Ace Frehley. Kennt den noch jemand?
Natürlich! Einer der ganz großen, wenn nicht *der* größte Show-Gitarrist aus den 70ern. Bei KISS war er zwar meistens besoffen, hat aber dafür einen gitarristischen Archetypen erschaffen und mit seinen Soli die Musik von KISS aus dem Mediokren erhoben. Er war immer der Coole bei KISS. Die späteren Kapitel in der Geschichte von KISS und Ace waren weit weniger cool. Seit der Trennung versucht Ace, seiner Rolle als Rock'n'Roll Has-Been in Würde gerecht zu werden und veröffentlicht immer mal wieder mehr oder weniger gute Alben. Für sein aktuelles Solo-Album "Origins Vol. 1", das nur Coverversionen seiner ganz frühen Vorbilder enthält, hat er sich unter einigen anderen geschmackvollen Exponaten auch "Fire and Water" von Free rausgesucht. Sehr gute Wahl. Free? Kennt die noch jemand? Nicht unbedingt. Eine der ganz großen Bands, die es nie so richtig in die erste Reihe geschafft haben. Hatten mit "All Right Now" einen einzigen Riesenhit, außerdem aber noch viele, viele weitere tolle Songs (die alle komplett anders waren als der Hit) und vor allem aber einen unglaublich talentierten Gitarristen. Der hat es aber leider nicht über sein 26. Lebensjahr hinaus geschafft. Angeblich wollte sich einst "der" Eric Clapton von ihm mal seine Vibrato-Technik zeigen lassen. Schöne Geschichte, aber ob sie stimmt, weiss keiner mehr. Ich habe jedenfalls eine gaaaanz, ganz starke Schwäche für Free. Das konnte Ace natürlich nicht wissen, aber dass er Free covert, kann ich nicht unkommentiert stehen lassen... Zum Einstieg erstmal das Original, damit wir alle wissen, worum wir hier reden: Free, 1970 live im Beat Club mit "Fire and Water". Auf der Höhe ihrer Kunst. Und Schlaghosen.
Ist das nicht absolut großartig?
Mit so wenig Apparatur so einen Sound zu erzeugen? Keine großen Verstärkertürme, keine Effektgeräte, nur ein klitzekleines Schlagzeug, ein autarker Bass und eine Gitarre, direkt in dem Amp eingesteckt. Free ist die mit Abstand minimalistischste, kammermusikalischste, die ungeföhnteste, unverbasteltste und puristischste Band der Welt. Keine andere Gruppe hat besser "weniger ist mehr" gespielt. Gerade "Fire & Water" ist dafür ein tolles Beispiel. Der Aufbau des Songs ist auf das Wesentliche beschränkt. Kein Teil zuviel, keine Note, die man nicht braucht. Und dann das Vibrato des unfassbar aufspielenden Paul Kossoff mit seiner so schön angerempelten goldenen Les Paul. Durchaus glaubhaft, dass der Herr Clapton da ganz genau hinschauen wollte. Dagegen, Ace Frehley's Interpretation von 2016:
Ganz schöner Unterschied, was?
Gequatsche am Anfang und dann ein Klanggetürm, dass einem Angst und Bange wird. Der Gegensatz könnte nicht größer sein. Man merkt, wo Mr Frehley musikalisch sozialisiert wurde. In einer Kapelle, die Bombast, Überproduktion und Schaustellertum neu erfunden hat, die beim Vertuschen von musikalischem Leichtbau hinter schrillen Tütü bis heute nicht übertroffen wurde. Herrje, die waren alle maskiert und trugen Kostüme! Ace Frehley, Meister des Hüddeldi-hüddeldi, der schnell wiederholten, immer gleichen Noten auf der einen Seite. Paul Kossoff, der Meister der größten Wirkung mit den wenigsten Tönen auf der anderen. Das schönste Vibrato der 60er gegen die effektheischerischsten Licks der 70er. Der Mann mit den größten Gesten gegen den Mann mit der größten Seele. Der Showman mit der Feuer spuckenden Klampfe und das stille, tiefe Wasser. Zwei wie... tja, zwei wie ... Feuer und Wasser. Geeint nur im Spielen einer Gibson Les Paul. Paul, Paul & Paul Und dann ist da ja noch der andere Paul. (In dieser Geschichte kommen viele Pauls vor). Paul Stanley, offenbar wieder befreundeter Ex-Kollege bei KISS, den Ace sich hier als Sänger hinstellt. Denn sich sowohl mit Paul Kossoff als auch mit Paul Rodgers (nächster Paul und Sänger bei Free) messen zu wollen, das hat Ace völlig richtig als aussichtslos erkannt. Also Auftritt Paul Stanley, stark selbstüberschätzer Selbstdarsteller, der hier routiniert das vorführt, was er am besten kann: Paul Stanley sein. Immer ein bisschen drüber, immer ein bisschen zuviel musikalische Schminke. Immer bemüht, die Soul-Diva zu geben. Nichts Neues also. Nichts Neues fügt auch Ace Frehley dem Song hinzu. Er versucht, den Song im Wesentlichen nur mit ordentlich Wumms zu spielen. Was aber bei dieser Art von runter reduziertem Rock schlecht funktioniert. Er pumpt viel Luft in ein Riff, dass nicht für so ein großes Format gemacht wurde. Das wirkt am besten, wenn man es so reduziert belässt. Aber zum Glück ist ja der eigentliche Hauptdarsteller des Songs das Gitarrensolo. Und da ist auch der tänzelnde Stanley schnell vergessen. Space Ace zeigt eine tolle Synthese seines eigenen klassischen Stils und jenen Elementen, die Paul Kossoffs Spiel zu eigen waren. Mit seinem hart knackenden Pick-Anschlag zitiert Ace einige Kossoff-Licks fast originalgetreu und platziert sogar dessen kräftige Bendings . Ok, da darf dann auch mal sein Pickup qualmen, bitte schön. Auch wenn diese Coverversion also nichts spektakulär Neues bereit hält, so ist Ace's Huldigung an Free und Paul Kossoff doch sehr erfreulich. Schön, wenn die eine Legende einer anderen Legende huldigt. Mr Frehley zeigt Stil und Klasse mit dieser Wahl. Paul Kossoff spielte eine goldene Les Paul. Ace Frehley's Modell ist silber. So zollt man Respekt. Guter Ace! Further hearing Zum geneigten Vertiefen dieses Ausflugs diene ich eine Playlist mit einer kleinen, aber repräsentativen Auswahl von Free und Ace Frehley an. Ihre stärksten Songs, komprimiert in jeweils 6 Stücken. Und lauscht man "Walk In My Shadow" von Free, merkt man, dass Clapton und Cream offensichtlich auch große Free-Fans waren...
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Der Popwart
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