Ein - oder besser - dieses Konzert von Jon Gomm zu beobachten, ist ein wenig, wie einem Kampf beizuwohnen. Einem Kampf um Musik, um Fassung, um den richtigen Klang. Ausgetragen auf offener Bühne in der ausverkauften Frankfurter Brotfabrik. Zur Begrüßung stellt sich der Brite den rund 400 Besuchern kurz vor: Hello, I’m Jon. I come in peace. Sort of… Was zunächst als leichtfüßiger Witz erscheint, ist beinahe schon prophetisch dahergesagt von dem bärtigen, barfüssigen Mann, der in seinem schwarzen Hoodie einem groß gewachsenen Yoda ähnelt. Er mag ja in Frieden daherkommen, der Gitarren-Jedi-Ritter, doch ein paar Widrigkeiten haben ihm heute Abend offenbar den Krieg erklärt. Wie er auf der Bühne und später auch auf Facebook erzählt, sind die Tage auf Tournee mit einer bipolaren Störung eine gewisse Achterbahn und stellen stets ein neues Abenteuer für ihn dar. Manche Tage seien da schwerer und intensiver als andere. Emotionaler Ausdauersport würden die Song dadurch für ihn. Gut für das Publikum, schlecht für ihn. Und man sieht der Performance in Frankfurt diese Achterbahn-Abfahrt an. Immer wieder atmet Jon Gomm schwer zwischen seinen vielschichtigen Songs, diesen musikalisch hochverdichteten Gebilden, die so ein hohes Maß an Können voraussetzen und alles andere als leicht runtergespielt sind. Deren akkurate Interpretation schon allein jede Menge Mühe mit sich bringt, bei denen gleichzeitig und ineinander verwoben Schlagzeug, Bass, Melodie und Klangeffekte aus der Gitarre hervorkommen und Jon Gomm noch dazu singt. Und das alles mit einem komischen Gefühl im Bauch, „ feeling a bit mental“, wie er selbst es nennt und dessen er sich die ganze Zeit zu erwehren scheint. Man leidet mit, wenn dann in die Ruhe des Verklingens eines gerade gemeisterten Songs (nachdem man sich und Jon eine kurze Auszeit gönnen möchte, um sich wieder zu sammeln) der Jubel, gut gemeinte Zwischenrufe und lautes Pfeifen einbricht. Natürlich ist Jubel toll, und hier auch völlig zu Recht, aber der sichtlich schnaufende Gomm wirkt dadurch abgelenkt, sogar irritiert, zumindest angestrengt. Er bedankt sich freundlich. Eine weitere Front, an der er da zu kämpfen hat. Gleich nach der Eröffnung mit dem „Stupid Blues“ demonstriert Jon Gomm ausgiebig und mit launigen Worten, wie man es anstellt, auf der Gitarre Schlagzeug und E-Bass zu spielen. Es folgen unter anderen noch „What's Left For You“, Chaka Khans „Ain't Nobody“, "Secrets Nobody Keeps" sowie „Wukan Motorcycle Kid“, das bislang unveröffentlichte „Deep Sea Fishes“ sowie das emotionale Meisterstück dieses Abends „Telepathy“. Das Maß an technischen Fertigkeiten, die Jon Gomm anwendet, um seine Idee vom richtigen Klang aus seinem Kopf, durch die Gitarre, in die Köpfe des Publikums zu bringen, ist allemal anstrengend, meisterlich, bewundernswert. Die traditionellen Spielweisen der Gitarre lässt er dabei weit hinter sich, seine Hände sind auf, unter, neben, über und hinter seinem Instrument. Er schlägt, kratzt, scheuert, streichelt, zupft und wiegt seine alte vernarbte Lowden Acoustic, die er mit allerlei Klebeband, Polstern und anderen Umbauten ganz auf sich zurechtgeschneidert hat. Ihm scheinen alle Mittel recht, um aus seinem Arbeitsgerät den Klang herauszuzwingen, der ihm vorschwebt. Für herkömmliche Gitarristen wäre hier längst Schluß. So wie die Gitarre mittlerweile aussieht, scheinen die beiden mitunter einige harte Auseinandersetzungen gehabt zu haben. Und nicht nur das Ringen um den Klang mit seiner Wilma (so nennt er seine alte Lowden-Gitarre) wirkt, als würde er es gerade schaffen, die Oberhand zu behalten - da holt zum Finale, zu „Passionflower“, ausgerechnet, dem Stück, das ihn berühmt gemacht hat, die Verstärkertechnik nochmal zum Schlag aus und lässt Jon Gomm kurzerhand im Stich. Kurze Unterbrechung, neues Stimmen, Fehlersuche, Entschuldigungen. Die Konzentration muss er sich (schon) wieder zurück erkämpfen, zurück erobern, zurück zum Thema kommen, zurück in die Stimmung bringen. Der erstaunte Fan mit seiner Kamera, den Gomm kurzerhand auf die Bühne hebt, wird reichlich zu filmen bekommen haben. Doch es ist ein Abend mit Happy End. Denn am Ende bleibt Jon Gomm der Sieger. Charmant lächelnd winkt er nach getaner Arbeit in den Saal und gibt - hoffentlich ebenso prophetisch - allerseits Entwarnung: Don’t panic. It’s alright. Die "Großen" haben eh genug Geld, sagt Jon Gomm, deshalb wäre es ihm am liebsten, man kaufe seine Musik direkt über seine Website: www.jongomm.com
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Der Popwart
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