Sicher, Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 3 ist schon ein ordentlicher Brocken, an dem man sich leicht verschlucken kann. Eine Sinfonie, aus bebenden Fieberstürmen der Spätromantik in die Endzeitstimmung der vorletzten Jahrhundertwende geboren, die sich an nichts Kleinerem als der ganzen Welt als ästhetischer Idee ihres programmatischen Inhalts bedient und Mahlers inneres Gegenbild in sechs Sätzen ausbreitet. Auf den interpretierenden Künstler lauern in den rund 100 Minuten Mahlerscher Weltenwanderung einfach zu viele klebrige Fallen romantischer Verharzung. Das ist ein Berg, vor dem schon so manch musikalischer Ochs gestanden hat. Aber es gibt zum Glück Ausnahmen. Michael Schønwandt zum Beispiel. Mit skandinavischer Sachlichkeit begegnet der gebürtige Däne dem Zerissenen und Maßlosen in Mahlers Kosmos, der an diesem Abend unter der Kuppel der Tonhalle Platz findet, begleitet von den Düsseldorfer Symphonikern, dem Städtischen Musikverein zu Düsseldorf, der Wuppertaler Kurrende sowie der Altistin Birgit Remmert. Schønwandts Auslegung lässt Mahlers heterogenen und teils überspannten Melodiebögen zwar ihren romantischen Duktus, trennt aber indes die einzelnen Schichten des Klangs voneinander ab und präpariert so jede der Stimmen feinsinnig heraus. Die Düsseldorfer Symphoniker gehen ihm dabei engagiert und mit viel Hingabe zur Hand. Für die langwierige Expedition ins Tonreich sind sie gut ausgerüstet durch dynamische Präzision und artikulatorisches Feingefühl. Mit sicherem Tritt schreitet das Blech zunächst die Wege entlang, die anderswo gerne mal plattfüßig und breit geraten. Die Frauenstimmen des Städtischen Musikvereins und die Knaben der Wuppertaler Kurrende zeigen sich glaubhaft tröstlich, wenn auch zu schüchtern hinter dem Orchester zurückbleibend. Ebenso Birgit Remmert, die einmal mehr ihre Mahler-Klasse unterstreicht, aber die Eindringlichkeit ihres Textes nicht vollends durchs Orchester bringt. Dass den Bläsern zum Ende mehr und mehr die Luft ausgeht, ist nach dieser Weltumseglung ebenso wenig eine Überraschung, wie das Wissen, dass die Welt nicht überall gleich schön ist. Einige unschöne Risse in der Intonation mögen daher die Statistik der sauberen Einsätze trüben, den Blick auf ein ansehnliches Mahler-Panorama können sie nicht ernsthaft verstellen. – erschienen im Oktober 2004 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
0 Kommentare
Hinterlasse eine Antwort. |
Der Popwart
|