„Der Hirsch ist auch ein Tier!“ Aha. Es ist doch erstaunlich, welche zoologischen Weisheiten man mitunter bei einem a-capella-Konzert vermittelt bekommen kann. Quell dieser Kenntnisse war das Vokalensemble 6-Zylinder, das im Forum mit seinem Konzert den Abschluß des „Young Voices 2003“ Chorfestivals markierte. Unter dem mottohaften Titel „Brunftzeit“ machten die sechs Sänger glaubhaft deutlich, dass es seit jeher auffallende Parallelen in dem Werbungsverhalten des Dammwilds und dem menschlichen Phänomen des Liebeslieds gibt. Sie präsentierten hierzu Pheromon-geschwängerte Vokalstücke, deren Stil vom Madrigal bis zur Muppet-Show reichte und würzten diese auch mal mit röhrenden Brunftschrei-Imitationen. Eingebettet waren diese Darbietungen in die eingangs erwähnten Lektionen. Noch ein Beispiel? „Der Hirsch verliert in der Brunft bis zu 40 Pfund!“. Wer hätte das gedacht? Aber nicht nur das intellektuelle Wohl lag den Sängern Thomas Michaelis (Bariton und Alt), Tilo Beckmann (Sopran), Henrik Leidreiter (Bass), Winne Voget (Alt, Bariton und Bass), Jos Gerritschen (Bariton) sowie Nicolas Leibel (Tenor) am Herzen, das Programm sollte ebenfalls als Vorlage und Inspiration für die ganz persönliche Brunft der Zuhörer dienen. So schickten sie das Publikum auch während der Pause ins Freigehege, um dort das Erlernte direkt anzuwenden. Der zweite Teil des Programms bestätigte die positiven Eindrücke, die man bis hierher gesammelt hatte. Der 6-Zylinder Motor lief rund, mit synchronen Zündzeitpunkten und ohne Aussetzer, die einzelnen Ventile waren sehr gut aufeinander eingestellt und auch sonst war der Ölstand im Optimalbereich. Die Stimmqualität offenbarte sich nicht zuletzt in einer von Schubert vierstimmig vertonten Schillerschen (Zylinderkopf-) Dichtung über die Liebe. Besondere Freude bereiteten auch die immer wieder eingestreuten lustigen kleinen Szenen, mit der die Musiker ihre Begabung für Spaßelemente und ihre Professionalität unter Beweis stellten. Durch solche „chor“eographischen Clownereien entstand eine Show in der Show, die bei dem dankbaren Publikum ausgesprochen gut ankam. Dies ging sogar soweit, dass die Gäste im Saal dazu gebracht werden konnten, sich lauthals für den Urvater aller roten Sakkos, Roberto Blanco, zu begeistern. Ein scheues Reh auf einer Lichtung kann kaum ein selteneres Schauspiel sein. – erschienen im Juli 2003 in der Rheinischen Post Düsseldorf
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