Langsam, fast lässig, geht Bobby McFerrin in Jeans und T-Shirt gekleidet zu seinem Stuhl auf der Bühne der Tonhalle und nimmt Platz. Er bedankt sich artig für den begeisterten Empfang, den ihm sein Publikum bereitet, hält für einige Sekunden inne und dann ist sie da, die Illusion. Sobald er anhebt und singt, ist es, als höre man mehrere Stimmen im Zusammenspiel mit dezenter Instrumentalbegleitung. Diese Erfahrung vergisst man nicht mehr, wenn man sie einmal gemacht hat. McFerrins Gesang hat so mittlerweile schon beinahe legendären Charakter bekommen. Wann immer seine Fans über ihn sprechen, bewundern sie die Faszination seiner Stimme und seine unglaubliche Technik, die ihn scheinbar mühelos durch einen Stimmumfang von vier Oktaven wandern lässt. Doch er singt nicht nur, er säuselt, brummt, zischt, schnarrt und quiekt. Kurzum, er setzt alle Möglichkeiten ein, die ihm seine Sprechwerkzeuge zur Verfügung stellen. Sein Mikrofon benutzt er dabei wie ein Instrument. Einer Blockflöte ähnlich hält er es vor dem Mund und bewegt sogar die Finger beim Singen, als wäre es das Mikro und nicht er selbst, das all diese Klänge erzeugt. Es ist diese Art von Bescheidenheit, die Bobby McFerrin neben seinem Können ausstrahlt, die ihn für sein Publikum so liebenswert macht. Wenn er dann noch seinen musikalischen Humor aufblitzen lässt, hat er den Saal vollends in der Hand. Es ist einzigartig, wie die Zuhörer ihm auf seinen musikalischen Ausflügen in Pop, Jazz, Blues und Klassik folgen. Mit Handzeichen und auffordernden Blicken baut er das Publikum in mehrstimmige bis klanglich eher ulkige musikalische Spielereien ein. Offenbar ohne es geprobt zu haben, erkennt auch der Chor, der sich zur vokalen Unterstützung eingefunden hat, seine Einsätze und übernimmt die von McFerrin vorgesungenen Motive. Man kann den Sängern wirklich keinen Vorwurf machen, dass sie dabei rhythmisch mit dem behende improvisierenden McFerrin nicht immer Schritt halten können. Dazu ist der 53-jährige einfach viel zu schnell. Zudem verwirrt er die bemitleidenswerten Choristen mit urkomischen Lauten, die die meisten wohl zuletzt auf dem Weg zum Spracherwerb hervorgebracht haben und nun auch noch in schneller Folge nachsingen müssen. Nur einer von vielen musikalischen wie kommunikativen Höhepunkten ist das vom Publikum intonierte „Ave Maria“ von Gounod, zu dem der Amerikaner lupenrein das Präludium C-Dur von Bach singt. Singen ist Silber – Bobby McFerrin ist Gold. – erschienen im November 2003 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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