„Dieser langhaarige Schreihals ist ein Popstar?“ Mit derlei Vorwürfen sahen sich früher Musiker konfrontiert, die in ihrem äußeren Erscheinen und ihrer Auffassung von künstlerischem Gestalten nicht dem allgemein Üblichen folgen. Auf den ersten Blick mag man befürchten, dass auch der pakistanische Sänger Faiz Ali Faiz Ziel solcher Anfeindungen sein könnte. Sein Schopf kann eine stattliche Fülle nicht verleugnen, und auch sein Gesangsstil ist durchaus von lautstarker Deklamation gekennzeichnet. In seiner Heimat Pakistan wird er bereits gefeiert wie ein Popstar, wogegen er in hiesigen Gefilden vorerst nur den Status eines Geheimtipps genießt. Auf den zweiten Blick erkennt man indes, dass diese Zeiten vorbei sind, und sich dieses angebliche Geheimnis offenbar längst herumgesprochen hat, denn Faiz‘ Konzert am letzten Abend des diesjährigen Altstadtherbstes ist überaus gut besucht. Zusammen mit seinen Begleitern trägt er Stücke der so genannten Qawwali vor, eine religiös-philosophisch motivierte Musik aus Nordindien und Pakistan. Seine Gruppe besteht aus zwei Harmoniumspielern und einem Trommler, die Faiz, wie die weiteren fünf Sänger, stimmlich unterstützen. Die Auswahl an präsentierten Stücken zeigt den klassischen Stil mit temporeichen Passagen, die von lebhaften und punktierten Rhythmen getragen werden, und dazu kontrastierende, eher langsame und improvisierte Teile. Faiz, der die Stücke nicht nur singt, sondern auch arrangiert, gestikuliert heftig während seines Vortrags, schlägt die Hände ineinander und wirbelt mit dem Kopf vor dem Mikrofon. Auf die anderen Musiker wirkt dies animierend, und sie greifen seine melodischen und rhythmischen Motive immer wieder dankbar auf, um sie dann gemeinsam oder im Wechsel durch Wiederholungen, Verkürzungen und Überlagerungen zu einem mitreißenden Höhepunkt zu steigern. Allein die Zaubereien, die der Trommler an seiner Tabla vollführt, bei denen er die vertracktesten Synkopen spielerisch leicht aneinander reiht, lassen die 15- bis 20-minütigen Stücke wie im Flug vergehen. Melodisch verwebt Faiz Ali Faiz in seiner Art des Qawwali das klassische indische Idiom mit dem Muezzin-artigen Melos der islamischen Welt. Dieser für unsere Ohren eher ungewohnte Genuss gewinnt seine Faszination auch aus der Kombination mit den Rhythmen, die ohne Umschweife selbst in europäisch-herbstliche Beine gehen und die Füße nicht stillstehen lassen. Zum Dank für klingelnde Ohren und mitreißende Musik spendet das hocherfreute Publikum stehende Ovationen. – erschienen im Oktober 2003 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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