Man stelle sich folgende Ausgangssituation vor: Liebeskummer, Teeangerzeit, biedere 60er Jahre, Deutschland. Fünf Parameter, die in eine musikalische Form gebracht werden wollen, schließlich füllen sich englischsprachige Plattenfirmen mit entsprechenden Singles bereits die weit aufgerissenen Kassen. Was also tun, um an die Erfolge von Herman's Hermits, Los Bravos, Bee Gees, Procol Harum, den Beatles und den Stones hierzulande im sittsamen Rahmen anzuknüpfen? Die Antwort hat der Kölner Comedian Marius Jung in den unteren Schubladen deutscher Textdichter gefunden. "Inspiriert" von den englischen und amerikanischen Originalen, belegte man einfach die erfolgreichen Songs mit neuen deutschen Texten und überantwortete sie in den Händen hoffnungsvoller Interpreten dem deutschen Publikum. Zusammen mit seiner vierköpfigen Band "The Germans" präsentiert Marius Jung nun im Savoy Theater unter dem Titel "Swinging Sixties singing deutsch" eine grell glitzernde Sammlung dieser wahnwitzigen Songperlen. So wird aus Otis Reddings "Sitting on the dock of the bay" ein "Armer alter reicher Mann" von Howard Carpendale, den Titel "When a man loves a woman", im Original von Percy Sledge, erklärt im Deutschen Manuela mit geradezu zwingender Logik: "Wenn es Nacht wird in Harlem, gehen die Lichter aus". Marius Jung flicht in diesen Reigen gerne Zitate aus 60er-Bravos ein, gibt illustre Beziehungstipps, schwärmt von Herrengedecken als frühen Alkopops und macht sogar vor der eigenen Vita nicht halt. Als Kind eines US-Soldaten "auf Stippvisite" bei seiner Mutter sei er als schwarzes Kind bei weißen Eltern im Rheinland groß geworden. "Dadurch habe ich Soul im Blut und Millowitsch im Hirn", erklärt Jung die besondere Affinität zu der musikalischen Faktenlage. Die sehr spielfreudigen "Germans" begleiten stilecht im Anzug und fiesem Opa-Schlips superb, Keith Richards' Telecaster-Gitarre fehlt dabei ebenso wenig wie eine Hammond-Orgel und Ringos Ludwig-Schlagzeug in Perlmuttlack. Zum Höhepunkt setzt der Abend aber mit wahrlich grotesken Auswüchsen der deutschsprachigen Beat-Musik an. Wer nach zweieinhalb Stunden schrägster Übersetzungen, ungelenken Gesten und holprigen Akzenten gedacht hat, der alte Stones-Klopper "Satisfaction" sei in der Version der Dorados als "Keine Klasse" nicht zu toppen, irrt. Es ist Cindy & Berts Version von – festhalten – "Paranoid" aus der Feder der Schock-Rocker Black Sabbath, die das Publikum zwischen Kopfschütteln und Schenkelklopfen zurücklässt. Nach zwei Zugaben verabschiedet das leider viel zu schmal besetzte Savoy die Musiker zu Recht mit stehenden Ovationen. – erschienen im November 2006 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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