Objektiv betrachtet könnte man es schon ein wenig frech empfinden, dass die Musiker des Abdullah Ibrahim Trios die Bühne der Tonhalle betreten, gerade mal zwei Stücke spielen und dann das Konzert auch schon wieder beenden. Nun ja, aber eben nur objektiv betrachtet. Vergegenwärtigt man sich, dass das erste Stück allein über 45 Minuten dauert, in denen der schwarz gekleidete Bandleader Abdullah Ibrahim alleine am Flügel sitzt und wie in einem uferlosen Medley scheinbar mühelos von einer musikalischen Idee zur nächsten gleitet, dann korrigiert sich das Bild sehr schnell. Mit seinen langen Fingern gelingt es dem 71-Jährigen mit nachdenklich schillernden Klängen innerhalb weniger Takte, Emotionen auf Tastendruck zu erzeugen. Die von ruhig pulsierenden Wiederholungen kurzer Motive in der linken und melodisch sehr reichen Improvisationen in der rechten Hand geprägte Musik entfaltet eine ganz eigene meditative Kraft. Ibrahim, der sich seit den späten 60er Jahren zum Islam bekennt und damals seinen Namen Dollar Brand ablegte, sitzt beinahe regungslos vor seinem Instrument, spielt leise und ohne Anstrengung. Dieses fast schon kontemplative in sich Ruhen überträgt sich auf die Zuhörer. Gemeinsam mit den weiten und ruhigen Klängen schlendert man gelassen durch die unterschiedlichen Stilelemente des Jazz von Duke Ellington bis Thelonious Monk, denen Abdullah Ibrahim eine spielerische Stippvisite ableistet. Nach der Pause greifen Belden Bullock (Kontrabass) und George A. Gray (Schlagzeug) unterstützend zu ihren Instrumenten und begleiten den Meister mit großer Spielfreude und ungemein viel Einfallsreichtum für weitere 70 Minuten ineinander fließende Musik. Die stilistische Bandbreite öffnet sich nochmals weiter, vereinnahmt neben afrikanischen Metren und Melodien auch latein-amerikanische Rhythmen. Belden Bullock unterstützt mit seinem Bass die Musik sehr zurückgenommen und überaus Band-dienlich, wogegen der mit viel Spielwitz und beeindruckend präzise agierende Drummer George Gray mit Hilfe einer Reihe ganz unterschiedlicher Schlägel zeigt, wie mitreißend ein Schlagzeug swingen kann, das teilweise kaum hörbar leise gespielt wird. Zum Dank gibt es langen Applaus mit Standing Ovations. – erschienen im Februar 2005 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
0 Kommentare
|
Der Popwart
|