"Eine Oper, ohne auch nur ein Stück, das einem Begeisterung abzwinge oder das einen elektrisiere. Ohne den großen Aufwand sei sie nicht bis zum Finale zu ertragen." Derart harsch beschwerte sich einst ein heute längst vergessener Signor Bertani bei Giuseppe Verdi über dessen damals neue Oper Aida. Er ging sogar soweit, dem Maestro die Erstattung seiner für den Besuch der Aufführung entstandenen Unkosten abzutrotzen. Wir wissen leider nicht, wie hart Signor Bertani mit der jüngsten Aida-Produktion in der LTU arena ins Gericht gegangen wäre, aber gefallen hätte sie ihm vermutlich immer noch nicht. Die Arena, von ihrer schieren Imposanz an die Pyramiden heranreichend, an der Form aber klar europäisch zu erkennen, birgt in ihrem Innenraum ein Fußballfeld-großes Tableau ägyptischen Alltags. Lange vor Beginn der Ouvertüre wuseln hier bereits eifrige Statisten zwischen den meterhohen Requisiten im aufgeschütteten Wüstensand umher. Rund 600 Personen sollen hier in den kommenden dreieinhalb Stunden ihren Beitrag zur Untermalung der tragischen Geschichte um Aida und Radames leisten. Doch das allein reicht den Produzenten der Arena-Aida noch lange nicht. Das als Mega-Spektakel inszenierte Popcorn-Schauspiel lässt sich auch in Sachen Spezialeffekten aller Art nicht lumpen. Sogar Pferde, Kamele und einen Geier bieten die Veranstalter auf, um aus Aida eine Mega-Aida zu machen. Das Publikum wird dabei als Volk von Theben integriert, alle gehören dazu, Du bist Ägypten, Du bist Aida. Womit das Problem des Abends umrissen wäre. Denn als Ergebnis dieser opulenten Materialschlacht wird die Oper von hunderten Füßen in den Sand getrampelt. Der symbolisch kreisende Geier hätte blendend ins Bild gepasst, wäre das bemitleidenswerte Tier nicht bei seinem Auftritt mit lautem Knall an einem der Bühnenbauten havariert. Eben dieser durchaus anerkennenswert detailverliebt ausstaffierte Bühnenraum mag noch so groß sein, für die Handlung der "amor fatale" zwischen Sklavin und Feldherr bietet er keinen Platz. Die von inneren Kämpfen getriebenen Charaktere – selten lässt Verdi seine Figuren so leiden wie hier – stehen nicht nur viel zu weit voneinander entfernt, um aus einem Duett oder Terzett ein Opernspiel erwachsen zu lassen, sie sind auch vom Publikum ohne Fernglas nur als kleine Figuren auf dem riesigen Areal wahrzunehmen. Überdies ist es nicht leicht, in der Melange aus Sandalenfilm, Rosenmontagszug und Sandkastenspiel die gerade aktiven Sänger und Sängerinnen auszumachen. Womit aber die erfreulichen Aspekte des Abends angesprochen sind. Die Düsseldorfer Symphoniker unter GMD John Fiore, der Städtische Musikverein zu Düsseldorf sowie die Solisten der Deutschen Oper am Rhein bieten sehr ansprechende Leistungen. Die Symphoniker kennen Aida natürlich in- und auswendig, auch Fiores Verehrung für Signor Verdi ist kein Geheimnis. Aber auch wenn die Aida unzählige Stellen hat, an denen ein bisschen schludern nicht auffiele, ausgerechnet an "der" Szene im Triumphmarsch darf ein Orchester den Fanfaren auf der Bühne nicht vorauseilen, schleppendes Tempo hin oder her. Das Ensemble der Rheinoper mit Morenike Fadayomi (Sopran, Aida), Keith Olsen (Tenor, Radames), Boris Statsenko (Bariton, Amonasro), Chariklia Mavropoulou (Mezzosporan, Amneris), Thorsten Grümbel (Bass, Pharao) und Felipe Bou (Bass, Ramfis) überzeugt, wobei Fadayomi, Olsen und Mavropoulou hervorstehen. Giuseppe Verdi, erfolgreich und souverän, hat übrigens damals dem so bitter enttäuschten Bertani die Eintrittskosten anstandslos überweisen lassen. Heute ist so etwas selten geworden. O Isis und Osiris... – erschienen im September 2006 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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WZ: Welches Fazit ziehen die Prinzen nach 15 Jahren und 11 Alben? Tobias Künzel: Unser Fazit ist, das es immer weiter geht. Wir schauen eigentlich weniger zurück als nach vorn und arbeiten lieber an neuen Ideen und basteln an neuen Gedanken. Auch die Idee unserer Akustik-Tour ist schon vor zwei Jahren entstanden, da haben wir eine Tour durch Theater und Opernhäuser gemacht. Und das war so erfolgreich, das wir gedacht haben, dies ist eine gute Möglichkeit den 15. Geburtstag zu feiern, mit unseren Songs im neuen Gewand. Aber jetzt sind wir eigentlich in Gedanken schon wieder mit dem neuen Album beschäftigt. WZ: Warum erscheint erst jetzt die erste Live-CD der Prinzen? Künzel: Es gab schon mal eine Video-CD, vor zehn Jahren, aber dies ist das erste Live-Konzert auf CD. Normalerweise sind Live-CDs ja eigentlich nur noch mal Deine Hits mit Publikumsgeräuschen. So etwas ist immer auch ein bisschen Abzocke. Bei unserer Akustik-Variante sind aber Songs wie "Mann im Mond" oder "Küssen verboten" komplett neu arrangiert, klingen vollkommen anders und haben damit eine Berechtigung, erneut auf CD zu erscheinen. WZ: Ihr habt vor kurzem mit einem Orchester zusammengespielt. Ist das eine Rückkehr zu euren Wurzeln? Künzel: Wir haben drei Konzerte mit großem Symphonieorchester gemacht. Das war sehr beeindruckend. Für alle, Publikum, Orchester und uns. Vermutlich haben wir auch mehr Erfahrung im Umgang mit Orchestern als zum Beispiel die Toten Hosen. Das kann wohl so sagen. Aber unsere Wurzeln als Prinzen liegen mehr in der Pop-Musik. Wir haben ja als erste Band a-cappella Sound mit den ganzen technischen Geschichten wie Loops und Programmierung gemacht. Sowas gab es sonst nicht Anfang der 90er Jahre. Die klassischen Wurzeln liegen dann mehr in der Kindheit, das ist schon richtig. WZ: Wie war die Zusammenarbeit mit dem Orchester? Künzel: Nun ja, die sind erstmal schon ins Essen gefallen, als sie die Arrangements von unserem musikalischen Chef Wolfgang Lenk gesehen haben. Der ist nämlich ein echtes Vieh, was Musikalität angeht! Vorher war es etwas unterkühlt, das Orchester wollte erstmal schauen, was wir Pop-Heinis so können. Ich glaube aber, wir haben eine gute Figur gemacht und nach dem letzen Konzert sind wir uns alle um den Hals gefallen. WZ: Was werdet Ihr im Savoy Theater spielen? Künzel: Ich erinnere mich an den letzten Auftritt, das war sehr schön, da sind wir sogar ins Publikum gegangen. Diesmal werden wir aber mehr Musik zum Zuhören spielen, bei der Akustik-Tour sind die leisen Töne sehr wichtig. WZ: Früher habt Ihr gesungen "Ich wär so gerne Millionär". Wie ist es denn heute so nach 15 Jahren in der Königsklasse als Millionär? Künzel: Ach, wir haben gar keine Zeit nachzuzählen. Dazu haben wir zu viel zu tun. (lacht) Naja, es geht uns materiell sehr gut. Vor allem aber geht es uns künstlerisch sehr gut, solange wir uns immer noch neue Ideen ausdenken und sich die Leute dafür interessieren, was wir machen. – erschienen im August 2006 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf WZ: Nach längerer Zeit kommen Sie mit Ihrer neuen Show "Grand Illusion" wieder nach Deutschland. Welche Illusionen haben Sie uns mitgebracht? David Copperfield: Nun, es wird eine Show, bei der Träume wahr werden. Heute träumt niemand mehr davon, einen Hasen aus dem Hut zu ziehen oder die Freiheitsstatue verschwinden zu lassen. Heute träumen die Menschen davon, im Lotto zu gewinnen, also zeigen wir Ihnen, wie man es möglich macht. Die Menschen träumen heute davon, um die Welt zu reisen. Also nehme ich eine Person während der Show von Düsseldorf aus mit nach Hawaii. Und wir liefern Beweise, dass wir dort am Strand waren, in Form von Fotos und Unterschriften. Auch von Traumautos schwärmen die Menschen, also lasse ich Traumautos erscheinen, wahlweise auch Traummotorräder. WZ: Haben Sie auch solche magischen Träume? Copperfield: Ja, die habe ich. Tatsächlich kam daher die Inspiration für das Konzept der neuen Show. Mit Regisseur Francis Ford Coppola habe ich eine Broadwayshow gemacht. Er nannte die Produktion "Dreams and Nightmares" und sie basierte auf meinen eigenen persönlichen Träumen und Albträumen. Das habe ich dann für "Grand Illusion" aufgegriffen und auf die Träume der Menschen erweitert. WZ: Sie sagen, Sie können den Menschen erklären, wie man die Lottozahlen vorhersagt... Copperfield: Nein, wir zeigen Ihnen nur, wie es möglich ist. Wer weiß, vielleicht ist jemand unter den Zuschauern, der dann tatsächlich mal Glück hat. Leider hat sich noch niemand bei mir gemeldet, dass er oder sie gewonnen hat und mir eine kleine Provision zahlen möchte. WZ: ... aber wenn Sie doch wissen, wie es geht, warum gehen Sie dann noch arbeiten? Copperfield: Vielleicht habe ich in der Tat schon einmal gewonnen, und zwar vor einigen Jahren bei Thomas Gottschalk in "Wetten, dass"! Dort habe ich Zahlen vorhergesagt, aber nie erfahren, ob es die Richtigen gewesen sind. WZ: Welchen Showteil mögen Sie bei "Grand Illusion" am liebsten? Copperfield: Ich glaube, das Lotto-Thema ist mir im Moment der liebste Teil. Früher bin ich viel geflogen, das war sehr cool, das habe ich auch sehr gerne gemacht. WZ: Was würden Sie sagen, macht einen guten Zauberer aus? Copperfield: Ich weiß es nicht genau. An mir selbst schätze ich am meisten, dass ich gut zuhören kann, was das Publikum möchte. Daraus kreiere ich dann mein Programm, dann lasse ich zum Beispiel ihre Träume wahr werden. WZ: Gibt es Dinge, die Sie als Zauberer verzaubern? Copperfield: Oh ja, ganz einfache Sachen. Die Geburt eines Kindes etwa lässt mich unglaublich staunen. Oder wenn ich das erste Mal einen Menschen treffe, so was ist schlicht magisch. Ich kann mich über Kleinigkeiten freuen. WZ: Sie haben Gebäude und Flugzeuge verschwinden lassen. Haben Sie einen Trick, wie man das auch mit Schlangen an der Supermarktkasse tun kann? Copperfield: Wer weiß, vielleicht verrate ich das irgendwann einmal... WZ: Wenn Sie wählen dürften, was würden Sie als Erstes verschwinden lassen? Copperfield: Ich würde mir nur wünschen, dass die Menschen netter zueinander wären. – erschienen im Mai 2006 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf Nach 50 Jahren seines Daseins auf der Erde hat Helge Schneider offenbar alles erreicht, was dieser Planet für ein Menschenleben bereithält. Er hat als Komiker, Regisseur und Musiker unzählige Erfolge gefeiert, als Autor und Kommissar schwierigste Kriminalfälle gelöst und auf eigenen Füßen gedanklich den Erdball umrundet. Nur so lässt sich nachvollziehen, dass Helge Schneider neue Ziele sucht, die höher gesteckt sind als alles zuvor. Es ist der Griff nach den Sternen, zu dem er sich auf seiner aktuellen Tournee anschickt. In den Konzertsälen der Republik will Schneider den "Kampf im Weltall" aufnehmen. Die Düsseldorfer Tonhalle ist dabei an zwei ausverkauften Abenden Schauplatz des intergalaktischen Geschehens. Der Ort ist klug gewählt, was sonst könnte besser für den kosmischen Clown geeignet sein als die blau schimmernde Sternenkuppel? Unterstützt von Schlagzeuger Pete York, dem langjährigen Teekoch und Auszubildenden Bodo Oesterling sowie dem heimlichen Star und hoffnungslos untalentierten Ausdruckstänzer Sergej Gleithmann nimmt Helge Schneider die Bühne in Beschlag. Mit schief sitzendem schwarzen Anzug und Kummerbund schlendert er nonchalant in schwarzen Lackschuhen ("Die sind original von Vico Torriani, habe ich bei ebay ersteigert") vor den johlenden Fans auf und ab, wobei er stolz die geschminkte Zahnlücke, das blaue Auge und die rote Nase ins Scheinwerferlicht hält. Dem anklagenden Untertitel des Konzertprogramms "Sie wollten mich zum Affen machen" braucht man kaum Glauben zu schenken - das erledigt der Chef schon mit Freuden selbst. Nach einem herrlich albernen Solo am Kinderschlagzeug schwingt sich Helge hinter seine von ungelenken Fingern mit Flammen bemalte Hammond-Orgel, um durch seinen bekanntesten Hit "Katzeklo" zu sprinten. "Wir spielen es direkt am Anfang, dann haben wir es schnell hinter uns", grinst er in den Saal. In den folgenden zwei Stunden bringt Helge viel Bekanntes, variiert und improvisiert aber quer durch seinem humoristischen Kosmos, so dass man immer wieder über die alten Gags des kaputten Mikrofons, dem Lied vom Meisenmann, den Erzgebirge-Männchenschnitzer-Blues und der Udo-Lindenberg-Persiflage herzlich lachen kann. Zwischendurch darf man auch erneut über Schneiders musikalische Fähigkeiten staunen, wenn er mit rechts Trompete spielt, sich links dazu auf der Orgel begleitet und gleichzeitig mit den Füßen die Bassregister und das Lautstärkepedal bedient. Und wer glaubt, es ginge nicht bizarrer als der langhaarige Halbglatzenträger Gleithmann mit Vollbart, der sich im senfgelben Nicki-Overall zu Deep Purples Rockhymne "Smoke on the Water" unbeschreiblich behämmerten Tanz-Verrenkungen hingibt, der hat nicht erlebt, wie Helge Schneider mit Langhaarperücke an der Orgel "Georgia on my mind" spielt und sich dabei den Text vom Schlagzeuger herübersoufflieren lässt. Ein überirdischer Abend. – erschienen im März 2006 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf Dweezil Zappa, geboren 1969, ist das zweite Kind des wohl berühmtesten Schnauzbarts nach Salvador Dalí. Wie auch seine Geschwister Ahmet, Moon und Diva muss er häufig die ausgefallenen Namens-Ideen seines Vaters erklären. Dweezil Zappa spielt Gitarre und hat mehrere Rock-Alben veröffentlicht. Größere Schlagzeilen machte er vor einigen Jahren, als er eine alte Fender E-Gitarre seines Vaters für eine Million Dollar erfolglos versteigern wollte. Das Instrument hatte Frank Zappa restauriert, nachdem Gitarren-Gott Jimi Hendrix es zuvor auf offener Bühne angezündet und ihm danach geschenkt hatte. WZ: Was dürfen wir von "Zappa plays Zappa" erwarten? Dweezil Zappa: Oh, vieles! Ich habe über dieses Projekt schon seit langem nachgedacht, aber bevor wir es jetzt wirklich durchziehen konnten, musste ich erst noch ein viel besserer Gitarrist werden. Die Musik meines Vaters ist sehr anspruchsvoll und enthält eine ganze Menge Herausforderungen. Man muss ein echter Musiker sein, um mit vielen Leuten seine Musik spielen zu können und eine Reihe von Stilrichtungen drauf haben. Ich selbst habe zwei Jahre für das Lernen meiner Parts gebraucht, von denen manche gar nicht für die Gitarre vorgesehen waren. Selbst "Stunt-Gitarristen" wie Steve Vai haben sowas nie während ihrer Zeit in der Frank Zappa Band gespielt. WZ: Wo wir davon sprechen: Wer spielt heute in der Band? Zappa: Neben mir an der Gitarre und meinem Bruder Ahmet am Gesang haben wir viele sehr junge Musiker engagiert. Viele von diesen wirklich unglaublich guten Instrumentalisten sind erst um die 25 Jahre alt und haben Frank selbst nicht mehr live erlebt. Wir haben sie ausgewählt, weil wir zeigen wollen, dass Franks Musik immer noch sehr inspirierend für junge Menschen sein kann. Und eine echte Alternative zu all dem gleichförmigen Pop um uns herum. Dort zählt eine tolle Frisur und ein paar Tanzschritte mehr als alles andere. Neben der Kerntruppe werden aber auch einige von Franks alten Bandkollegen Gastauftritte haben, so zum Beispiel altgediente Zappa-Alumni wie Steve Vai, Napoleon Murphy Brock oder Terry Bozzio. Sie werden in Gastauftritten Songs spielen, die während ihrer Zeit mit Frank zu etwas wie Aushängeschildern geworden sind. WZ: Glauben Sie, die Musik Ihres Vaters wird heute ausreichend anerkannt? Zappa: Das tue ich nicht, nein. Gemeinhin gilt immer, wer sehr viele Platten verkauft, muss gute Musik machen. Oft ist es aber nur sehr populäre, nicht aber unbedingt gute Musik. Vieles davon halte ich für Ausschuss. Ich möchte mit Franks Musik einen Ausweg zeigen. Bei Frank gibt es immer noch so viel zu entdecken. Und da seine Musik nicht im Radio gespielt wird, gehen wir eben auf Tour. WZ: Und es wird ausschließlich Musik von Frank Zappa gespielt? Zappa: Ja, und wir decken fast die ganze Karriere von Frank ab. Ich weiß, dass auch einige von Franks alten Kollegen seine Songs live spielen, aber dort fehlt etwas Entscheidendes: Persönlichkeit. Zwar spielen sie alle Noten richtig, dennoch es ist nicht das Richtige. Mit "Zappa plays Zappa" ist das anders. Frank selbst ist zwar nicht mehr da, aber nur wir sind so nah dran, wie man als Sohn von Frank Zappa nur sein kann. WZ: Wie ist es, einen so berühmten Vater zu haben? Zappa: Ich kannte als Kind nichts anderes, für mich war es völlig normal. Frank war zwar ein unglaublich viel beschäftigter Mann und wir konnten letztlich nicht so viel Zeit miteinander verbringen, wie wir alle gewollt hätten, aber ich war nie enttäuscht von ihm. Ich trage jede Menge lustige Geschichten und schöner Erinnerungen an ihn in mir. Er war einzigartig und ein großartiger Vater. – erschienen im März 2006 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf „Warum soll ich nicht versuchen, ein perfektes Mädchen zu sein, auch wenn ich schon 46 bin?“ Das fragt eine souverän lächelnde Kim Wilde in Anspielung auf ihre neue Single „Perfect Girl“ bei ihrem ersten Auftritt in Deutschland seit 14 Jahren. Angesichts der jüngsten Ausfälle des bisher als perfekt geltenden Pop-Idols Britney Spears stimmt da wohl jeder vorbehaltlos zu. Ebenso einhellig ist auch die jubelnde Zustimmung der treuen Fanbasis, die sich dicht gedrängt in die Kölner Live Music Hall gezwängt hat, um Kim Wilde bei einem zwar nicht perfekten, aber doch sehr guten Konzert zu besuchen. Mag der Chorgesang hier und da auch nicht ganz sauber daherkommen und auch die Hauptaktrice punktuell etwas neben der geforderten Tonhöhe liegen, der Saal feiert den reaktivierten 80er-Sound in bester Laune. Offensichtlich hat es Kim Wilde gut getan, sich zwischenzeitlich um zwei Kinder sowie eine sehr erfolgreiche Karriere als TV-Moderatorin und Gartendesignerin zu kümmern. Der Depeche Mode-Klassiker erklingt fast besser als das OriginalAus ihrer sechsköpfigen Band stechen zwei Mitglieder hervor, zum einen ihr Bruder Ricky Wilde an der Gitarre, der damals wie heute ihre Karriere angeschoben hat, zum anderen Nick Beggs am Bass. Letzterer ein echtes 80er-Jahre-Fossil, seinerzeit mit Kajagoogoo und „Too shy“ erfolgreich, heute im schwarzen Leder-Kilt, etwas aufdringlichem Sound und – viel schlimmer – an vielen Stellen das Tempo verschleppend. Leider kommt auch wieder einmal in der Live Music Hall kein wirklich ausgewogener Klang zustande, zu breiig der Bass und zu dünn die verzerrten Gitarren. Mrs Wilde lässt sich aber von solchen Kleinigkeiten nicht die gute Spiellaune verderben und bietet ein engagiertes Set aus Songs ihrer neuen CD „Never say never“, gemischt mit alten Klassikern wie „You keep me hangin‘ on“, „You came“ sowie natürlich die unverwüstlichen „Kids in America“. Hinzu kommt ein Cover von Depeche Modes „Enjoy the silence“ – dies sogar besser als das Original. Die einstmals als „Bardot des Pop“ titulierte Wilde zeigt sich dabei deutlich mehr in Richtung Rock orientiert als die frühere Queen des Synthie-Pop. Ganz in schwarz mit Lederhose, langem Jackett (das später noch den Blick auf einen glitzernden Iron Maiden-Aufnäher preisgibt) und ihren platinblonden Haaren steht sie mit ihrer Band heute für einen Mid-Tempo-Rock ohne Schmutz, dafür gespickt mit vielen lieb gewordenen Melodieschnipseln, die das Ohr immer wieder gerne willkommen heißt. Im zufrieden lächelnden Publikum schwingt da auch die mittlerweile etwas breiter gewordene Hüfte bereitwillig mit. – erschienen im März 2006 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf Für Fußball-Fans ist sie eine Institution, die samstägliche Schlusskonferenz der Bundesliga mit sieben Reportern aus sieben Stadien. Einer von ihnen, Manni Breuckmann, zählt mittlerweile zu einem der beliebtesten Sprecher, er ist neben Werner Hansch oder Günther Koch zu etwas wie einem Godfather of Radioreportage geworden. Seit 1972 moderiert der gebürtige Dattelner bereits Spiele für den Rundfunk. Heute, mit 55, legt Breuckmann das Buch vor, welches eine schmerzliche Lücke in der biografischen Aufarbeitung hiesiger Radiomoderatoren schließen wird. Unter dem Titel "Mein Leben als jugendlicher Draufgänger" hat Manni Breuckmann seine Lebensgeschichte zu Papier gebracht, die schonunglos offen legt, was alles zwischen muffiger Kleinstadt-Ödnis und seinem unerschrockenen Eintauchen in Sex, Drogen und Rockmusik passierte, bis er sich zum ersten Mal das WDR-Mikrofon umhängte und für den ersten seiner mittlerweile legendären Tor-Rufe tief Luft holte. Breuckmann wohnt inzwischen in Düsseldorf und hat sich für die Präsentation des nunmehr zweiten Buchs (der Erstling sei ein "zu Recht vergessener Fußball-Krimi", so Breuckmann) seine erklärte Lieblingskneipe in der Altstadt ausgesucht. An einem kleinen Lesetisch im Uerige steht er also und liest beim gepflegten Alt aus seiner Jugend. Es seien alle nötigen Zutaten für einen Bestseller vorhanden, erklärt der stolze Autor mit Blick über die Lesebrille, wirft jedoch ein, dass es sich keinesfalls um ein Fußballbuch handele. Vielmehr habe ihm am Herzen gelegen, seinem stocktauben Onkel August ein literarisches Denkmal zu setzen. Und doch kommt Breuckmann nicht umhin, der Lust am runden Leder ausgiebigen Platz in seinem Buch einzuräumen. Zwischen den beiden Eckpunkten der chronologischen Erzählung, dem gellenden Angstschrei des siebenjährigen Mannis während einer todesverachtenden Mutprobe im September 1958 bis zum aufrüttelnden Torschrei beim 2:0 des VfR Neuss gegen Wattenscheid 09 während seiner ersten Live-Übertragung im Mai 1972, fächert Manni Breuckmann seine juvenilen Abenteuer auf den schon fast metaphysischen Schauplätzen der großen Dramen des kleinen Mannes auf: Der Ruhrpott und seine Fußball-Stadien. Genauer gesagt, Breuckmanns Heimatstadt Datteln und das Wattenscheider Lohrheide-Stadion. Auf 284 Seiten anekdotisch überhöhter Erinnerungen werden wir so Zeuge der überaus amüsanten Wurzelbehandlung des Menschen Manni Breuckmann. – erschienen im März 2006 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf "La pulce d'acqua che l'ombra ti rubò" Das sind die ersten Zeilen jenes Liedes, auf das alle beim Auftritt von Angelo Branduardi in der Tonhalle warten und welches sofort großen Jubel auslöst. Mit seinem Stück über den kleinen Wasserfloh wurde Branduardi einst bei allen Teenagern warmherzig empfangener Nachfolger eines Cat Stevens. Er avancierte schnell zur ersten Wahl am Plattenschrank, wenn Heilung vom allgemeinen Weltschmerz gefragt war. Mit seinen immer freundlichen und hübschen Songs lieferte der Italiener mit dem krausen Schopf verlässlich den Soundtrack für unzählige Abende bei Schummerlicht und Räucherstäbchen. Kaum ein Name ist seither mit der Vorstellung von schöner Musik verbunden wie der Angelo Branduardis. Allerdings erklingen die lebhaften Takte des kleinen Wasserflohs bei seinem jetzigen Konzert in Düsseldorf erst als Zugabe nach einem recht zäh verlaufenden Abend. "Die Laude des Heiligen Franziskus" ist Branduardis aktuelles musikalisches Projekt, das im Rückgriff auf das triviale Theater des Mittelalters die Lebensgeschichte des heiligen Franz von Assisi erzählt. Dieses religiöse Minnespiel präsentiert der Italiener mit begleitendem Bass und Schlagzeug sowie einer Entourage von zehn Schauspielern und Schauspielerinnen, die als Hauptfiguren in der Geschichte agieren und als tanzende Sirenen die gesungene Handlung mit Bewegung untermalen. In dem wie aus einem Bild von Escher entsprungenen Bühnenbild mit seinen vielen Treppen und Schrägen nehmen Branduardi und seine Band dabei nur einen kleinen Platz an der Seite ein. Dort singt, spricht und musiziert er, während die anderen Akteure unermüdlich über die Holzpaneele huschen. Zu Gunsten von E-Geige und Flöte nimmt Branduardi aber leider nur selten seine wie ein Fabeltier geformte Gitarre zur Hand. Das voluminöse Instrument vereint zugleich Bass-Bordun und Harfe und bezaubert mit dem typisch ätherischen Sound des 56-Jährigen. Seine Musik ist wie immer schön, die schmeichelnden Harmoniefolgen seiner gezupften Akkorde strahlen Ruhe aus, zusammen mit der vorsichtigen und zarten Stimme Branduardis fühlt man sich schnell von den Klängen in den Arm genommen. Dagegen wirken die gesprochenen Textpassagen der "Laude" recht bald ermüdend, das Schauspiel bleibt aber auf halber Strecke zwischen "Jesus Christ Superstar" und "Hair" hängen. Alles nicht so richtig schlimm, aber eigentlich hätte man doch viel lieber mehr von der schönen Musik gehört. – erschienen im Februar 2006 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf Nostalgie und Swing zum Abschied – Die Swinglegenden Paul Kuhn, Hugo Strasser und Max Greger30/1/2006 Er habe zunächst mit einem Irrtum aufzuräumen, erklärt Paul Kuhn in der ausverkauften Tonhalle, nachdem ihn die SWR Big Band mit ein paar knackigen Swing-Takten auf die Bühne begleitet hat. Im dunklen Anzug steht er am Mikrofon, eine Hand in der Hosentasche, und parliert über den seiner Meinung völlig unpassenden Beinamen "Abschiedstournee", den man der Show mit ihm, Hugo Strasser und Max Greger verpasst hat. "Wir machen immer weiter, das ist eine Drohung", wirft er grinsend dem lachenden Saal entgegen. Woher die Idee des Abschieds kommt, liegt auf der Hand. Zu viele Künstler, die in das Alter der drei selbst ernannten "Swing Legenden" gekommen sind, reichen in regelmäßigen Tourneeabständen ihre Kündigung vom Showbusiness ein. Gut, auch unsere drei Herren sind etwas älter geworden. Paulchen Kuhn ist 77, Max Greger 79, und Hugo Strasser hat die 80 bereits vor vier Jahren geknackt. Aber da man dieser Tage auch seinen 250. Geburtstag feiern kann, fallen solche Zahlen kaum ins Gewicht. Und auch wenn ein Herr im dicht gefüllten Foyer raunt, man sei wohl beim Treffen der grauen Panther von einer Altherren-Veranstaltung ist man weit entfernt. Die SWR Big Band eröffnet mit bissigen Bläsersätzen und einem gut abgemischten Sound den Abend. Strasser, Greger und Kuhn spielen zunächst jeweils alleine in aufeinander folgenden Blöcken mit "Pennsylvania Six-Fivethousand", "Danny Boy", "One O`Clock Jump", "In The Mood" oder "Moonlight Serenade" ihre Lieblingsstücke von Count Basie, Duke Ellington und vor allem Glenn Miller. Die erstklassige SWR Big Band versieht ihren Dienst als Begleitkapelle mit eiserner Professionalität. Sie bietet ihren drei Frontmännern eine sehr griffige und rutschfeste Unterlage. Der prächtig aufgelegte Greger kokettiert nicht nur über die vielen Krankenhausgeschichten seiner Kollegen, er gibt auch gerne ein paar breite bayrische Kalauer zum Besten. So gäbe es für ihn ohnehin nur zwei echte Miller, nämlich Glenn Miller und Gerd Müller. Dazu strahlt sein breites Grinsen mit dem weißen Smoking-Jackett um die Wette. Musikalisch macht den drei fleischgewordenen Evergreens keiner mehr viel vor. Strassers Klarinettenton ist überaus bemerkenswert und Greger bläst immer noch eine "heiße Kanne", wie es Paul Kuhn in seinem Tanztee-Vokabular ausdrückt. Er selbst zeigt am Klavier und als Swing-Crooner am Mikrofon ebenfalls höchst professionell die ganz alte Swing-Schule der 40er und 50er Jahre. Nach über zwei Stunden Programm darf man Kuhns anfängliche Drohung offenbar durchaus ernst nehmen. – erschienen im Januar 2006 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf Wolfgang Staribacher, Jazzpianist und Akkordeonspieler, gründete die Mozartband als Reaktion darauf, zum ersten Mal frühe Mozart-Symphonien gehört zu haben. Er spielte vorher bei "Drahdiwaberl" und arbeitete mit Wofgang Ambros, Falco sowie Hubert van Goisern. Die Mozartband besteht aus zehn Mitgliedern, die neben Schlagzeug, Hammondorgel und E-Bass auch Geige, Bratsche und Fagott spielen und eine ausgebildete Mezzosporanstimme besitzen. Nach Erfolgen bei den Wiener Festwochen und dem Münchener Tollwood-Festival hat die Mozartband die CD "Soul" produziert. Im Frühjahr erscheint das neue Album "Volcano Allegre". WZ: Herr Staribacher, wie und warum entstand die Mozartband? Staribacher: Dazu gekommen ist es ungefähr 1991, als alle Welt nur von der Rockband Guns'n'Roses sprach. Ich fand, wenn man Led Zeppelin kannte, sah man sofort, dass hier nur das Alte immer nur wiedergekaut wurde. Ich wollte aber unbedingt was Neues. Als ich dann zufällig die relativ unbekannten frühen Sinfonien von Mozart gehört habe, war ich fassungslos und konnte nicht glauben, wie rhythmisch die Klassik daherkommen kann. Ich fand, dass kein klassischer Komponist so modern klingt wie der alte Mozart und mir wurde sofort klar, das muss mit einer Band gespielt werden. Was mir als altem Jazzer dann noch gefehlt hat, war, dass da mal einer aufsteht und ein improvisiertes Solo spielt. Ja, und daraus wurde dann die Mozartband. WZ: Wie oft fragt man Sie, wie Sie Mozart so etwas antun können? Staribacher: Na, die Zeiten, in denen man so was gemacht hat, sind zum Glück vorbei. Das hat mir eigentlich noch niemand gesagt. WZ: Was sind denn sonst die einfallsreichsten Beschimpfungen gegen die Mozartband? Staribacher: Naja, es gab tatsächlich mal einen Eintrag im Gästebuch unserer Homepage, darin hieß es, Rondo Veneziano ginge ja noch, aber was wir machen, wäre unmöglich. Das habe ich wirklich toll gefunden. WZ: Warum Mozart? Was fasziniert Sie an ihm mehr als an Beethoven, Vivaldi oder Schubert? Staribacher: Mozart steht für mich definitiv über allen anderen. Es ist nicht nur das Rhythmische, Mozarts Musik ist so ganz einfach und gleichzeitig kompliziert. Ich bin fasziniert davon, wie er es schafft, die primitive österreichische Volksmusik so raffiniert weiter zu treiben, dass es plötzlich so ausgeklügelt und hoch entwickelt klingt. WZ: Wie übertragen Sie dies in die Musik der Mozartband? Staribacher: Ich lasse als ausgebildeter Jazzpianist die klassische Harmonielehre ganz außen vor und gehe mit Jazz-Verständnis an die Sache heran. Das klappt ganz erstaunlich gut. Die schrägen Tensions im Jazz, die diese Musik vorantreiben, entsprechen zum Beispiel den harmonischen Vorhalten, die Mozart mehr als alle seine Zeitgenossen verwendet hat. Das lässt sich wunderbar übertragen. WZ: Wie sehen Sie als Österreicher Ihr Verhältnis zu Mozart? Staribacher: Naja, das Verhältnis besteht eigentlich überwiegend zur Musik. Über Mozart als Mensch ist ja auch viel weniger bekannt, als uns etwa der Amadeus-Film weismachen will. Den finde ich zwar sehr gut, aber historisch verbürgt ist da wenig. WZ: Wie unfreundlich reagiert man in Salzburgs heiligen Hallen auf die Mozartband? Staribacher: Die Wahrheit ist viel härter. Wir sind für viele dieser Leute ein Feind, den man dadurch straft, dass man ihn nicht einmal ignoriert, wie das bei uns in Wien heißt. WZ: Warum ist das so? Staribacher: Weil es da um Subventionskohle geht. Und die Entscheider verteilen diese nur an die Leute, die sie eh kennen und mit denen sie glänzen können. Im Endergebnis ist das Mozartjahr in Salzburg daher komplett an uns vorbeigegangen. – erschienen im Januar 2006 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf |
Der Popwart
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