Müssen wir in Erwägung ziehen, dass es Max Goldt trotz allem erzählerischen Reichtums etwa an Geld mangelt? Wie eng muss künstlerisches Guthaben mit den Zwängen des kommerziellen Saldos verzahnt sein, dass der Berliner Zeilenschmied zu Beginn seiner Lesung im ausverkauften zakk eine Äußerung seines Verlegers zitiert, der die nahende Veröffentlichung des neuen Buches mit den bescheiden-aufmunternden Worten flankiert: „Das muss über 40.000 kommen“? Der Verdacht keimt weiter bei der Anregung Goldts, im Anschluss an die „rituelle Notwendigkeit der Zugabe“, wie er es nennt, einen Erwerb verschiedener originärer Publizierungen zu erwägen, zumal auch noch die autographe Veredelung per Namenszug durch den Autor in Aussicht gestellt wird. Doch bei allen vermeintlichen Maßnahmen zur Abwendung der von der älteren Generation ja schon immer postulierten zwangsläufigen Brotlosigkeit künstlerischer Berufe und der aufrichtigen Anteilnahme an der distributiven Leistungsfähigkeit stehen zum Glück immer noch die herrlichen Geschichten im Vordergrund, die Max Goldt seinen knapp 400 bestens unterhaltenen Gästen mitgebracht hat. Mit den für ihn typischen schillernden Metaphern und fein ziselierten Sätzen voller Witz und elegant umher tänzelnder Worte erzählt er uns nicht nur umwerfend treffsicher von so genannten „Computer-Nerds“, also Männern mit „ungeselligem Hobby“, deren selige Unbekümmertheit sie zu „Außenseitern ohne Pein“ hat werden lassen, sondern auch von Frauen, die, geplagt von vielerlei privaten und beruflichen Nöten, nur noch darin Trost finden, dass sie nicht auch noch in die Pflicht genommen werden, ein Holocaust-Denkmal entwerfen zu müssen. Nebenher erfahren wir auch noch Wissenswertes über den arabischen Wüstenstaat Katar, den der scharfzüngigen Satiriker als Reiseberichterstatter kürzlich besucht hat, sowie auch ganz Privates. Zum Beispiel lehnt er Ausspucken auf der Straße grundsätzlich ab und rühmt sich stattdessen nicht ohne Stolz des „Eigenspeichelrunterschluckens“. Abschließend bekundet er noch in seinem Resümee, die Lesung habe ihm insgesamt gut gefallen, wenn auch „etwa zehn Minuten zu lang“. Der schon angesprochenen unabwendbaren Pflicht der Zugabe entledigt sich Goldt dann auch dementsprechend kurz. Trotzdem belohnt ihn reichlicher Applaus. – erschienen im Dezember 2004 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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