Das Gefühl kennt sicher jeder Autofahrer, dessen Wagen mal nicht anspringt, kaputt geht oder durch anderweitig zickiges Fahrverhalten den Unmut des Lenkers auf sich zieht. Zu gerne möchte man dem störrischen Fahrgerät dann mit beherzten Tritten wieder Manieren beibringen. Christian von Richthofen und Kristian Bader scheinen von ihren Kraftfahrzeugen in besonderem Maße enttäuscht worden zu sein, denn sie zelebrieren in ihrem Bühnenspektakel "Auto Auto!" das Treten, Schlagen und Zerlegen eines Kompaktklasse-Wagens mit derart lustvoller Hingabe, dass man kaum mehr überschäumende Affekte als einzige Erklärung anführen mag. Gegenstand ihrer Verkehrserziehung der besonderen Art beim Altstadtherbst im Isis-Zelt ist ein Opel Kadett E. Doch angeblich sei es weniger die besonders hohe Verfügbarkeit des Kadetts an den hiesigen Schrottplätzen, die dieses Modell zum bevorzugten Instrument der beiden Musiker und Schauspieler werden ließ, sondern allein der besonders gute Klang. Er sei der Steinway unter den Konzertmobilen, sagen die beiden, ihr Programm nennen sie auch die erste echte "Opelette". Nach kurzem musikhistorischen Abriss über die ach so unterschätzte Bedeutung des Opel Kadett E legen die beiden auch schon erste Hand an die (noch) strahlend weiße Karosse des wehrlosen Gefährts. Es ist erstaunlich, welche höchst authentischen Schlagzeug- und Percussionklänge die Opel-Gang aus dem Wechselspiel von Schlägen auf Scheiben und Dach, mit klappernden Griffen und zugeschlagenen Türen entstehen lassen kann. Im schmissigen Bossa-Nova-Rhythmus umkreisen von Richthofen und Bader ihren Rüsselsheimer Liebling und singen dazu bestechend präzisen a-cappella Gesang. Doch bei diesen vergleichsweise netten Streicheleinheiten soll es beileibe nicht bleiben. Der mechanisch-musikalische Crash-Kurs geht in rasanter Fahrt weiter in Richtung Irrwitz. Mit angeklatschtem Seitenscheitel und keifender Stimme sorgt Kristian Bader mit seinem Spiel als am TÜV gescheiterter Fahrzeug-"Führer" für makaber-boshaften Scherz, später serviert Christian von Richthofen dem Publikum so profane Werkstattarbeiten wie den Ausbau einer Windschutzscheibe hochkulturell unterlegt mit der Rezitation von Gustav Schwabs Gedicht "Der Reiter und der Bodensee". Im Finale, zu dem aus einem Geigenkasten auch noch eine Flex hervorgeholt wird, geht dieses letzte und ultimate Duell Mann gegen Maschine seinem Funken sprühenden Höhepunkt entgegen, zu Tschaikowskys "Schwanensee" tanzen die beiden mit Vorschlaghämmern bewaffnet um ihr musikalisches Verschleißteil und ziehen ihm das Blechkleid endgültig über die verbeulten Ohren. Verschwitzt, dreckig und stolz stehen sie schließlich vor den dampfenden Trümmern ihrer künstlerischen Arbeit und nehmen den begeisterten Applaus des ausverkauften Zelts entgegen. Eins bleibt merkwürdig, irgendwie scheint das eigene Auto auf der Heimfahrt plötzlich viel folgsamer zu fahren. – erschienen im Oktober 2005 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
0 Kommentare
Hinterlasse eine Antwort. |
Der Popwart
|