob man sich etwa Sorgen um die arme Grippe machen müsse? Jenseits der Schreckenshetze in den Zeitungen macht sich Nuhr in seinem Programm zur tiefenentspannten Stimme der Vernunft, mahnt bei Themen wie Untergangsangst und überbesorgter Kindererziehung heitere Ruhe und buddhistischer Gelassenheit an. „Machse Dich nich verrückt, Schätzelein“ ist die treffende, wenn auch nur halb so eloquente Paraphrase des Kollegen Kerkeling/Schlämmer. Gern bringt Nuhr seine Pointen gar nicht selbst zu Ende, gibt stattdessen nur ein paar Bruchstücke seiner Gedanken preis, die sich dann in den Köpfen zusammenfügen. Wenn sich seine Ausführungen dabei zum Beispiel um die Parallelen zwischen Wladimir Putin und Angela Merkel drehen und er über die Vorliebe für die Zurschaustellung des eigenen nackten Oberkörpers sinniert, bricht Nuhr mit angewidertem Gesicht ab und der Saal in schallendes Gelächter aus. In diese süffisante Stimmungslage passen noch weitere Geschichten, in denen auch mal der Papst mit Benzinkanister über die Autobahn zur Tankstelle spazieren muss, weil Beten allein nicht den Tank füllt. Ein abschließendes Krönchen setzt Dieter Nuhr seinem ohnehin erfolgreichen Auftritt mit der Zugabe auf. „Ich packe nur ein“, feixt er beim Zusammenräumen seiner Notizen und dem Leeren des Wasserglases. Die Zugabe wäre bereits drin gewesen, jetzt habe er nichts mehr. Was natürlich Quatsch ist und er den erfreuten Besuchern noch aus seinem neuen Buch vorliest. Dass Dieter Nuhr nicht Lehrer geworden ist - wir können froh darüber sein. – erschienen im Dezember 2010 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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