So richtig geht der Spaß bei Yo-Yo Ma immer erst bei den Zugaben los. Dann ist es eigentlich auch schon fast egal, was er spielt, der Saal liegt ihm gemeinhin längst zu Füßen. Auch in der ausverkauften Tonhalle springen die Zuhörer nach den beiden zugegebenen Klanghupferln aus den Sitzen und bejubeln den Ausnahme-Cellisten. Ma, der in Düsseldorf als Station zwischen London und Stockholm auf seiner Europa-Tournee Halt macht, lässt erst einmal den überreichten Blumenstrauß ins freudig raunende Parkett segeln, dann mimt er den Unentschlossenen, der sich aber dann doch – ach komm, was soll's – zu weiteren Kostproben seines imponierenden Könnens hinreißen lässt. Damit setzt Ma den Geist seines sich zunächst sehr streng ausnehmenden Programms fort, einem exklusiven Abend ganz im Zeichen von Altmeister Johann Sebastian Bach. Ma spielt dessen drei Suiten Nr. 3 C-Dur BWV 1009, Nr. 5 c-moll BWV 1011 und Nr. 6 D-Dur BWV 1012 für Violoncello solo. Zwar hat Bach diese Werke in erster Linie als explorative Etüden erdacht, die die spieltechnischen und klanglichen Möglichkeiten des zu seiner Zeit noch jungen und unausgereiften Instruments Cello weiträumig ergründet und in den Mittelpunkt stellt. Doch was macht Yo-Yo Ma daraus? Von lehrmeisterlicher Strenge oder fingerfertiger Pflichtübung ist er meilenweit entfernt, er erhebt sich über lapidares Exerzieren. Bei ihm entsteht lebendige, traumhaft schöne Musik. Barock, wie man ihn selten in solcher Klangkunst und Musikalität erleben kann. Nur auf einem einzelnen Stuhl auf der Bühne unter der blauen Kuppel, diesmal auch wieder mit kleinen Sternen verziert, entlockt Ma seinem Instrument die Melodien, als ob es kaum Leichteres auf der Welt gäbe. Entspannt zurück gelehnt vollbringt er technisch noch so fiese Fingersätze, die nicht einmal von erhöhter Hustenfrequenz oder vorzeitigem Applaus aus der Konzentration gebracht werden können. Virtuose Effekte sind Ma fremd, wo andere blenden, leuchtet er in feinem piano, strahlt Ruhe und selbstsichere Gelassenheit aus. Und als ob es sonst nichts weiter wäre, zaubert er als Schlusspunkt des regulären Programms noch eine Fassung der "Gigue" der Suite Nr. 6 hervor, die an Sanglichkeit und Dynamik schier überschäumt. Stupende Doppeltriller, federndes Spiccato, flirrend schnelle Läufe und reine Arpeggio-Pracht, das gibt es bei Yo-Yo Ma quasi gratis dazu, vor allem seine innige Verbindung zu Instrument und Werk sind es, die seine Auftritte zu außergewöhnlichen Abenden werden lassen. Wieder einmal sitzt man Yo-Yo Ma mit erstauntem Kopfschütteln ob diesen Übermaßes an musikalischem Können gegenüber. Eine helle Sternstunde unter der Sternenkuppel. – erschienen im Dezember 2005 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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