Moment mal!! Beethoven? Ey, is doch voll nicht Pop??! Ja, stimmt. Aber das sind nur Äußerlichkeiten, Attribute und bürgerliche Kategorien. Und genau darum geht's heute. Beim zweckfreien Schlendern durch das Internet bin ich neulich über folgendes Bild gestolpert. Eine nette Übersicht über berühmte Komponisten und ihre individuelle Art, einen Violinschlüssel zu schreiben. Und wer fällt dabei (wieder mal) aus der Reihe? Kollege Beethoven, natürlich, der ewige Querulant. Die lakonische Unterstellung, die das Bild begleitete, beklagte sinngemäß, dass Beethoven offenbar einen bedauerlichen Mangel an Engagement für's Komponieren zeigen würde: Was ist denn da los? Konnte Beethoven etwa nicht nur nicht gut hören, sondern auch noch nicht mal einen geraden Notenschlüssel zeichnen? Und das als einer der größten (ich sage: Der Größte!) Komponisten auf Erden? Nun, ich würde eher sagen, der gute Beethoven hat vor allem eins sagen wollen: Lasst mich doch mit euren langweiligen Konventionen in Ruhe, ich hab hier ganz andere Probleme! Denn nicht auf die korrekte Form kommt es ihm an, es geht offenbar um viel mehr. Um die wesentlichen Dinge, die mit der Musik zum Ausdruck kommen sollen. Der Notenschlüssel ist dabei nur ein Detail, ein notwendiges Übel, für die eine Andeutung genügt, eigentlich ist er entbehrlich. Wichtiger ist, was nach dem Notenschlüssel steht, was die Musik sagt und auslöst. Und nicht mal dabei ist wichtig, wie sie aussieht und wie sauber sie aufgeschrieben ist. Als Beispiel mal eine Skizze für die 7. Symphonie op. 92. Na, wo ist der Notenschlüssel? Äh, wo fängt's überhaupt an? Um Konventionen wie einen korrekten Notenschlüssel oder eine saubere, lesbare Schrift schert sich Beethoven offenkundig nicht. Ihm ging es damit wohl mehr um ein Statement: Er hatte schlicht keine Zeit, sich lange mit den vorgeschriebenen Äußerlichkeiten aufzuhalten. Wie ein Getriebener musste er die künstlerische Aussage auf's Papier bringen, egal wie.
Zack, schnell mit der Feder hingeworfen, das muss langen. Es gibt noch so viel mehr Musik, die aus dem Kopf raus muss. Und wer wie Beethoven die Musik so nachhaltig erneuert hat, konnte es sich einfach nicht leisten, seine Zeit mit brav ausgeschriebenen Noten zu vergeuden. Mozart hatte es da offenbar einfacher. Von Natur aus (auch noch) mit einer saubereren Handschrift gesegnet, hat er die im Kopf fertig auskomponierte Musik "nur" noch schnell aufschreiben müssen. Wobei, da gibt's ja auch Zweifel dran. Angeblich reichen die 36 Lebensjahre Mozarts für einen normalen Menschen gar nicht aus, um die 626 Werke des Köchelverzeichnisses handschriftlich niederzulegen. Hätte Mozart also nie alles komponieren können. Nette Verschwörungstheorie, müsste man mal überprüfen... Apropos: Während Mozart lange Jahre seines kurzen Lebens einer festen Anstellung hinterherhechelte und sich damit auch immer ein bisschen angebiedert und unterwürfig benommen hat, ließ sich der Herr van Beethoven von seinen Mäzenen finanzieren und hat en passant so noch den freien Künstlertypus erfunden. Nicht von Adel sei man durch das "von" im Namen, sondern durch die Kunst, die man zu schaffen vermag. So oder so ähnlich hat sich Beethoven mit trotzigem Stolz immer wieder in nix reinreden lassen. Und überhaupt war unser komponierender Freund auch ansonsten kein Freund langen Zauderns oder der wohlfeilen Handschrift. Den anekdotischen Beethoven-Überlieferungen nach scheint der Mann gern mal die Geduld mit seinen Mitmenschen verloren zu haben, wenn's ihm – zwischen der eigenen drängenden Schaffenskraft und dem dümmlich schulterzuckenden Unverständnis der anderen – wieder mal nicht schnell genug ging. Schaut man sich seine Niederschriften (und was sie aussagen) an, klingt das nachvollziehbar. Wer's nicht lesen konnte, bekam's vermutlich nochmal laut entgegen gebrüllt. Wie sein harscher Umgang mit seinen Zeitgenossen ist Beethovens Musik - obgleich sie sich doch den Mitteln der tradierten (bzw. damals zeitgenössischen) Musikästhetik bedient - ein ebensolcher fester Tritt gegen das etablierte Schienbein. Beethoven hat mit seiner aufrührerischen Art zu Komponieren sozusagen den klingenden Gang durch die Institutionen durchschritten, hat "sie" mit ihren eigenen Waffen geschlagen. Schauen wir uns zwei Beispiele an. Zu Beethovens Zeiten herrschte noch eine recht klare Meinung darüber vor, wie denn eine Melodie, ein Thema oder auch ein Motiv zu klingen habe. Melodiös soll es bitteschön sein, daher ja auch der Name. Singen soll man sie können, vielleicht wenigstens Nachpfeifen. Singen. Nachpfeifen. Aha. Aber womit kommt Beethoven um die Ecke? Mit einer hübschen "kantablen" Melodei, ganz im italienischen Stil, schön achtaktig, mit Vordersatz und Nachsatz? Nein. Beethoven haut uns mal glatt ein Thema um die Ohren, das aus gerade mal zwei(!) Tönen besteht. Vier Noten, zwei Töne, einer davon sogar noch dreimal wiederholt. So. Fertig. Das reicht. Aus dieser Keimzelle schaffte Beethoven eine komplette Symphonie von gut 35 Minuten Dauer. Starkes Ding, Herr van Beethoven! Und man kann es sogar singen und pfeifen. Respekt. Kennt heute jeder: Ta Ta Ta Taaa. Und er hat noch so ein Ding rausgehauen: Die Klaviersonate "Waldstein" Nr. 21, op. 53 C-Dur. Eigentlich bestanden Sonaten zur damaligen Zeit aus drei, bzw. vier Sätzen. Wie viele hat Beethovens? Richtig. Zwei! Und auch dieses Werk beginnt mit einem Hauptthema, das eigentlich nichts Singbares bereithält. Stattdessen brettert ein C-Dur-Dreiklang in Achteln auf den Hörer ein, und nach einem schwindelig machenden Lauf über zweieinhalb Takte wird das Thema dann direkt mal in Sechzehntel verdoppelt wiederholt. Poah, mein Lieber! Das ist mal ein Anfang. Klar, dass da den zarten Salondamen gerne mal die Luft wegblieb, wenn der coole Mr B sich hinter den Flügel klemmte und mit solchen unerhörten Sachen daherkommt. Unnötig zu erwähnen, das die Handschriften der beiden Stücke aussehen ... wie Sau. Aber eine ziemlich coole Sau! Wie kamen wir drauf? Richtig, der "schlampige" Notenschlüssel. Für mich ist der überhaupt kein bisschen schlampig. Für mich steht er für alles, was ich an Beethoven super finde.
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Der Popwart
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