Es sei während dieser Tournee nicht nur die erste Show in Europa und nicht nur die erste Show in Deutschland - nein, es sei überhaupt die erste Show im Jahr 2016 für die Winery Dogs, ruft Trommelkönig Mike Portnoy in die mit Fans komplett vollgestellte Kölner Essigfabrik. Und es sei überhaupt entsprechend viel zu lange her, dass sie in Deutschland gewesen seien. Damals, 2014, gastierten die Herren Portnoy, Sheehan und Kotzen noch in der vergleichsweise heimeligen Matrix in Bochum, wo sie ihr damaliges Debüt-Album einmal hoch und runter spielten. Wir waren spontan in die (Under)Dogs verliebt und konnten kaum abwarten, bis es ein neues Album und Tour geben würde.
War diese erste LP doch eine zwar selbstsichere aber doch von Zurückhaltung geprägte Angelegenheit. Der reduzierte Trio-Gedanke der Band zog sich durch die Besetzung, das Equpiment und das Songwriting. Die vielfach erzählte Geschichte der „echten“ Band, die sich da gefunden hatte, glaubten wir gerne und es gefiel uns von vorne bis hinten. Mittlerweile scheint man sich seiner Sache nun noch sicherer und die titelgebende Glückssträhne (Hot Streak) hat die Herrschaften ein bisschen übermütig werden lassen. Eine zweite Platte? Klar, dann darf man sicher eine zweite Bassdrum dazustellen sowie jeder noch einen zweiten Verstärkerturm, oder? Zum Glück sind es wenigstens sehr schön anzuschauende (bis vielleicht auf den babyblauen Bass von Billy Sheehan, aber davon fangen wir jetzt nicht schon wieder an) und sehr gut anzuhörende Gerätschaften, die da aufgefahren werden. Apropos selbstsicher. Ich kann mich an kein Konzert erinnern, bei dem die Band des Abends sich selbst als Rauschmeißer-Musik von CD gespielt hätte. Ein weiteres "Erstes Mal" von den Winery Dogs ;) Die musikalischen Einflüsse und Referenzen auf „Hot Streak“ sind ebenfalls viel zahlreicher und breiter gestreut, vor allem die starke Schlagseite zum Funk ist offensichtlich. Aber damit sind die Winery Dogs tatsächlich auch in der Tradition ihrer Vorbilder. „Hot Streak“ verhält sich zum Debüt ähnlich wie einst Deep Purples „Come Taste The Band“ zu ihrem „In Rock“. Plötzlich funkt es mit Kopfstimme an allen Ecken. Traditionsgebundene Powertrio-Bluesrock-Freunden senken darob den Blick und schütteln das schüttere Haupthaar in leiser Enttäuschung. Apropos Deep Purple: Einer der stärksten Songs von Hot Streak, „Captain Love“, klingt auch noch seeehr schön nach „Perfect Strangers“. Aber anders als die fünf Briten haben die drei Amerikaner einen nicht nur fähigen, sondern auch viel sympathischeren Gitarristen, der seinen Kollegen ihren Raum für den überschäumenden Spieltrieb (oder auch Angeberei) lässt. Los geht’s in Köln mit dem Holter-di-Polter „Oblivion“, eine auf 11 gedrehte Frickel-Version von „Elevate“, dem Opener der ersten Platte, der aber bisserl die Überzeugungskraft des letzteren fehlt. Stattdessen ist es direkt zum Anfang mehr Plattform für schnelles Gespiele mit einem etwas mediokren Refrain. Auch die nächsten 30 Minuten enthalten überwiegend Songs des neuen Albums, bis zum Bier-holen/wegbringen-Showstopper „Fire“. Eigentlich ein hübsches Schmusestückchen von Meister Kotzen an der Solo-Akustikgitarre, aber heute Abend will es sich nicht ins Programm fügen. Der zweite Teil des Konzerts holt die „alten“ Kracher hervor, „I’m No Angel“ ist offensichtlich von den meisten erwartet worden. Fleissiges Mitsingen zeugt davon, dass dieser Song wohl derjenige sein wird, an den man sich beim Namen Winery Dogs in 30 Jahren als Erstes erinnert. Im Finale aus „Elevate“, „Regnet“ (währenddessen Ritchie Kotzen wieder diesen wunderbaren Wechsel von Elektropiano zur Gitarre vollendet meistert) und „Desire“ lassen uns sehr, sehr zufrieden zurück. Tja, eigentlich alles supi. Wenn sich da nicht Mr Portnoy hinter seinem Schlagzeug von seiner unsympathischsten Seite gezeigt hätte. Und damit meinen wir nicht die über die Maßen zur Schau gestellte Handwerkskunst - das wussten wir vorher, dass das passieren würde. Nein. Der Mann spuckt. Rotzt. Macht das Lama. Setzt Sputum ab, sprüht sein Wasser rum. Er speichelt reich in alle Richtungen, auf die Verstärker seiner Kollegen (ich würd mich ja bedanken…) und auf seinen Drum-Tech, der bewundernswert langmütig dem Spucki die Schrauben trotzdem wieder festdreht. Nur weiter so und Lars Ulrich verliert ratzfatz seine Top-Platzierung als Schlagzeug-Unsympath...
0 Kommentare
“It’s a litte known fact, I see everything black. And I don’t want to face it.” Irgendwie schaut er ja immer ein wenig traurig drein, der Herr Kotzen. Einen richtigen Grund dafür kann man von außen eigentlich nicht feststellen, auch wenn ihm im deutschsprachigen Raum die ewigen Witzchen über seinen Nachnamen vermutlich schon sauer aufstoßen. Dabei gibt es so viele schöne Dinge davon zu berichten, als er mit den Winery Dogs auf der Bühne der Matrix in Bochum, ein an diesem Abend mit rund 800 Menschen gefüllter Keller, bei der Arbeit zu beobachten ist. Zumal der Mann beneidenswert multipel begabt ist. Er spielt mit seinem eigentümlichen Fingerpicking unheimlich gut eine unheimlich hübsche Telecaster, er tastet unheimlich schön auf einem alten E-Piano herum und sein Gesang klingt unheimlich kräftig und bluesig. Manchmal so, wie Chris Cornell gerne klingen würde, der wiederum unheimlich ähnlich wie der junge David Coverdale intoniert. Und dann sieht Richie Kotzen auch noch unheimlich gut aus (wobei ich mich auf das Urteil der überraschend vielen anwesenden Damen verlassen muss, die den Herrn Kotzen teils sehr verliebt anschauen...) Den Winery Dogs, wie sich heute präsentieren, hat man aufgrund der Provinienz ihrer Beteiligten bereits schnell das Prädikat Supergroup verpasst. Stehen bzw. sitzen neben Richie Kotzen schließlich noch die hochprofilierten Frickler Billy Sheehan am Bass und Mike Portnoy am Schlagzeug. Unser Mr Kotzen spielte ja weiland schon bei Poison und Mr Big Gitarre, wo er bei letzteren auch mit Billy Sheehan gemeinsame Sache machte. Nimmt man dann noch jenen Mike Portnoy dazu, der mit Dream Theater den Progressive Rock der frühen 1970er wieder in die Gegenwart verfrachtet und mit ordentlich Heavy Metal angereichert hat, würde man eigentlich schon vorab abwinken wollen. Zu nah liegt bei einem so geballten Potenzial an instrumentaler Fingerfertigkeit, gepaart mit selbstverliebter Spielfreude, der Generalverdacht, dass man sich bei einem Winery Dogs Konzert einen Abend lang drei Meister beim Angeben antun muss. Das wissen die Winery Dogs natürlich auch selbst. Einer Kampfansage gleich und als Selbstverständnis zu verstehen, betreten die drei Amerikaner die Bühne nach Grand Funk Railroads "We're An American Band". Dieser Song ist als Intro eine kluge und sinnstiftende Wahl, referenziert er doch sowohl die musikalischen Wurzeln, das Bandformat als auch jenen den Amerikanern eigenen Nationalstolz. Nach dem eröffnenden "Elevate" spielen die Dogs in Bochum ihr selbstbetiteltes Debüt komplett durch und ergänzen es mit einigen Songs aus den jeweiligen Solo-Karrieren von Sheehan (das etwas krawallige "Shyboy") und Kotzen (eine unheimlich schöne Akustik-Verson von "Doin' What The Devil Says To Do") sowie einigen Coverversionen (u.a. "Hey Joe", sehr schön aus ihrem "Six Feet Deeper" hinein verschleppt). Auch wenn sich Kotzen und Co. beim Songwriting ihres gefälligen Hardrocks gerne mal für genretypische und manchmal etwas klischeehafte Lösungen entscheiden, kann man die Winery Dogs nicht als schlichte Epigonen-Kapelle abtun. Dafür ist ihre Musik dann doch wieder zu stark, wie etwa das unheimlich gute Riff von "I'm No Angel", das traumwandlerisch schön hingeschmachtete "Regret" (mit Richie Kotzen am E-Piano) oder das so unheimlich hübsche Textzeilen enthaltene, eingangs zitierte "Elevate". Hüddelditüddeldi von Onkel Billy Natürlich zeigen die Herren auch oft und gerne, dass sie ihre jeweiligen Instrumente richtig gut beherrschen. Da gibt's für jeden seinen ausgiebigen Solo-Spot mit ganz, ganz vielen Noten. Billy Sheehan, der sich wie ein netter Rock-Onkel aufführt und seinen Bass auch mal in Publikum hält mit der freundlichen Aufforderung, mal ein bisschen Lärm zu machen, liefert in seinen fünf Minuten ganz viel Hüddelditüddeldi und lustige Verrenkungen hinter seinem Arbeitsgerät. Indes ist die babyblaue Lackierung seines Bass in einer Rockband schon ein bisschen schwierig. Mike Portnoy, der seiner Vorliebe für obszön große Schlagzeuge heute abend schönerweise entsagt und stattdessen ein kleines Bonham-Kit verprügelt, ist ein ebensolcher Trickser, der vielleicht ein bisschen zuviel angibt mit seinen Stockwirblern und Taschenspielertricks. Zwischenzeitlich verlässt er sogar seinen Sitzplatz und trommelt sich quer über die Bühne. Weit weg von einstigen Superstar-Status (alle drei haben mit ihren Ex- bzw. Hauptbands bereits Stadien gefüllt) sind jedoch nicht nur Fans jener "anderen" Bands zu Besuch nach Bochum gekommen. Nein, es sind offenbar genuine Winery Dogs Fans, die die Songtexte kennen und auch Favoriten unter den Liedern schon bei den ersten Klängen laut bejubeln. Ein lauter, verschwitzter, enger, toller Abend.
|
Der Popwart
|