Andrea Bongers und ihre Partnerin mit den grandiosen Namen Katie Freudenschuss nehmen sich bei ihrem Auftritt im Savoy Theater eines der ganz großen Mysterien an. Ein im Nebelschleier männlichen Unverständnis gediehenen Phänomens, das an diesem Abend zwar gründlich untersucht wird, sich aber doch der endgültigen Klärung nach wie vor verschließt. Die Rede ist von dem einzig echten Spiegel der weiblichen Seele, dem Mode gewordenen Ausdruck von innerer Befindlichkeit und unmissverständlichem Signalgeber der tragenden Persönlichkeit: Wir reden über Schuhe. Damenschuhe, genauer gesagt. Unter dem Titel „Schuh Mädchen Report“ verwandeln Bongers und Freudenschuss die Bühne des Savoy in einen begehbaren Schuhschrank und vollziehen vor gut 400 Zuschauern einen - den knapp namensgleichen Enthüllungsstreifen der frühen 70er angemessen - umfassenden „Sohlen“striptease, der kaum eine Facette der Beziehung zwischen Frau und Fuß unberücksichtigt lässt. Die deutlich erhöhte Frauenquote im Saal ist auf Nachfrage von Andrea Bongers auch entsprechend vorbereitet. Offenbar hat frau sich durchaus ein bisschen mehr Zeit vor dem Schuhregal genommen und den Abend zum Anlass genommen, mal ganz tief in die hochhackige Trickkiste zu greifen. Mit Erfolg: Neben was Bequemem mit Riehmchen sehen wir auch 13 cm Monster mit feuerroten Absätzen. „Die sind geil!“ entfährt es Andrea Bongers spontan. Hinsichtlich seiner Schuhe sei auch jemand ganz anderer ein sündiges Kerlchen, wie Katie Freudenschuss einwirft: „Der Papst trägt rote Prada Schuhe! Und seine Schuhsäckchen sind wahrscheinlich Kondome von Gucci.“ Und sonst bei den Herren? Hier herrscht die kategorische Präferenz des Praktischen vor. Dagegen ist auch die ganze missionarische Kraft des Abends machtlos. Es ist ein heiterer Reigen von Charakteren, denen Andrea Bongers entsprechendes Schuhwerk zugeordnet hat. Da ist die Hamburger Hure Roxy, die in ihren mopsigen Moonboots über eine Affäre mit einem Musiker in Plattdeutsch daherschnoddert. Dieser hätte ihr sogar ein Lied geschrieben, womit sie „Roxanne“ von Police anstimmt, umgetextet zu „Roxy“. Dann ist da eine kölsche Fußpflegerin in weissen Gesundheitsschluppen, die über ihre Vergangenheit als Stripperin sinniert. Als sie während Umbaumaßnahmen an den Baugerüsten „dran rumjeschuppert“ sei, hätte sie damit quasi den Stangentanz erfunden. Zwischendurch erfährt man dann noch Wissenswertes wie: „Bei Erkältung hilft es, dreimal in fremde Schuhe zu schneuzen“! Später begegnen wir einer Landpomeranze im Gummistiefeln aus Bayern, zwei in weissen Lederstiefeletten daherpolternden Asi-Mädels, einer hochnäsigen Bankergattin in Stuart Weitzmans, die nichts kann, aber zu allem eine Meinung hat, sowie der österreichischen Fußfetischismus-Expertin, die in blutroten Plateaustiefeln ihr Fachgebiet erläutert. Ihr Opfer ist Heinz, eine fast lebensgroße Puppe, gespielt von Bongers, die glänzend den Typ des leicht trotteligen und spießigen Mannes darstellt. Zwar hat Heinz als Schuster eine ebenfalls enge Beziehung zu Schuhen, so richtig verstehen wird es aber wohl nie mehr. Nach gut zwei Stunden endet der Schuh Mädchen Report mit einem Hit-Medley zu Ehren des Damenschuhs, doch in Summe bleibt der Abend hinter den Erwartungen zurück. Die einzelnen Nummern sind drollig und von zwei Künstlerinnen ausgeführt, die wissen, was sie tun, doch richtig herzhaftes Lachen hört man im Saal eher wenig. – erschienen im August 2010 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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