Große Gemälde schmücken die Bühne des Zakk für den Auftritt von Jürgen Becker, der mit seinem Programm „Da wissen Sie mehr als ich“ das Publikum in die Geheimnisse des rheinischen Kapitalismus einweihen möchte. Ganz links, im großen goldenen Prunkrahmen, ist in barocker Überhöhung zu sehen, wie Adam mit dramatisch bewegter Geste Eva davon abzuhalten versucht, den Apfel vom Baum der Erkenntnis zu pflücken. Vergeblich, wie wir wissen. Jürgen Becker weiß eigentlich auch, dass er als Kölner in Düsseldorf eine ziemlich verbotene Frucht des Kabaretts personifiziert. Doch bekennt er sich freimütig zu dieser Art des rheinischen Sündenfalls. Ja, er komme sogar gern nach Düsseldorf, immerhin sei er hier immer gut behandelt worden. Der ausverkaufte Saal zeugt überdies davon, dass es auch genügend Düsseldorfer gibt, die den Nervenkitzel des Verbotenen und Sündhaften suchen. Zumal der Becker-Apfel immerhin ein wenig Erkenntnis verheißt, auch wenn er sich im Programmtitel noch so bescheiden gibt. Bevor es allerdings zum eigentlichen Thema des Abends kommt, jenem nebulös betitelten rheinischen Kapitalismus, teilt der kölsche Komiker erst einmal kräftig in Richtung Adam und Eva der Gegenwart aus. Mit Breitseiten gegen Gerhard und Angela, die sich gegenseitig aus dem bundesrepublikanischen Paradies vertreiben wollen, redet sich Becker in Vorwahl-Stimmung. Dabei lässt er natürlich auch die anderen Teilnehmer der jüngsten Elefantenrunden nicht aus. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, verteilt er Schelte an „liberale Pfeifen“, regt sich über wegretuschierte Merkel-Mundwinkel auf, die beim Namen Merz „direkt wieder Herpes kriegen würden“ und sinniert, ob Paul Kirchhof nicht von Schröder selbst in die CDU eingeschleust wurde, „zur Zerstörung von innen“. Von Stichwort zu Stichwort schwadroniert Becker mittels waghalsiger Wortspielereien (Martin Luther sei etwa Erfinder des „95 Tesa-Films“) und verdrehter Eselsbrücken (in der Schweiz gehe man sofort „in medias rolex“, daher die vielen Uhrmacher). Mit Einwürfen des von ihm so verehrten Konrad Adenauer, Beckers Sinnbild rheinischer Vor- und Frühgeschichte, schlägt er den kabarettistischen Bogen über Kirche, Politik und Wissenschaft, wühlt im Sündenpfuhl des Mittelalters, aus dem er wortreich die Stützpfeiler des heutigen Wirtschaftslebens destilliert, und landet schließlich doch wieder im Rheinland, wo man die Umsetzung dieser Prinzipien vollendet beobachten könne. Kern des rheinischen Kapitalismus sei schließlich ein gehöriges Maß an Mystizismus. Nirgendwo sonst könne man so viele Menschen sagen hören: „Ja, da mystisch mich mal drum kümmern.“ – erschienen im September 2005 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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