Vielleicht ist es der in seinen Genen schlummernde Wesenszug des „british understatement“, der Mark-Andreas Schlingensiepen stets ohne großes Aufheben die Um- und Abräumarbeiten auf der Bühne erledigen lässt. Auch beim zweiten Konzert der Kammermusikreihe „Na hör’n Sie mal!“, die Schlingensiepen mit dem ensemble notabu in der Clara-Schumann-Musikschule veranstaltet, kann man den künstlerischen Leiter wieder bei seinen ordnenden Gängen über die Bühne beobachten. Es ist dabei nur konsequent geschlussfolgert, dass er für seine Kollegen nicht nur Stuhl und Pult zurechtrückt, sondern ihnen auch selbst die Musik schreibt, die von den Notenständern gespielt werden soll. Und so steht bei diesem zweiten Konzert neben Werken von Toshio Hosokawa und Luciano Berio auch die Uraufführung von Mark-Andreas Schlingensiepens „Totentanz“ auf dem Programm. In Anwesenheit seines Mentors und Förderers Günther Becker erklärt Schlingensiepen mit sympathischen Worten die Konzeption und Struktur seines Werkes, ohne „zu viel verraten zu wollen“, wie er spitzbübisch anmerkt. Angeregt zur Komposition habe ihn eine Bilderwand aus 24 Zeichnungen des ebenfalls anwesenden Künstlers Felix Seiler. Vier dieser Bilder, die abstrahierte, halbtransparente menschliche Gestalten zeigen, umrahmen die vier Musiker Aki Komiyama (Violine), Dorothee Matthes (Cello), Christoph Hilger (Klarinette) und Grzegorz Stopa (Akkordeon). Schlingensiepen hat aus den Bildern Seilers 24 Miniaturen geschaffen, deren Reihenfolge in jedem Konzert durch die ausführenden Musiker mit „künstlerischer Verantwortung“ festzulegen ist. Lediglich den Beginn und das Ende sind in der Partitur des „Totentanz“ bestimmt. Nach einem flüchtigen Beginn aus schwirrenden Höhen bewegen sich die Stimmen mal eng verzahnt, mal entfernen sie sich voneinander, man hört schwere Schritte und schwer atmende Instrumente, doch bei aller morbider Konnotation schwelgt die Musik auch immer wieder in den Erinnerungen an den Tanz. Lebhafter Applaus für einen Totentanz inklusive Stühlerücken. – erschienen im Dezember 2004 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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