Vor ungefähr 25 Jahren waren Warrior Soul mal kurz the next big thing.
Aber zwischen karierten Baumwollhemden, traurigen Gesichtern und strähnigen Haaren nahmen sich Kory Clarke und seine Kumpane damals dummerweise etwas unpassend aus. Ihr politisch agitierter Punkrock passte nicht in die Zeit, traniges Gejammer und monotones Gitarrengezerre standen weitaus höher im Kurs. Unsere erste gemeinsame Zeit hatten wir 1995 auf dem Dynamo Open Air im holländischen Eindhoven. Damals war es eine unglaublich große Menge an Menschen, die es auf das Festival-Gelände geschafft hatten, knapp 120.000 sagt die Wikipedia, und die muss es ja wissen. Die sanitären Anlagen waren nach kurzer Zeit kaum mehr als solche zu erkennen, Geschäfte jeglicher Art haben wir damals in den Kneipen der umliegenden Ortschaften erledigt. Andere Geschichte… 2016 stehen Warrior Soul jedenfalls wieder in Holland auf der Bühne. Nicht in Eindhoven, sondern in Geleen. Nicht mit vielen anderen Bands, sondern alleine. Selbst die beiden angekündigten Vorbands der aktuellen Tour haben es nicht bis ins Café de Meister geschafft. Schade, der Name Jesus Chrusler Supercar klang zumindest vielversprechend. Und auch leider nicht vor tausenden von Menschen. Ob es nun auch wirklich Warrior Soul sind, die sich hier auf die kleine Bühne zwängen, darf man auch diskutieren. Es ist vor allem Kory Clarke mit drei neuen Mitstreitern. Dieses Mal aus Großbritannien. Bei seinem letzen Besuch in Sittard, was zufällig um die Ecke von Geleen liegt, war es noch eine italienische Punkkapelle, die Kory kurzerhand gekapert hatte. Stevie Pearce (Gitarre), Michael Branagh (Schlagzeug) und Christian Kimmett (Bass) heissen heute die Kämpfer - und kämpfen ist an diesem Abend Mission! Denn es bedarf in der Tat der Seele eines Kämpfers, wenn man sich als professioneller Musiker einer Anzahl von Besuchern gegenübersieht, die die Belegschaft auf der Bühne knapp nur um das drei- bis vierfache übersteigt. Wie schon letztes Jahr in Sittard spielt Kory & Band vor fast leerem Haus, vor viel weniger Menschen, als es ihm zu gönnen wäre. Und - auch wie schon beim letzten Mal - zeigt Kory Clarke, wie ein professioneller Musiker, Sänger und Entertainer arbeitet. Wieder einmal zeigt er, wie man 20 Besuchern einer holländischen Eckkneipe eine Top-Show bietet und den Laden in eine Halle mit 5.000 Fans verwandelt. Jeder Anwesende muss sich verzehnfacht gefühlt haben, so wie die Band sich für jeden Einzelnen (und die 4.800 virtuellen anderen) verausgabt und keinerlei Anzeichen für einen minderwertigen Gig zeigt. Wäre von seiner Stimme nicht ohnehin längst ein krustig kratzender Rest vorhanden, dieser Abend hätte großen Anteil an der Entwicklung gehabt. So verwandelt Kory die vermeintliche Niederlage in einen weiteren Sieg. Auch Drummer Michael Branagh hat sich der Stimmung nicht entziehen können. Sein Fazit auf facebook liest sich ganz treffend:
Und ganz der Chronistenpflicht entsprechend sei auch noch ein Blick auf die Setlist geworfen:
0 Kommentare
Kory Clarke und seine Warrior Soul, einst lautstarke Helden in den Kurt-Cobainten 90ern, teilen das Veteranenschicksal vieler alter Krieger: Die Line-Ups wechseln häufiger, Alben werden seltener, die Hallen kleiner, die Pausen zwischen den Touren größer.
Nach ihren großen Zeiten hat auch die Karriere von Warrior Soul und ihrem energetischen Mastermind in den letzten Jahren eher eine fragmentarische Form angenommen. Nach vielen personellen "Anpassungen" und ebenso vielen solistischen Ausflügen stehen heute abend Kory Clarke und seine „italian band“ (er hat die italienischen Punkrocker von The Wankerss als Warrior-Soul-Darsteller angeheuert) im holländischen Sittard rund 50 Zuschauern gegenüber. Die Plakate weisen den Abend zwar als Warrior Soul-Konzert aus, andernorts ist aber zu lesen, dass es die "Payback Is A Bitch" Solo-Tour von Kory Clarke ist. Wie auch immer, die Erwartungshaltung der offenkundig treuesten Warrior Soul/Clarke-Fans ist schnell zusammengefasst: Laut soll's bitteschön sein, schnell und mit ordentlich Attitüde. Und Bier. Was im Falle des Herrn Clarke nicht ein so großes Problem sein sollte. Und er enttäuscht nicht. Mit weissen Lederschuhen, zerschlissenen Jeans mit ordentlich Schlag und buntem Hemd röhrt sich Meister Clarke in den folgenden knapp zwei Stunden kraftvoll und überzeugend durch das Schaffen seiner Warrior Soul, den Space Age Cowboys und seinem jüngsten Solo-Album "Payback Is A Bitch".
Clarkes Stimme hat mittlerweile einen fortgeschrittenen Grad an Raureife erreicht, der besser klingt als je zuvor. Er bringt zwar nach dem Konzert im Gespräch mit den Fans kaum mehr ein vernehmbares Krächzen hervor, aber auf der Bühne ist sein „Instrument“, mit dem er all die liebgewonnenen Parolen herauskeift („We are the government!“), einer der entscheidenden Bestandteile, um aus einem Rock’n’Roll-Konzert diesen überaus erfreulichen Abend zu machen. Daneben ist es natürlich auch Kory Clarkes Erfahrung und seine Professionalität, sich auch vor 50 Besuchern so aufzuspielen, als stünde man vor 5.000 oder gar 50.000. Sein souveräner Umgang mit Störenfrieden (die scheint es auch in jedem noch so kleinen Publikum zu geben… anderes Thema) ist durchweg beeindruckend und vorbildlich. Respekt und Anerkennung dafür!
Die vier Instrumentalisten auf der Bühne liefern ihrem Chef derweil ein grundsolides Punkrock-Fundament, halten ihn aber auch beständig im Blick, um ja keine kleinen Fingerzeige und schnell zugerufene Anweisungen zu übersehen. Hübsche Vorstellung, dass es schlimmestenfalls anschließend Backstage vom Chef ordentlich Backenfutter geben könnte. Da auf der Bühne nirgends eine Setlist zu entdecken ist, liegt auch die Vermutung nahe, dass die zu spielenden Songs ebenso allein der spontanen Eingebung des Maestros am Gesangsmikro folgen. Aber die Band ist auf Zack und liefert überzeugend Songs wie „The Drug“, „Love Destruction“, „Payback Is A Bitch“, „Tokyo Girls Go Bang Bang“ oder auch „Downtown“. Überhaupt scheint nicht nur Klarheit zu herrschen, wer hier die Schlaghosen an hat, sondern auch, dass die Stimmung auf und vor der Bühne augenscheinlich sehr gut ist. Selbst ein verletzter Finger an der vielbeschäftigten Hand des Gitarristen vermag weder Tempo noch Druck aus der Musik zu nehmen, auch wenn der Blutende selbst immer wieder sorgenvoll auf das schmerzende Fingerchen schaut. Kory, Bier und Blut – Mehr Rock’n’Roll an einem Abend geht nicht.
|
Der Popwart
|