Als bislang letzte Rock- und Popgruppe hat sich nun auch Pur in die lange Liste der Bands eingetragen, die ihren Sound durch das Zusammenspiel mit einem klassischen Orchester aufzuwerten versuchen. Ganz früher, vor 30 Jahren, nannte man so etwas mal progressive Avantgarde und man konnte damit Generationen spalten. Heute ist das provokative Feuer längst erloschen, eine Kollaboration von Band und Orchester wie bei „Pur klassisch“ wird mittlerweile von stattlichen Werbe- und Promotions-Aktionen großer Unternehmen sanft auf den Wogen des Mainstream geschaukelt. Die 55.000 angereisten Puristen, die sich für das als Mega-Event angekündigte Spektakel erwartungsvoll in der Arena AufSchalke eingefunden haben, müssen aber gleich zu Beginn eine Enttäuschung hinnehmen. Mit den ersten Klängen des German Pops Orchesters, dirigiert von Bernd Ruf, die die von atmosphärischem Purpur illuminierte Bühne verlassen, offenbart sich eine schauderhafte Raumakustik, die die Beschallungs-Crew über den gesamten Abend nicht in den Griff bekommt. Instrumente und Gesang, Töne und Melodien, Band und Orchester, alles hallt in der riesigen Arena von gut einem Viertel an unbesetzten Plätzen wider und vermengt sich zu einer formlosen Masse, bei der man die Lieder oft erst am Refrain erkennt. Diesen akustischen Eintrübungen zum Trotz singen die Menschen rund um die in der Mitte des Innenraums aufgebaute Bühne die ihnen längst vertrauten Texte enthusiastisch mit. Vielfach verwandelt Sänger Hartmut Engler seine dankbaren Fans in einen gewaltigen puritanischen Chor, der vor Begeisterung beinahe Purzelbäume schlägt und sich mehrfach mit „Oh, wie ist das schön“-Gesängen revanchiert. Auch das Orchester wird aktiv in den Gute-Freunde-Sound mit aufgenommen. Zwar ist der hörbare Anteil des Orchesters am Gesamtklang überwiegend auf die Begleitung der Band reduziert und musikalisch eher unspektakulär, aber dafür dürfen die 40 Klassiker in den Spielpausen freudig mitklatschen und im Takt mit den Armen winken. Und auch alte Kameraden wie Fools Garden, Heinz Rudolf Kunze und die Sängerin Nubya unterstützen Pur mit kurzen Gastauftritten. „Klassisch“ im strengen musikalischen Sinn spielen Pur ihre Lieder nicht, bestätigen aber ihre unstrittigen klassischen Qualitäten als Dicke-Kumpel-Band, für die sie bei ihrem „Purblikum“ so hoch im Kurs stehen. Für sie war AufSchalke zwei Stunden lang das Abenteuerland. – erschienen im September 2004 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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